Mai 2016
Herkunftskennzeichnung von Fleisch
Nachlassendes Vertrauen in die Qualität von Fleisch und Fleischprodukten und ein Trend zur Bevorzugung regionaler Produkte haben dazu geführt, dass auf vorverpackten Erzeugnissen Angaben zur Herkunft der Produkte eingeführt wurden. Es gibt verschiedene Kennzeichnungsmodelle wie den geografischen Bezeichnungsschutz, rechtlich verpflichtende Herkunftsbezeichnungen sowie freiwillige Angaben.
Geografischer Bezeichnungsschutz
Die aktuell gültige Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 unterscheidet zwischen geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.) und geschützter geographischer Angabe (g.g.A.). Während beim geschützten Ursprung alle Produktionsschritte in demselben abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgen müssen, ist für die geschützte geographische Angabe die Durchführung eines entscheidenden Produktionsschrittes ausreichend. Ein Frischfleischprodukt mit geschützter Ursprungsbezeichnung ist beispielsweise der „Weideochse vom Limpurger Rind“. Beim „Bayerischen Rindfleisch“ handelt es sich dagegen um eine geschützte geographische Angabe. Fleischerzeugnisse aus Deutschland (z.B. „Göttinger Stracke“, „Thüringer Rostbratwürste, Schwarzwälder Schinken“) wurden bisher alle mit geschützter geographischer Angabe eingetragen; somit muss der Veredelungsschritt in der betroffenen Region stattfinden, nicht jedoch die Haltung der Tiere, deren Fleisch als Rohstoff dient.
Verpflichtende Herkunftskennzeichnung
Als Folge der BSE-Krise wurde mit der Rindfleischetikettierungsverordnung [Verordnung (EG) Nr. 1760/2000] ein System zur Herkunftskennzeichnung von Frischfleisch eingeführt. Hierdurch sollte dem massiven Vertrauensverlust der Konsumenten in die Qualität von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen entgegengewirkt werden. Das System schreibt eine individuelle, doppelte Kennzeichnung der lebenden Tiere vor. Bei der anschließenden Schlachtung hat der Schlachthofbetreiber dafür zu sorgen, dass eine Verbindung zwischen der tierindividuellen Kennzeichnung und der Kennzeichnung der gewonnenen Schlachtkörper, -hälften und -viertel möglich ist. Unter Zuhilfenahme der Rinder-Datenbank (https://www.hi-tier.de) kann damit auch nach der Schlachtung der landwirtschaftliche Haltungsbetrieb ermittelt werden.
Mit der Verordnung (EU) Nr. 1337/2013 wurde die Herkunftskennzeichnung zum 01.04.2015 auf andere Fleischarten (Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch) ausgedehnt. Da weder bei Schweinen noch beim Geflügel eine dem Rind vergleichbare gesetzliche Vorgabe zur Einzeltierkennzeichnung besteht, konnten die Regelungen der Rindfleischetikettierung nicht eins zu eins übernommen werden; die Verordnung (EU) Nr. 1337/2013 sieht neben der tierindividuellen auch eine partienweise (Tiergruppe) Rückverfolgbarkeit vor. Die Verpflichtung zur Herkunftskennzeichnung besteht für unverarbeitetes, vorverpacktes, frisches/gekühltes und gefrorenes Fleisch.
Ähnliche Pflichtangaben zur Herkunftskennzeichnung für alle Fleischarten
Nach Einschätzung der Europäischen Kommission wünschen Verbraucher vor allem Angaben zum Aufzuchtort der Tiere. Somit sind die verpflichtenden Angaben für alle Fleischarten ähnlich.
Zunächst ist eine Referenz- oder Partienummer anzugeben, mit deren Hilfe die Rückverfolgbarkeit zum Schlachttier bzw. zur Tiergruppe oder Schlachtpartie sichergestellt sein muss. Die Herkunft bzw. der Ursprung des Fleisches ist als Land anzugeben, in dem bestimmte Produktionsstufen stattgefunden haben. Je nach Fleischart sind die Angaben dabei unterschiedlich ausführlich. Die Angaben zum Aufzuchtland hängen maßgeblich vom Schlachtalter und von der Dauer des vorausgehenden Lebensabschnittes ab. Je nach Anzahl der beteiligten Länder können die Aufzuchtangaben bei allen Tierarten außer Rindern ggf. auch als „EU-Länder“ und „Nicht-EU-Länder“ zusammengefasst werden. Zusätzlich sind bei Rindern die Identitätskennzeichen („Zulassungsnummern“) sowohl des Schlacht- als auch des Zerlegebetriebes – jeweils in Verbindung mit der Angabe des Schlacht- und des Zerlegelandes – anzugeben, während bei den anderen Tierarten gem. Verordnung (EG) Nr. 853/2004 die Angabe des zuletzt bearbeiteten Betriebes ausreicht.
Freiwillige Herkunftsangaben sind möglich
Regionalität liegt beim Verbraucher deutlich im Trend. Dementsprechend gibt es am Markt derzeit zahlreiche regionale Vermarktungssiegel wie beispielsweise „Die Regionaltheke von fränkischen Bauern“. Häufig handelt es sich um Systeme, die auf handwerklichen Strukturen und regionalen Produktkreisläufen basieren, die mit regionalen Lebensmitteln aus bäuerlicher Landwirtschaft, die auf kurzen Wegen vom Erzeuger zum Verbraucher kommen, werben. Diese freiwilligen Herkunftsangaben sind möglich, müssen aber zutreffen, und die Rückverfolgbarkeit muss gewährleistet sein.
Bei Gattungsbezeichnungen wie „Bayerischer Leberkäse“ oder „Nürnberger Stadtwurst“ ohne den Zusatz „Original“ kann der Verbraucher keine bestimmte Herkunft voraussetzen. Allerdings muss hier ggf. im Einzelfall entschieden werden, ob die Gesamtaufmachung des Produktes und die Informationen auf dem Etikett nicht doch eine spezifische Herkunft erwarten lassen. Falls ohne Angabe des Herkunftsortes oder des Ursprungslandes eine Irreführung des Verbrauchers möglich wäre, ist auch hier die Herkunftsangabe verpflichtend.
Ausblick
Herkunftsangaben dienen nach Auffassung der EU-Kommission „dem Interesse der Verbraucher zu erfahren, wo das Fleisch herkommt“. Während der geografische Bezeichnungsschutz marktstrategische Bedeutung zur Eliminierung von andernorts gefertigten Nachahmerprodukten besitzt und dem Verbraucher damit i.d.R. eine traditionelle Rezeptur, überlieferte Herstellungsverfahren und einen bestimmten Qualitätsstandard vermittelt, wurde mit der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung für Frischfleisch eine Etikettierung in Länderkategorien eingeführt. Unbestritten besteht ein Verbrauchertrend zu regional erzeugten Lebensmitteln. Einige Kreise fordern eine Ausdehnung der Herkunftskennzeichnung nicht nur auf lose abgegebene Ware, sondern auch auf weiterverarbeitete Fleischprodukte und andere Lebensmittel. Hierbei sollte bedacht werden, dass eine Herkunftskennzeichnung umso weniger aussagekräftig und praktikabel ist, je mehr Zutaten und Produktionsschritte ein Erzeugnis aufweist. Schon jetzt sind die Kennzeichnungsregeln relativ komplex; die Ausdehnung auf alle Zutaten würde zu einer Informationsfülle führen, die der Lesbarkeit von Etiketten entgegensteht.