Neugeborenen-Screening in Bayern

Was bedeutet Neugeborenen-Screening?

Die meisten Kinder kommen gesund zur Welt und bleiben es auch. Es gibt jedoch seltene angeborene Erkrankungen, die bei Neugeborenen noch nicht durch äußere Zeichen erkennbar sind und unbehandelt zu Organschäden, geistigen und körperlichen Behinderungen oder gar Todesfällen führen können. Erkennt und behandelt man diese Erkrankungen frühzeitig, so können diese Folgen in den meisten Fällen vermieden oder zumindest gemindert werden. Ungefähr bei einem von 1000 Neugeborenen tritt eine dieser Erkrankungen auf.

Deshalb finden seit über 50 Jahren bei allen Neugeborenen Blutuntersuchungen statt. Diese Untersuchungen wurden im Laufe der Zeit wesentlich verbessert und
auf 19 Krankheiten ausgeweitet. Seit 2005 werden alle Neugeborenen auf zwölf Stoffwechsel- und zwei Hormonstörungen untersucht. Seit 2016 können Eltern ihr Kind zusätzlich auf Mukoviszidose (Cystische Fibrose) screenen lassen, seit 2018 auf eine weitere Stoffwechsel¬krankheit (Tyrosinämie Typ I) und seit 2019 auch auf angeborene schwere kombinierte Immundefekte (SCID). Im Oktober 2021 wurde das Neugeborenen-Screening um die Spinale Muskelatrophie (SMA) und die Sichelzell-krankheit (SCD) erweitert.
Die Teilnahme an diesem Screeningverfahren ist freiwillig und setzt die Einwilligung der Eltern des Neugeborenen voraus. Damit sich Eltern vor der Einwilligung informieren können, wurde für Bayern eine Broschüre mit Informationen zu allen Neugeborenen-Screeninguntersuchungen entwickelt (Elterninformation). Ziel ist es, Kinder mit diesen Erkrankungen sehr früh zu diagnostizieren. Damit verbessert sich die Chance, dass diese Kinder trotz ihrer Krankheit ein normales Leben führen können.

Wann und wie wird die Untersuchung durchgeführt?

Die Blutuntersuchung sollte nach Möglichkeit bei jedem Neugeborenen im Alter von 36 bis 72 Lebensstunden vorgenommen werden. Auf jeden Fall soll vor der Entlassung aus der Klinik (auch bei einer ambulanten Entbindung) Blut abgenommen werden, da bei einigen Erkrankungen die Behandlung sehr früh begonnen werden muss, um eine lebensbedrohliche Stoffwechselkrise zu verhindern. Erfolgt die Blutabnahme vor der 36. Lebensstunde, kann es selten vorkommen, dass eine vorliegende Erkrankung noch nicht erkannt wird. Die Untersuchung sollte deshalb in diesen Fällen in einer kinderärztlichen Praxis oder von einer Hebamme oder einem Entbindungspfleger wiederholt werden. Vor dem Neugeborenen-Screening auf Stoffwechsel- und Hormonstörungen sollte eine ärztliche Aufklärung der Eltern erfolgen, das Mukoviszidose-Screening darf nur nach ärztlicher Aufklärung erfolgen.

Dem Baby werden aus der Ferse ein paar Tropfen Blut entnommen, auf eine Testkarte getropft, getrocknet und in ein für das Neugeborenen-Screening zugelassenes Labor geschickt. Für die Blutentnahme sind die Geburts- oder Kinderklinik, eine kinderärztliche Praxis oder eine Hebamme verantwortlich. Die Filterkarten werden nach drei Monaten vom Screeninglabor vernichtet.

Testkarte für das Neugeborenen-Screening

Abbildung: Filterpapierkarte (aus Nennstiel U. und Tönnies H., 2020)

Wer übernimmt die Kosten?

Die Kosten für das Screening werden von den Krankenkassen übernommen. Dies ist in der Kinder-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) verbindlich festgelegt.

