Versteckter Alkohol in Lebensmitteln
Abstract
Lebensmittel können mitunter Alkohol enthalten, ohne dass dies gekennzeichnet werden muss. Das LGL hat im Rahmen eines breit angelegten Schwerpunktprojektes den Ethanolgehalt in verschiedenen marktüblichen Lebensmitteln ermittelt und dabei über 1200 potentiell alkoholhaltige Lebensmittel untersucht. Dazu gehören entalkoholisierte Getränke wie Bier und Wein, Lebensmittel mit Alkoholzusatz wie Pralinen und Konfitüren sowie solche, bei denen der Alkohol aus Gärprozessen stammt (zum Beispiel Essig, Obst). Die höchsten Alkoholgehalte wurden mit 63 Gramm pro Kilogramm in spirituosenhaltigen Pralinen und 35 Gramm pro Kilogramm in einem Weingelee festgestellt. Als „alkoholfrei“ bezeichnete Biere und Weine blieben durchweg unter der als tolerabel angesehenen Alkoholkonzentration von 0,5 Volumenprozent oder erreichten diesen Wert gerade. Durch Gärung hergestellte Produkte wie Sauerkraut, Essig, fermentierte Teegetränke und Hefebackwaren enthielten immer nachweisbare Mengen an Alkohol. Dies galt auch für überreife Bananen.
Hintergrund und Ziele des Projektes
Zahlreiche Lebensmittel des täglichen Konsums enthalten geringe Mengen an Alkohol (gemeint ist hierbei die chemische Verbindung Ethanol). Viele dieser Lebensmittel werden sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen konsumiert. Aber gerade Kinder sollten nicht frühzeitig an den Geschmack von Alkohol gewöhnt werden. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern sind die tatsächlichen Ethanol-Gehalte in Lebensmitteln nur selten bewusst, denn eine rechtlich verpflichtende Gehaltsangabe ist lediglich bei vorverpackten Getränken mit einem Alkoholgehalt ab 1,2 Volumenprozent (entsprechend 9,5 Gramm pro Liter) vorgeschrieben. Für alle anderen Lebensmittel gibt es keine generelle Deklarationspflicht. Beispielsweise dürfen Getränke, die als „alkoholfrei“ gekennzeichnet sind (zum Beispiel alkoholfreies Bier, Wein oder Schaumwein, genauer: „schäumendes Getränk aus alkoholfreiem Wein“), trotzdem geringe Alkoholmengen bis zu einem Höchstgehalt von 0,5% Volumenprozent Alkohol (entsprechend 4 Gramm pro Liter) enthalten.
Für Menschen, die Alkohol meiden müssen oder wollen, ist es daher mitunter schwierig, sich über den Alkoholgehalt der entsprechenden Lebensmittel zu informieren. Aus diesem Grunde hat das LGL ein breit angelegtes Untersuchungsprojekt gestartet, um den Ethanolgehalt in verschiedenen marktüblichen Lebensmitteln zu ermitteln. Von den Untersuchungen ausgenommen waren alkoholische Getränke wie Wein, Spirituosen, Bier oder Biermischgetränke, für die ohnehin eine Pflicht zur Deklaration des Alkoholgehalts besteht. Spezielles Augenmerk wurde also auf Erzeugnisse gelegt, bei denen Alkohol häufig nicht erwartet wird. Dazu zählen beispielsweise Fruchtsäfte, Erfrischungsgetränke, frisches Obst (insbesondere Bananen) sowie Produkte, bei deren Herstellung ein Gärungsprozess jenseits der alkoholischen Gärung stattfindet (beispielsweise Sauerkraut, Essig, Kefir).
Ergebnisse
Innerhalb von zwei Jahren wurden insgesamt 1259 Proben untersucht. Die untersuchten Produktgruppen und Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt.
