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Inhalationsallergie: Krankheitsbild, Häufigkeit, Auslöser, diagnostische Maßnahmen
Aeroallergene oder Inhalationsallergene sind natürlich vorkommende Stoffe, die über die Luft verbreitet werden. Bedeutsame Allergenträger sind z. B. Pollen, Hausstaubmilben, Tierepithelien oder Schimmelpilzsporen. Zum Allergen werden sie, besonders bei erblich vorbelasteten Menschen („Atopiker“), durch eine erworbene krankmachende Abwehrreaktion, die das Immunsystem gegen diese normalerweise harmlosen Substanzen ausbildet. Es gibt unterschiedliche allergische Mechanismen. Grob werden vier verschiedene Allergieformen unterschieden: Typ I (Immunglobulin-E-vermittelte Soforttyp-Reaktion), Typ II (zytotoxische oder Komplement-vermittelte Reaktion), Typ III (Immunkomplex-vermittelte Reaktion) und Typ IV (T-zellvermittelte Reaktion, Spättyp-Reaktion).
Allergischen Erkrankungen durch Inhalationsallergene liegt häufig eine Typ-I-Allergie zugrunde. Hierbei werden durch weiße Blutzellen (B-Lymphozyten) Antikörper (Immunglobuline von Typ IgE) gegen Allergene gebildet. Diese Antikörper binden an bestimmte Zellen (Mastzellen, basophile Granulozyten), und bei erneutem Kontakt mit dem Allergen kommt es zu einer Freisetzung von Botenstoffen (Mediatoren, z. B. Histamin) aus den Zellen, die dann die eigentlichen allergischen Beschwerden verursachen.
Für allergische Soforttyperkrankungen mit Symptomen an den Augen und der Nasenschleimhaut („Heuschnupfen“) gelten Gräserpollen in Europa als Hauptverursacher. Die häufigste Ursache einer Baumpollenallergie in Mitteleuropa ist die Birke. In Deutschland gehören zu den bedeutsamen Quellen von Inhalationsallergenen:
- Gräser-, Baum- und Kräuterpollen
- Hausstaubmilben
- Tierepithelien
- Schimmelpilzsporen
Krankheitsbild
Die Typ-I-Allergie an den Atemwegen gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen überhaupt. Typische Krankheitsbilder sind die allergische Rhinokonjunktivitis (allergischer Schnupfen, „Heuschnupfen“) und/ oder das allergische Asthma bronchiale. Das Risiko, an einem allergischen Asthma zu erkranken, ist für Heuschnupfen-Erkrankte 3,2-mal höher, als für die Normalbevölkerung (Pariente et al. 1997). In den meisten Fällen beginnt die Erkrankung bereits im Kindealter und hat viele Auswirkungen auf die Betroffenen. Folgende Symptome können dabei auftreten: Rötung, Juckreiz und Fremdkörpergefühl der Augen, tränende Augen, Juckreiz in der Nase, laufende oder verstopfte Nase, Niesen, Husten, Kurzatmigkeit, pfeifendes Atmen oder Atemnot. Zusätzlich tritt mit den Symptomen oft ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Schwäche auf. Die Ausprägung der Beschwerden kann über das Jahr hinweg unterschiedlich ausgeprägt sein.
Früher wurden eine saisonale, eine ganzjährige und eine berufsbedingte Form des allergischen Schnupfens unterschieden. Da saisonal vorhandene Allergene (z.B. Pollenallergene) über viele Monate des Jahres Beschwerden bereiten und auch ganzjährige Allergene (wie Milben) saisonale Schwankungen aufweisen, wird die allergische Rhinokonjunktivitis von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) heute nach Dauer und Schwere der Symptome klassifiziert.
Die Dauer der Symptome wird in intermittierend (Beschwerden an weniger als 4 Tage pro Woche oder weniger als 4 Wochen pro Jahr) und persistierend (Beschwerden an mehr als 4 Tagen pro Woche und mehr als 4 Wochen pro Jahr) eingeteilt (s. https://dgaki.de/wp-content/uploads/2010/05/Leitlinie_AllergischeRhinitis2003.pdf)
Die Symptomschwere wird in eine geringe Ausprägung (Vorhandensein von Symptomen ohne Beeinträchtigung der Lebensqualität) und in eine mäßige bis schwere Ausprägung (Vorhandensein von Symptomen, die als belastend empfunden werden und die Lebensqualität beeinträchtigen) unterteilt. Als Parameter für die Beurteilung der Lebensqualität werden die Schlafqualität, schulische oder berufliche Leistungen sowie alltägliche und sportliche Aktivitäten herangezogen.
Diagnostik
Die Diagnosestellung ruht auf folgenden Säulen:
- Erhebung der medizinischen Vorgeschichte (Anamnese)
- Klinische Untersuchung der Nase (oft inkl. Nasenendoskopie), der Augen (inkl. umgebender Hautregion) und der Lunge einschließlich Lungenfunktionstests zur Klärung der Diagnose allergisches Asthma
- Hauttests: Dazu werden Allergene oberflächlich in die Haut eingebracht. Die dadurch verursachten Reaktionen wie Rötung (Erythem) und Quaddelbildung können nach 15 bis 20 min. abgelesen werden. Der wichtigste Hauttest ist der Pricktest. Getestet werden dabei kommerziell erhältliche, standardisierte Allergenextrakte. Das getestete Allergenspektrum kann nach Beschwerdezeitraum und Wohnort etwas variieren. Üblicherweise getestet werden Pollen von Beifuß, Birke, Hasel, ErleBäumen, Gräsern, und Kräutern sowie Schimmelpilze, Tierhaare und Tierepithelien und Hausstaub- und Vorratsmilben.