Keine Nachricht – gute Nachricht

Sollte die Untersuchung Hinweise auf eine Erkrankung des Kindes ergeben, werden die Eltern unverzüglich benachrichtigt. Unauffällige Ergebnisse werden nur dem Einsender mitgeteilt, der das Screening durchgeführt hat. Dies kann eine Geburts- oder Kinderklinik, eine kinderärztliche Praxis oder eine Hebamme sein. .

Das Kind macht einen gesunden Eindruck. Muss es dennoch untersucht werden?

Ja! Die meisten Kinder, die an einer angeborenen Erkrankung leiden, die durch das Screening aufgedeckt werden kann, zeigen kurz nach der Geburt keinerlei Auffälligkeiten. Das Neugeborenen-Screening ermöglicht die Entdeckung der Erkrankung, bevor es zu einem sichtbaren Schaden kommt. Wird die Therapie dann frühzeitig eingeleitet, können die Folgen der Erkrankung verhindert oder gemildert werden.

Was ist, wenn das Untersuchungsergebnis auffällig ist?

Ein auffälliges Untersuchungsergebnis bedeutet, dass bei dem Kind der Verdacht auf eine Erkrankung besteht. Das Ergebnis der Screeninguntersuchung ist allerdings noch keine ärztliche Diagnose. Daher muss ein auffälliges Untersuchungsergebnis zunächst kontrolliert werden. Abhängig vom Ergebnis wird das Screening wiederholt oder es werden sofort weitere diagnostische Untersuchungen durchgeführt. Eine Wiederholungsuntersuchung kann aber auch notwendig sein, wenn zum Beispiel der Zeitpunkt der Blutabnahme nicht optimal war. Ein auffälliges Ergebnis wird der Geburts- oder Kinderklinik oder der kinderärztlichen Praxis umgehend vom Labor mitgeteilt. Es muss dann eine Kontrolluntersuchung in der kinderärztlichen Praxis oder einer Kinderklinik durchgeführt werden. Spricht auch die Kontrolluntersuchung für eine Erkrankung des Kindes, so sollte es in einer spezialisierten Kinderklinik vorgestellt werden, um weitere Untersuchungen durchführen zu lassen. Bestätigt sich hier die Diagnose, wird sogleich die erforderliche Behandlung eingeleitet.
In Bayern können die Eltern durch Unterschrift bei der Einwilligung auch zustimmen, dass ihre Kontaktdaten bei einem auffälligen Screeningbefund direkt an einen Spezialisten weitergegeben werden, der sie dann anruft und den auffälligen Befund sowie das weitere Vorgehen mit Ihnen bespricht.

Was ist, wenn mein Kind erkrankt ist?

Oftmals ist es für betroffene Familien schwierig, sich in der neuen Situation zurechtzufinden. Die Eltern fühlen sich anfangs vielfach allein gelassen, haben viele Fragen, sind verunsichert oder fühlen sich mit der Erkrankung überfordert. Experten in Spezialambulanzen an Kinderkliniken oder anderen Zentren helfen weiter. Dort können Sie einen Termin zur Vorstellung Ihres Kindes vereinbaren und erhalten ausführliche Informationen über die bestehende Erkrankung. Wir empfehlen, dies mit Ihrer Kinderärztin oder Ihrem Kinderarzt zu besprechen.

Eine Auflistung der bayerischen Experten, speziell für die Erkrankungen des Neugeborenen-Screenings, liegt dem Screeningzentrum des bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vor. Gerne senden wir Ihnen die bayernweite Expertenliste zu. Hierfür reicht ein Anruf oder eine kurze E-Mail:
screening@lgl.bayern.de, Tel. 09131/ 6808-5204.

Unterstützung finden betroffene Familien auch häufig in Eltern-Selbsthilfegruppen. In unserer Linksammlung finden Sie die Adressen dieser Selbsthilfegruppen.