Art des Alkohholgehaltes | Produktgruppe | Anzahl der Proben | Ethanolgehalt Min |
Ethanolgehalt Max |
Ethanolgehalt Median |
---|---|---|---|---|---|
entalkoholisierte Lebensmittel | Bier alkoholfrei | 83 | n.n. | 4,24 | 2,56 |
Biermischgetränke alkoholfrei | 64 | n.n. | 3,52 | 1,32 | |
Sekt, Wein alkoholfrei | 15 | 0,06 | 1,55 | 0,25 | |
aromatisierte weinhaltige Getränke alkoholfrei | 6 | 0,02 | 2,32 | 0,34 | |
Lebensmittel mit Alkoholzusatz | Backwaren (Alkoholzusatz aus technologischen Gründen) | 55 | 1,46 | 14,9 | 8,02 |
Backwaren (Alkoholzusatz zur Aromatisierung) | 38 | 0,01 | 10,91 | 2,74 | |
Süßwaren (Marzipan) | 13 | 0,08 | 18,3 | 7,36 | |
Süßwaren (Pralinen) | 16 | 1,43 | 63 | 23,55 | |
Suppen/Saucen | 30 | 0,09 | 8,50 | 2,21 | |
Fertiggerichte | 24 | n.n. | 9,4 | 3,45 | |
Konfitüren und ähnliche Aufstriche | 22 | 0,08 | 35,1 | 5,81 | |
Lebensmittel mit Alkohol aus Gärprozessen | Hefebackwaren (Alkoholentstehung durch Hefegärung) | 38 | 0,11 | 3,67 | 0,97 |
Sauerkraut | 26 | 0,7 | 4,3 | 1,85 | |
Gärungsessig | 52 | n.n. | 4,18 | 0,82 | |
Milcherzeugnisse (Kefir) | 21 | n.n. | 0,05 | 0,01 | |
Gärgetränke | 23 | n.n. | 4,9 | 1,91 | |
Teegetränke fermentiert | 13 | 1,69 | 3,81 | 2,17 | |
Fruchtsäfte | 361 | n.n. | 2,4 | 0,27 | |
Fruchtsirupe und -nektare | 27 | n.n. | 0,47 | 0,09 | |
Sauerkrautsäfte | 37 | n.n. | 5,28 | 1,13 | |
Erfrischungsgetränke | 142 | n.n. | 2,06 | 0,05 | |
Fleischerzeugnisse roh und gereift | 38 | n.n. | 0,49 | 0,1 | |
Honig | 31 | n.n. | 0,08 | 0,01 | |
Frischobst (Bananen) | 43 | n.n. | 7,37 | 0,23 | |
Babynahrung (Püree-Beikost) | 14 | n.n. | 0,38 | 0,06 | |
Babynahrung (flüssige Beikost) | 27 | n.n. | 0,94 | 0,08 |
n.n. = nicht nachweisbar (Getränke: <0,05 g/l; andere Proben: <0,006 g/kg)
Die Ethanolgehalte werden bei festen Lebensmitteln in Gramm pro Kilogramm und bei flüssigen Lebensmitteln in Gramm pro Liter angegeben. Für jede Produktgruppe sind der kleinste und der größte Wert sowie der Median dargestellt.
Die Ethanolbestimmungen in Getränken wurden mit Hilfe von handelsüblichen enzymatischen Testverfahren mit einer Bestimmungsgrenze von 0,05 Gramm pro Liter durchgeführt. Bei den anderen Proben erfolgte die Bestimmung über Headspace-Gaschromatographie-Massenspektrometrie. Hier lag die Bestimmungsgrenze bei 0,006 Gramm pro Kilogramm.
Alle untersuchten Lebensmittel konnten drei Gruppen zugeordnet werden: entalkoholisierte Lebensmittel, Lebensmittel mit Alkoholzusatz (der hier in der Regel entweder wegen des Geschmacks oder aus technologischen Gründen erfolgt) und Lebensmittel mit Alkohol aus Gärungsprozessen.
Die höchsten Alkoholgehalte wurden erwartungsgemäß in der Gruppe der Lebensmittel mit Alkoholzusatz festgestellt. So wurden in Pralinen, in denen Spirituosen verarbeitet wurden, bis zu 63 Gramm Ethanol pro Kilogramm ermittelt, in einem Weingelee waren es wiederum 35 Gramm pro Kilogramm. Trotz dieser verhältnismäßig hohen Alkoholgehalte gab es in dieser Lebensmittelgruppe keine Beanstandungen, weil es dem Verbraucher stets möglich war, anhand der verpflichtenden Angaben im Zutatenverzeichnis auf das Vorhandensein von Alkohol im Produkt zu schließen.
