Gesundheitliche Bedeutung der Tabakrauchbelastung in öffentlich zugänglichen Einrichtungen

Das Forschungsprojekt wurde gemeinsam von dem damaligen Sachgebiet Umweltmedizin, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim, der Abteilung Zentrale Analytik und Stoffbewertung, Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg, und dem Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt.

Das Forschungsprojekt wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit gefördert.

Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

Hintergrund und Ziel der Studie

Im Gegensatz zu anderen Staaten gibt es bisher in Deutschland keine umfassenden rechtlichen Regelungen zum Schutz Nichtrauchender in öffentlichen Einrichtungen insbesondere der Gastronomie. Aktuelle Befragungen in Deutschland ergaben, dass Nichtrauchende vor allem in öffentlichen Räumen wie z. B. Gastronomiebetrieben Tabakrauch ausgesetzt sind. Obwohl die Thematik in den letzten Jahren und Monaten zunehmend diskutiert wurde, fehlten bislang in Deutschland aussagekräftige Daten zur Expositionssituation in Bezug auf Tabakrauchsubstanzen in der Raumluft von Gastronomiebetrieben.

Vor diesem Hintergrund war das Ziel der Studie, das Ausmaß und die Bandbreite der Exposition gegenüber toxischen und insbesondere kanzerogenen Substanzen des Tabakrauchs in verschiedenen Gastronomiebetrieben wie Restaurants, Kneipen und Diskotheken als öffentlich zugänglichen Einrichtungen Bayerns zu ermitteln.

Methodik

Die Messungen erfolgten über vier Stunden während der Hauptbetriebszeit in 28 Gastronomiebetrieben (11 Cafés/Bistros/Restaurants, 7 Kneipen/Pubs und 10 Diskotheken/Clubs) im Großraum München/Augsburg, jeweils in Bereichen ohne Einschränkungen des Rauchens. Alle untersuchten Gastronomiebetriebe verfügten über eine Lüftungsanlage. Durch eine Probenahmezeit von vier Stunden während der Hauptbesuchszeiten des jeweiligen Gastronomiebetriebs wurde sichergestellt, die Belastung mit Schadstoffen aus dem Tabakrauch in der Gas- und in der Partikelphase unter realen Bedingungen zu erfassen.

Es wurden leicht flüchtige organische Substanzen (VOC), Aldehyde/Ketone, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Schwermetalle und Feinstaub bestimmt. Die gemessenen Tabakrauchbestandteile sind im Detail nachfolgend aufgeführt.

Als analytische Verfahren kamen Hochdruckflüssigkeitschromatographie, Gaschromatographie-Massenspektrometrie, Gravimetrie und Aerosolspektrometrie zum Einsatz.

Gemessene Substanzen im Tabakrauch

1. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)

  • Naphthalin
  • Acenaphthylen
  • Acenaphthen
  • Fluoren
  • Phenanthren
  • Anthracen
  • Fluoranthen
  • Pyren
  • Benz(a)anthracen
  • Chrysen
  • Benzo(b)+Benzo(k)fluoranthen
  • Benzo(a)pyren
  • Dibenzo(a,h)anthracen
  • Indeno(1,2,3-cd)pyren
  • Benzo(g,h,i)perylen

2. Leicht flüchtige organische Substanzen (VOC) und Aldehyde/Ketone

  • Nikotin
  • 3-Ethenylpyridin
  • Acetonitril
  • Acrylnitril
  • Benzol
  • 2,5-Dimethylfuran
  • 1,3-Butadien
  • Formaldehyd
  • Acetaldehyd
  • 2-Butanon
  • Acrolein

3. Schwermetalle

  • Cadmium
  • Cer
  • Lanthan
  • Thallium

4. Partikel

  • Partikelmassenkonzentration (PM2.5, PM10, PM1)
  • Partikelanzahlkonzentration

Ergebnisse

Tabakrauch-spezifischer Marker: Nikotin

Die mediane Nikotinkonzentration war in Diskotheken mit 193 µg/m³ deutlich höher als in Restaurants/Cafés (15 µg/m³) und Kneipen (31 µg/m³). In einzelnen Gastronomiebetrieben wurden Konzentrationen über 400 µg/m³ erreicht (Abb. 1).