Sollten Sie hierzu weitere Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Frau Karola Schmidt-Frühauf, Tel. 09131-6808-5109 oder
karola.schmidt@lgl.bayern.de.

Welche Krankheiten werden gescreent?

Hormonstörungen

Adrenogenitales Syndrom (AGS)

Häufigkeit: Eines von ca. 15.000 Kindern ist betroffen.
Diese Krankheit ist eine Hormonstörung. Sie beruht auf einem Defekt bei der Bildung von Steroidhormonen in der Nebennierenrinde. Die Erkrankung kann zu einer Vermännlichung der Mädchen sowie einer verfrühten Pubertät der Kinder beiderlei Geschlechts führen. Daneben kommen auch Todesfälle im Säuglingsalter (mitunter schon in der zweiten Lebenswoche) auf Grund des so genannten Salzverlustsyndroms vor. Beginnt man frühzeitig mit einer Hormonersatztherapie, so können der Tod und ein Großteil der sonstigen Symptome verhindert werden.

Hypothyreose

Häufigkeit: Eines von ca. 3.300 Kindern ist betroffen.
Die Kinder leiden an einer angeborenen Unterfunktion der Schilddrüse. Unbehandelt führt die Hypothyreose zu schweren Störungen in der körperlichen und geistigen Entwicklung. Zusätzlich kann es in der Neugeborenenperiode zu einer verstärkten und verlängerten Neugeborenengelbsucht sowie Trinkschwäche, Müdigkeit und Antriebsarmut kommen. Bekommen die Kinder frühzeitig Schilddrüsenhormone, entwickeln sie sich in den allermeisten Fällen völlig normal. Die Intelligenzentwicklung ist dann nicht eingeschränkt. Beginnt die Therapie zu spät, so können die bis zu diesem Zeitpunkt aufgetretenen Behinderungen nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Die häufigsten Stoffwechselstörungen

Phenylketonurie (PKU) / Hyperphenylalaninämie (HPA)

Häufigkeit: Eines von ca. 5.000 Kindern ist betroffen.
Diese Stoffwechselstörung beruht auf einer Störung bei der Verwertung der Aminosäure Phenylalanin. Liegt die verbleibende Restmenge an Phenylalanin über einer bestimmten Grenze, führt die Erkrankung unbehandelt zu einer fortschreitenden geistigen und körperlichen Entwicklungsverzögerung mit Krampfanfällen, Bewegungsstörungen und geistiger Behinderung. Wird die Phenylketonurie frühzeitig erkannt, so können ihre Folgen durch eine ärztlich kontrollierte phenylalaninarme Diät vermieden werden. Bei milderen Formen der Hyperphenylalaninämien (HPA) ist keine oder nur eine leichte Diät nötig. Bei bestimmten Formen kann auch eine medikamentöse Behandlung ausreichen.

MCAD- Mangel

Häufigkeit: Eines von ca. 10.000 Kindern ist betroffen.
Beim MCAD-Mangel liegt ein Defekt der Fettsäureverwertung vor. Die Energiegewinnung aus den Fettsäuren ist gestört. Die Kinder haben eine verringerte Fastentoleranz. Das bedeutet, dass diese Kinder nur eine begrenzte Zeit ohne Nahrung auskommen können. Dies kann bei Infekten oder während anderweitig bedingter Fastenperioden zu Hypoglykämie (Unterzucker) und akuten lebensbedrohlichen Stoffwechselkrisen führen, die tödlich verlaufen können. Wird die Diagnose rechtzeitig gestellt und werden Kinder und Eltern gezielt betreut und beraten, so lassen sich die Stoffwechselkrisen in der Regel vermeiden.
Weitere Informationen zu Stoffwechselstörungen finden Sie auf der Seite der
Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Stoffwechselstörungen (APS)

Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF)