Bei den untersuchten alkoholfreien Varianten von Wein, aromatisierten weinhaltigen Getränken, schäumenden Getränken aus alkoholfreiem Wein und Bier der Gruppe der entalkoholisierten Lebensmittel wurden die bereits erwähnten tolerablen Alkoholmengen von 0,5 Volumenprozent (entsprechend 4 Gramm pro Liter) weitgehend eingehalten. Biermischgetränke bedürfen jedoch einer gesonderten Betrachtung, denn der noch zu tolerierende Alkoholgehalt hängt hier vom Bieranteil im Endprodukt ab. Ein bekanntes Biermischgetränk ist das sogenannte Radler, welches zur Hälfte aus Bier und Zitronenlimonade besteht. Ein alkoholfreies Radler dürfte demnach rechnerisch höchstens 0,25 Volumenprozent (entsprechend 2 Gramm pro Liter) Alkohol enthalten. Bei drei Proben wurde diese Menge mit bis zu 3,52 Gramm pro Liter überschritten, was entsprechend beanstandet wurde. Allerdings ist bei alkoholfreien Bieren und Biermischgetränken zu berücksichtigen, dass es bei diesen Produkten keinen rechtlich verankerten Alkoholhöchstwert, sondern nur eine allgemeine Verkehrsauffassung gibt.
In den meisten Proben der Gruppe der Lebensmittel mit Alkohol aus Gärungsprozessen wurden im Mittel eher geringe Ethanolgehalte beobachtet. Werden jedoch die höchsten Gehalte betrachtet, so fallen hier erwartungsgemäß Produkte wie Sauerkraut, Sauerkrautsäfte, Essige, Gärgetränke beziehungsweise fermentierte Teegetränke, aber auch Backwaren mit Hefegärung auf. Bei all diesen Lebensmitteln spielen bei der Herstellung verschiedene Gärungsprozesse eine entscheidende Rolle. Bei solchen Prozessen ist aber die Bildung mehr oder weniger hoher Alkoholmengen als Gärungsnebenprodukt kaum vermeidbar.
Eine Probe eines Apfelsafts für Säuglinge und Kleinkinder fiel durch ihren Ethanolgehalt von annähernd einem Gramm pro Liter auf, der deutlich über den Gehalten vergleichbarer Produkte liegt und der nicht mit der guten Herstellungspraxis vereinbar ist. Entsprechend wurde der Hersteller im Gutachten darauf hingewiesen, dass aus Gründen des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes bei Lebensmitteln für eine derart sensible Verbrauchergruppe wie Säuglinge und Kleinkinder der Ethanolgehalt so niedrig wie möglich gehalten werden muss.
Bemerkenswerte Ergebnisse lieferte die Untersuchung von Bananen. Je nach Reifestadium der Früchte von grün nach reif bis überreif variiert der Alkoholgehalt stark. So enthalten grüne Bananen keinen Alkohol. Reife Bananen bilden zwar Alkohol aus, jedoch nicht immer. Falls doch, entstehen nur geringe Mengen bis 1,4 Gramm pro Kilogramm. In überreifen Bananen, die sich äußerlich durch eine starke Braunfärbung der Schale auszeichnen, ist Alkohol allerdings in jedem Fall enthalten. Der höchste hier ermittelte Wert lag bei 7,37 Gramm pro Kilogramm. Vulnerable Gruppen wie Säuglinge und Kleinkinder, aber auch Menschen, die auf eine Alkoholaufnahme verzichten möchten, sollten daher überreife Bananen meiden.
Fazit
Die Anwesenheit von geringen Ethanolmengen ist in vielen Lebensmitteln kaum vermeidbar. Deshalb muss bei einigen Lebensmitteln mit versteckten, in der Regel allerdings geringen Mengen an Alkohol gerechnet werden.
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) (2011): Mit jedem Glas Alkohol steigt das Krebsrisiko
- reflection paper on ethanol content in herbal medicinal products1 and traditional herbal medicinal products used in children (PDF, 97 KB)
- EMA (2014): Questions and Answers on Ethanol in the context of the revision of the guideline on ‘Excipients in the label and package leaflet of medicinal products for human use’ (CPMP/463/00). EMA/CHMP/507988/2013. (PDF, 167 KB)
- Griswold M. et al. (2018): Alcohol use and burden for 195 countries and territories, 1990–2016: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2016. Lancet 392: 1015–35.
- Pelucchi C. et al. (2011): Alcohol Consumption and Cancer Risk. Nutr. and Cancer 63 (7): 983-990.