Positiver Pricktest (Bild zur Verfügung gestellt von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein der TU München)
- Labortests: Die Allergen-spezifischen Antikörper (Immunglobulin IgE) lassen sich im Serum des Patienten mit standardisierten Nachweismethoden überprüfen.
- Provokationstests: Mit einer Reaktion im Hauttest oder dem Nachweis spezifischer IgE-Antikörper gegen ein bestimmtes Allergen wird lediglich die Immunantwort (Sensibilisierung) belegt. Da es eine klinisch stumme Sensibilisierung auch ohne Krankheitswert gibt, muss durch Abgleich mit der Anamnese und/oder durch nasale, konjunktivale oder bronchiale Provokationstests überprüft werden, ob die festgestellte Sensibilisierung für die klinische Symptomatik des Heuschnupfens oder des Asthmas verantwortlich ist.
Sensibilisierungshäufigkeiten und Prävalenz des allergischen Asthmas und des Heuschnupfens in Deutschland
Allergische Erkrankungen stellen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene eine erhebliche Krankheitsbelastung dar. Bei fast der Hälfte der Erwachsenen in Deutschland liegt eine Sensibilisierung gegen mindestens ein Inhalationsallergen vor. Bei mehr als 20% der Erwachsenen (über 12 Millionen Menschen) in Deutschland liegt laut Selbsteinschätzung Heuschnupfen vor; bei etwa 3,2 Millionen wurde eine Asthmaerkrankung ärztlich diagnostiziert. Die Wahrscheinlichkeit für deutsche Erwachsene, irgendwann im Laufe des Lebens an einem allergischen Schnupfen zu erkranken, liegt bei 15,6%.
Bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich über die letzten 10 Jahre in Deutschland eine Stabilisierung der Häufigkeit allergischer Erkrankungen auf hohem Niveau. Dies kann allerdings nicht als Grund zur Entwarnung gesehen werden: In Deutschland leiden über eine Million an Heuschnupfen (etwa 10%), ungefähr eine halbe Million haben ein Asthma (etwa 4%). Fast jeder zweite deutsche Jugendliche weist eine Sensibilisierung gegen mindestens ein Inhalationsallergen auf.
Ein wichtiges Inhalationsallergen, das europaweit an Bedeutung zuzunehmen scheint, sind die Pollen von Ambrosia artemisiifolia (Beifuß-Ambrosie, Beifuß-blättriges Traubenkraut oder Ragweed) (siehe "Verwandte Themen" rechts).
Weiterführende Literatur
Allergie allgemein:
- Bergmann, K.-Ch.; Heinrich, J.; Niemann H. Aktueller Stand zur Verbreitung von Allergien in Deutschland. Positionspapier der Kommission Umweltmedizin am Robert Koch-Institut. Allergo J Int 2016; 25: 6Bousquet J, Van Cauwenberge P, Khaltaev N; Aria Workshop Group.; World Health Organization. Allergic rhinitis and its impact on asthma (ARIA). J Allergy Clin Immunol 2001; 108: S147–334
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- Ring, J. Angewandte Allergologie. 2004, 3. neu bearbeite Auflage, Urban&Vogel, München
- Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI), Ärzteverband Deutscher Allergologen (ÄDA) und Deutsche Akademie für Allergie und Umweltmedizin (DAAU): Weißbuch Allergie in Deutschland. 2004, 2. Auflage, Urban&Vogel, München
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- Ruëff, F.; Przybilla, B.: Hauttests bei Soforttyp-Allergie. In: Korting, H.C.; Sterry, W. (Hrsg.): Diagnostische Verfahren in der Dermatologie. Blackwell Wissenschafts-Verlag, Berlin-Wien, 1997: 87-98
- Buhl, R.; Berdel, D.; Crieé, C.-P.; Gillissen, A.; Kardos, P.; Kroegel, C.; Leupold, W.; Lindemann, H.; Magnussen, H.; Nowak, D.; Pfeffer-Kascha, D.; Rabe, K.; Rolke, M.; Schultze-Werninghaus, G.; Sitter, H.; Ukena, D.; Vogelmeier, C.; Welte, T.; Wettengel, R.; Worth, H.: Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma. Pneumologie, 2006; 60:139-183
- AWMF-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI) in Abstimmung mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG)
(http://www.awmf.org/) - D'Amato, G.; Spieksma, F.Th.M., Liccardi, G.; Jäger, S.; Russo, M.; Kontou-Fili, K.; Nikkels, H.; Wüthrich, B.; Bonini, S. Pollen-related allergy in Europe. Allergy, 1998; 53:567-578
Sensibilisierungshäufigkeiten bei Inhalationsallergenen
Sensibilisierungshäufigkeiten bei Inhalationsallergenen:
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Frühblüher bei Kindern in München und Dresden. Pneumologie, 2001; 55:223 - Schäfer, T.; Krämer, U.; Dockery, D.; Vieluf, D.; Behrendt, H.; Ring, J.: What Makes a Child
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Prävalenz der Rhinokonjunktivitis allergica und des Asthmas in Deutschland:
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- Nowak, D.; Heinrich, J.; Jörres, R.; Wassmer, G.; Berger, J.; Beck, E.; Boczor, S.; Claussen, M.; Wichmann, H.E.; Magnussen, H.: Prevalence of respiratory symptoms, bronchial hyperresponsiveness and atopy among adults: West and East Germany. Eur Respir J, 1996; 9:2541-2552
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