Minimum, Median und Maximum der Nikotinkonzentration

Abbildung 1: Minimum, Median und Maximum der Nikotinkonzentration.

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)

Es wurden 16 polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe gemäß der US-Umweltbehörde (EPA) gemessen. Abbildung 2 zeigt die Schwankungsbreite und die Mediane der Konzentrationen der PAK-Summe. In dieser Summe der 16 PAK sind mehrere, von der IARC (International Agency for Research on Cancer der WHO) als wahrscheinlich (IARC Kategorie 2A) bzw. möglicherweise Krebs erzeugend (IARC Kategorie 2B) eingestufte Substanzen enthalten. In den Gastronomiebetrieben wurden Konzentrationen bis über 800 ng/m³ gemessen. Die mediane Konzentration betrug 215 ng/m³ in Restaurants/Cafés, 260 ng/m³ in Kneipen und 375 ng/m³ in Diskotheken.

Typische PAK-Konzentrationen in Nichtraucherwohnungen liegen hingegen im Median unter 5 ng/m³.

Die mediane Konzentration von Benzo(a)pyren als Leitsubstanz der PAK lag bei 1,5 ng/m³ in Restaurants/Cafés, 1,9 ng/m³ in Kneipen und 4,3 ng/m³ in Diskotheken mit Höchstwerten um 10 ng/m³ in Kneipen und Diskotheken. Benzo(a)pyren gilt als wahrscheinlich Krebs erzeugend (IARC Kategorie 2A).

Minimum, Median und Maximum der Konzentration der Summe von 16 PAK

Abbildung 2: Minimum, Median und Maximum der Konzentration der Summe von 16 PAK.

Leicht flüchtige organische Substanzen (VOC) und Aldehyde/Ketone

Es wurden 11 verschiedene leicht flüchtige organische Substanzen bzw. Aldehyde/Ketone als Tabakrauchbestandteile gemessen.

Die Konzentration aller leicht flüchtigen organischen Substanzen (TVOC) betrug im Median in Restaurants/Cafés 450 µg/m³, in Kneipen 425 µg/m³ und in Diskotheken 831 µg/m³. In Wohnungen liegt die durchschnittliche TVOC-Konzentration bei rund 300 µg/m³.

Beispielhaft sei hier Benzol dargestellt, das als Krebs erzeugend für den Menschen (IARC Kategorie 1) eingestuft wurde.

Benzol war mit einer medianen Konzentration von 8-9 µg/m³ in Restaurants und Kneipen und von 20 µg/m³ in Diskotheken nachweisbar. Als Maxima wurden 50 µg/m³ in einer Diskothek und 64 µg/m³ in einer Kneipe erreicht. Dagegen liegt die durchschnittliche Belastung mit Benzol in Wohnungen bei 3 µg/m³.

Cadmium

Das Schwermetall Cadmium gehört gleichfalls zu der Gruppe der beim Menschen Krebs erzeugenden Substanzen (IARC Kategorie 1). Die mediane Konzentration lag bei 2,6 ng/m³ in Restaurants/Cafés, 3,7 ng/m³ in Kneipen und 9,7 ng/m³ in Diskotheken. Die höchsten Konzentrationen betrugen 16 ng/m³ in einer Diskothek und 27 ng/m³ in einer Kneipe.

Übliche Konzentrationen von Cadmium in der Außenluft liegen zwischen 0,05 und 0,3 ng/m³.

Feinstaub (Partikelanzahl, Partikelmasse)

Für Tabakrauch ist die hohe Anzahl kleiner Partikel typisch. Daher dienen zur Charakterisierung sowohl die Partikelanzahlkonzentration als auch die Partikelmassenkonzentration. In einem Partikelgrößenbereich zwischen 10 und 500 nm Durchmesser wurden je nach Gastronomiebetrieb zwischen 29.000 und 290.000 Partikel pro cm³ gemessen.

