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Herausforderungen für die Versorgungsforschung am Zentrum für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung (ZIG) an der Universität Augsburg
Prof. Dr. Werner Schneider, Dr. Julia von Hayek, Zentrum für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung (ZIG) der Universität Augsburg
Eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit ist der demographische Wandel, hinter dem sich eine gestiegene Lebenserwartung der Menschen bei einer gleichzeitig sinkenden Geburtenrate verbirgt. Dadurch wächst der Anteil der alten und hochbetagten Menschen, denen durch den medizinischen und den medizintechnischen Fortschritt sowie durch die damit verbundenen gesundheitspräventiven Maßnahmen ein gesundes Leben auch noch im hohen Lebensalter ermöglicht werden kann. Um nicht nur älteren, sondern auch jüngeren Menschen und solchen in unterschiedlichen Lebenslagen (bspw. Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten) die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe in der Gesellschaft sicherzustellen, werden die Angebots- und Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen stetig aus- und aufgebaut. Jedoch verschärfen sich während dieser Entwicklung die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die modernen Gesellschaften: Die Zunahme an Demenz erkrankter Menschen sowie die Multimorbidität bei hochbetagten Menschen stellen die Versorgung im ambulanten und stationären Bereich bereits heute vor medizinisch-pflegerische bis hin zu ökonomischen Schwierigkeiten (bspw. längere Krankenhausaufenthalte). Ebenso werfen der medizinisch- und bio-technische Fortschritt neue Fragen auf, die sich häufig darin bündeln lassen, ob alles erlaubt ist, was möglich ist und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Dies reicht von der Diagnostik von erblich bedingten Erkrankungen am Lebensanfang bis hin zum Themenfeld Hirntod und Organtransplantation am Lebensende.
Gleichzeitig steigt in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür, dass jeder Einzelne durch gesundheitsförderndes Verhalten, durch die Inanspruchnahme medizin- und biotechnischer Neuerungen sowie durch die Nutzung des Wissens von Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Gesundheitsbereichen, Einfluss auf seine eigene Gesundheit nehmen kann. Dahinter steht der Anspruch einer aktiven und selbstbestimmten Lebensführung, die eine Verbesserung der Lebensqualität und eine soziale Teilhabe bis ins hohe Lebensalter und in jeder Lebenslage ermöglicht. Neben der Bestimmung dessen, was als gesund und was als krank zu gelten hat, gewinnt zunehmend die Frage an Bedeutung, wie man im Hinblick auf die jeweils eigene individuelle Situation (bspw. Behinderungen, chronische Erkrankungen) weiterhin als selbstbestimmtes Mitglied durch geeignete Präventionsstrategien in der Gesellschaft leben und teilhaben kann.
Für die Gesundheitsversorgungsforschung folgt aus diesen beschriebenen Entwicklungen, dass die Herausforderungen im Gesundheitswesen nicht mehr nur allein medizinisch zu lösen sind. Aufgrund der Komplexität der Erkrankungen und den sich daran anschließenden individuell-angepassten Versorgungsangeboten lässt sich der Bedarf eines Patienten nicht allein durch die Medizin ermitteln, vielmehr muss dieser auch durch Fragen nach den pflegerischen Leistungen bis hin zur psycho-sozialen Begleitung eines Patienten sowie nach den rechtlichen und ökonomischen Implikationen der jeweiligen Situation erfasst werden. Dem wahrgenommenen Bedarf stehen zudem die individuell zu ermittelnden Bedürfnisse des Patienten gegenüber, die sich häufig entlang seiner bisherigen Krankheitsgeschichte und seiner Lebensführung ergeben und sich auch am Anspruch eines aktiven Lebens orientieren.
So verstanden muss eine heutige Gesundheitsversorgungsforschung aus Sicht des Zentrums für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung (ZIG) einem interdisziplinären Anspruch gerecht werden. Nur durch eine integrative Perspektive auf das Themenfeld Gesundheit, die Wirtschafts-, Rechts-, Sozial- und Geisteswissenschaften sowie weitere angrenzende Disziplinen mit der Medizin vermittelt und verbindet, schafft neuartige Forschung, um für die Zukunft nachhaltige und neuartige Lösungen für die anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen in diesem Bereich zu finden. Konkret notwendig ist daher die Schaffung von Forschungsstrukturen, die den gleichwertigen Dialog zwischen den Disziplinen vor Ort unter Einbeziehung deutschlandweiter und internationaler Forscherinnen und Forscher fördern, um voneinander zu lernen, wechselseitige Anregungen geben und gemeinsame Forschung betreiben zu können. Außerdem braucht es des intensiven Austausches mit der Praxis sowie der Politik, damit Ergebnisse aus einer so verstandenen Forschung auf Umsetzung geprüft, eventuelle Lösungsmodelle erprobt und womöglich in der Zukunft innerhalb der Gesellschaft auf Dauer gestellt werden können.