Höchstmengenregelungen für Mykotoxine in Lebensmitteln in der Europäischen Union (EU) und in Deutschland
EU-Höchstgehalte für Mykotoxine in Lebensmitteln
Grundsätzlich müssen Gehalte an Mykotoxinen (Schimmelpilzgiften) so niedrig gehalten werden, wie dies für den Hersteller oder Verarbeiter technologisch möglich ist. Zur Sicherstellung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit kann bei krebserzeugenden Stoffen mit genotoxischer Wirkung prinzipiell keine einfache Wirkungsschwellendosis (Lowest Observed Adverse Effect Level - LOAEL, No Observed Adverse Effect Level - NOAEL) definiert werden, sondern es muss das Minimierungsgebot ("as low as reasonably achievable"; ALARA-Prinzip bzw. "as low as technologically achievable"; ALATA-Prinzip) angewandt werden.
Dieser Grundsatz ist in Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 315/1993 [1] festgelegt, wonach die Kontaminanten auf so niedrige Werte zu begrenzen sind, wie sie „durch gute Praxis (…) sinnvoll erreicht werden können“. Nach Artikel 2 Absatz 3 derselben Verordnung können zu diesem Zwecke von der EU-Kommission Höchstwerte festgelegt werden.
Die für Mykotoxine EU-weit gültige Verordnung dieser Art ist seit dem 25.05.2023 die Verordnung (EU) 2023/915 [2]. Bis dahin war viele Jahre lang die Verordnung (EG) 1881/2006 [3] für die Beurteilung von Mykotoxinen und einer Reihe anderer Kontaminanten heranzuziehen.
Die europäischen Höchstgehalte für geregelte Mykotoxine sind im Abschnitt 1 des Anhangs I der Verordnung (EU) 2023/915 gelistet.
Darin sind u. a. Höchstgehalte für Aflatoxine (Aflatoxin B1, Aflatoxin M1, Summe der Aflatoxine B1, B2, G1 und G2), Ochratoxin A, Patulin und verschiedene Fusarientoxine, wie Deoxynivalenol oder Zearalenon festgelegt. Je nach wissenschaftlichem und technischem Kenntnisstand findet eine Anpassung bestehender Höchstgehalte oder eine Aufnahme neuer Höchstgehalte in die Verordnung statt.
Die Höchstgehalte gelten grundsätzlich für den essbaren Anteil der im Anhang genannten Lebensmittel (Artikel 2 Absatz 3). Allerdings gibt es hiervon gemäß bestimmter Anmerkungen Ausnahmen, wonach die Höchstgehalte auf die Trockenmasse oder das fertig zubereitete Erzeugnis zu beziehen sind. Es muss daher im Einzelfall geprüft werden, wie der Höchstgehalt anzuwenden ist.
Für getrocknete, verdünnte, verarbeitete oder zusammengesetzte Produkte, welche in der Verordnung nicht explizit genannt sind, müssen für die Anwendung der Höchstgehalte spezifische Konzentrations- bzw. Verdünnungsfaktoren berücksichtigt werden (siehe Artikel 3 der Verordnung (EU) 2023/915).
Wird der Höchstgehalt überschritten, darf das betroffene Lebensmittel nicht mehr als Lebensmittelzutat verwendet werden. Es darf auch nicht mit Lebensmitteln vermischt werden, bei denen die im Anhang festgelegten Höchstgehalte eingehalten werden (siehe Artikel 2 der Verordnung (EU) 2023/915). Das Verdünnen von schlechter Ware mit unbelasteter Ware um den Gehalt abzusenken, ist nicht zulässig.
Die Probenahme für eine Untersuchung auf Mykotoxine ist nach Verordnung (EG) Nr. 401/2006 [4] durchzuführen. Eine Probennahme nach Vorschrift ist insbesondere bei den ungleichmäßig verteilten Mykotoxinen wichtig, damit das Ergebnis als repräsentativ für die vorhandene Partie angesehen werden kann.
Deutsche Höchstgehalte für Mykotoxine in Lebensmitteln
Die zusätzlich in Deutschland gültigen Höchstgehalte für bestimmte Mykotoxine sind in der Verordnung zur Begrenzung von Kontaminanten in Lebensmitteln (Kontaminanten-Verordnung) [5] zu finden.