Die mediane Partikelmassenkonzentration PM2.5 betrug bei gravimetrischer Bestimmung 178 µg/m³ in Restaurants/Cafés, 192 µg/m³ in Kneipen und 808 µg/m³ in Diskotheken (Abb. 3). Typische PM2.5-Konzentrationen in Wohnungen liegen bei 20 bis 30 µg/m³.

In der Abbildung 4 ist der zeitliche Verlauf der PM2.5-Konzentration in drei ausgewählten Gastronomiebetrieben dargestellt.

Minimum, Median und Maximum der Partikelmassenkonzentration (PM2.5)

Abbildung 3: Minimum, Median und Maximum der Partikelmassenkonzentration (PM2.5).

Zeitlicher Verlauf der kontinuierlich gemessenen Partikelmassenkonzentration (PM2.5) über vier Stunden in einer Diskothek, einer Kneipe und einem Café

Abbildung 4: Zeitlicher Verlauf der kontinuierlich gemessenen Partikelmassenkonzentration (PM2.5) über vier Stunden in einer Diskothek, einer Kneipe und einem Café.

Tabakrauch als Hauptquelle der gemessenen toxischen und Krebs erzeugenden Substanzen

Die Konzentrationen der Tabakrauch-spezifischen Substanzen Nikotin und 3-Ethenylpyridin korrelierten sehr stark mit den Konzentrationen der Tabakrauchbestandteile PAK, VOC, Aldehyde/Ketone, Schwermetalle und Feinstaub. Dies spricht dafür, dass die in der Raumluft von Gastronomiebetrieben nachgewiesenen toxischen bzw. Krebs erzeugenden Substanzen hauptsächlich aus Tabakrauch stammen.

Fazit

  • Die Belastung der Raumluft von Gastronomiebetrieben mit toxischen und Krebs erzeugenden Substanzen aus dem Tabakrauch ist erheblich und stellt eine Gesundheitsgefährdung für Gäste und Beschäftigte dar.
  • In allen Gastronomiebetrieben gleich welcher Kategorie - ob Restaurant, Kneipe oder Diskothek - wurden hohe Konzentrationen nachgewiesen.
  • Die höchsten Belastungen wurden in Diskotheken festgestellt.
  • Ein Handeln im Sinne eines umfassenden und konsequenten Schutzes nicht rauchender Gäste und des Personals ist auf Grundlage dieser Daten dringend geboten.

Diese Ergebniszusammenfassung finden Sie hier als PDF-Datei (PDF, 76 KB).

Eine umfassende Beschreibung der Methoden und Ergebnisse wurde in englischer Sprache nach Peer-Review in der Fachzeitschrift Journal of Exposure Science and Environmental Epidemiology, dem wissenschaftlichen Publikationsorgan der International Society of Exposure Analysis (ISEA), veröffentlicht:
Gabriele Bolte, Dieter Heitmann, Mandy Kiranoglu, Rudolf Schierl, Juergen Diemer, Wolfgang Koerner and Hermann Fromme
J Expo Sci Environ Epidemiol 2008; 18: 262-271 (Epub June 13, 2007; doi:10.1038/sj.jes.7500590)

Erste Ergebnisse dieser Studie wurden auf einem internationalen Fachkongress im September 2006 präsentiert:

Bolte G, Heitmann D, Kiranoglu M, Schierl R, Fromme H. Environmental tobacco smoke exposure in German discotheques: measurement of particulate matter, volatile organic compounds and polycyclic aromatic hydrocarbons. ISEE (International Society for Environmental Epidemiology) and ISEA (International Society of Exposure Analysis): International Conference on Environmental Epidemiology & Exposure, Paris 02.-06.09.2006; Epidemiology 2006; 17 Suppl: S350