Aufgrund der krebserzeugenden Wirkung von Aflatoxinen ist weiterhin in der nationalen Verordnung ein allgemeiner Höchstgehalt für alle Lebensmittel, die nicht EU-weit geregelt sind, festgelegt.
Empfehlungen mit Richtwerten für Mykotoxine in Lebensmitteln
Für bestimmte Mykotoxine reicht die Datenlage noch nicht aus, um gesetzlich geregelte Höchstgehalte festzulegen. Deswegen kann die EU-Kommission Empfehlungen aussprechen, Gehalte an bestimmten Toxinen zu überwachen, um mehr Informationen sammeln zu können.
In Empfehlung 2013/165/EU [6] sind z.B. Richtwerte für das Vorhandensein der Toxine T-2 und HT-2 in bestimmten Getreidesorten genannt. Wenn diese überschritten sind, sollen Ermittlungen durchgeführt werden, welche Faktoren zu der Belastung geführt haben und welche Maßnahmen getroffen werden können, um solche Verunreinigungen in Zukunft zu unterbinden oder zu verringern.
Eine weitere Gruppe, die überwacht werden soll, sind die Alternaria-Toxine. Mit Empfehlung (EU) 2022/553 [7] hat die Kommission Richtwerte für drei Vertreter der Alternaria-Toxine festgelegt. Oberhalb dieser Richtwerte soll ebenfalls ermittelt werden, welche Faktoren zum Vorhandensein der Toxine geführt haben und zudem wie sich die Lebensmittelverarbeitung auf die Belastung auswirkt.
Empfehlungen zur Vermeidung und Reduktion von Mykotoxinen
Für Fusarientoxine existiert außerdem die v. a. für Produzenten hilfreiche Empfehlung der Kommission 2006/583/EG [8] mit einer Vielzahl von Hinweisen zur Vermeidung und Reduktion in Getreide und Getreideerzeugnissen.
Außerdem empfiehlt die EU-Kommission in der Empfehlung 2006/576/EG [9] auch in Bezug auf die Tiergesundheit und den möglichen Eintrag in die Nahrungsmittelkette beim Menschen Richtwerte für Mykotoxine in zur Verfütterung an Tiere bestimmten Erzeugnissen.
Verordnungen und Empfehlungen
- Verordnung (EWG) Nr. 315/93 des Rates vom 8. Februar 1993 zur Festlegung von gemeinschaftlichen Verfahren zur Kontrolle von Kontaminanten in Lebensmitteln (ABl. L 37 S. 1)
- Verordnung (EU) 2023/915 der Kommission vom 25. April 2023 über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 (ABl. L 119 vom 5. Mai 2023, S. 103-157)
- Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission vom 19. Dezember 2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln (ABl. L 364 S. 5)
- Verordnung (EG) Nr. 401/2006 der Kommission vom 23. Februar 2006 zur Festlegung der Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die amtliche Kontrolle des Mykotoxingehalts von Lebensmitteln (ABl. L 70 S. 12)
- Verordnung zur Begrenzung der Kontaminanten in Lebensmitteln (Kontaminanten-Verordnung) vom 19. März 2010 (BGBl. I S. 286)
- Empfehlung der Kommission 2013/165/EU vom 27. März 2013 über das Vorhandensein der Toxine T-2 und HT-2 in Getreiden und Getreideerzeugnissen (ABl. L 91, S. 12-15)
- Empfehlung (EU) 2022/553 der Kommission vom 5. April 2022 zur Überwachung des Vorkommens von Alternaria-Toxinen in Lebensmitteln (ABl. L 107, S. 90-92)
- Empfehlung der Kommission 2006/583/EG vom 17. August 2006 zur Prävention und Reduzierung von Fusarientoxinen in Getreide und Getreideprodukten (ABl. L234 S. 35-40)
- Empfehlung der Kommission 2006/576/EG der Kommission vom 17. August 2006 betreffend das Vorhandensein von Deoxynivalenol, Zearalenon, Ochratroxin A, T-2- und HT-2-Toxin sowie von Fumonisinen in zur Verfütterung an Tiere bestimmten Erzeugnissen (ABl. L 229 vom 23.8.2006, S. 7)