Häufigkeit: Eines von ca. 4.000 Kindern ist betroffen.
Bei Kindern mit Mukoviszidose wird zähflüssiger Schleim in der Lunge und anderen Organen gebildet. Diese entzünden sich dadurch dauerhaft. Die Kinder sind in der Folge oft untergewichtig und wachsen langsamer. Bei schweren Verläufen kann die Lungenfunktion erheblich beeinträchtigt werden. Ziel dieser Untersuchung ist die frühzeitige Diagnose, damit möglichst früh mit einer Behandlung begonnen werden kann und so die Lebensqualität und Lebenserwartung der betroffenen Kinder verbessert werden. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben im Gendiagnostikgesetz ist vor der Durchführung der Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose die Aufklärung durch eine Ärztin oder einen Arzt zwingend erforderlich. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite von MUKO e.V.

Neuaufgenommene Screening-Erkrankungen

Schwere kombinierte Immundefekte (SCID)

Häufigkeit: Eines von ca. 32.500 Kindern ist betroffen.
SCID ist eine Störung des Immunsystems. Es handelt es sich um die schwerste Form einer angeborenen Abwehrschwäche. Bei einer klassischen SCID-Erkrankung fehlen T- und B-Zellen vollständig oder die T-Zellen sind derart funktionsbehindert, dass keine Immunabwehr erfolgen kann. Bereits in den ersten Lebensmonaten treten schwere Infektionen mit Komplikationen auf. Unbehandelt führt die SCID-Erkrankung in den ersten beiden Lebensjahren oft zum Tod. Die Therapie erfolgt mit einer Knochenmark- oder Stammzelltransplantation und/oder einer Enzymersatztherapie. Entscheidend ist, dass die Kinder möglichst vor einem Ausbruch der Erkrankung behandelt werden. Deshalb sind strenge hygienische Vorsichtsmaßnahmen, ein Verzicht auf Stillen, Lebendimpfungen oder Transfusionen unbehandelter Blutprodukte erforderlich. Neben den klassischen SCID-Varianten werden im Neugeborenen-Screening auch Kinder mit anderen Ursachen eines schweren T-Zell-Mangels erkannt, die ebenfalls von einer weiteren Abklärung und gegebenenfalls der Einleitung von Maßnahmen profitieren. Dies gilt z.B für Kinder mit schweren Verlaufsformen einiger syndromaler Erkrankungen wie dem DiGeorge-Syndrom oder der Trisomie 21.
Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Immunologie (API)

Spinale Muskelatrophie (SMA)

Häufigkeit: Eines von ca. 6.000 bis 11.000 Kindern ist betroffen.
Die SMA ist eine Störung des neuromuskulären Systems.
Der Mangel eines bestimmten Proteins (Survival-Motor-Neuron (SMN ) Protein) führt zu einer zunehmenden Muskelschwäche mit rückläufiger Entwicklung der Motorik und Einschränkung der Lungenfunktion. Die Therapie erfolgt medikamentös und symptomatisch. Bei der schwersten Form der SMA versterben die Kinder unbehandelt innerhalb von 1-2 Jahren. Durch die inzwischen verfügbaren Therapieansätze hat sich die Prognose für die allermeisten Kinder deutlich verbessert.
Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP)

Sichelzellkrankheit (SCD)

Häufigkeit: Eines von ca. 5.000 bis 10.000 Kindern ist betroffen.
Die Sichelzellkrankheit ist eine Störung des Blutsystems.
Eine sichelzellartige Verformung der roten Blutzellen führt zu Blutarmut und einer erhöhten Zähflüssigkeit des Blutes. Dadurch werden Gewebe und Organe nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Dies führt zu starken Schmerzen (Schmerzkrisen) sowie zu Organschädigungen insbesondere im Knochenmark, in den Lungen, in der Niere, in der Milz, im Zentralnervensystem und im Magen- und Darmtrakt. Durch die oft schon in den ersten Lebensjahren geschädigte Milz kommt es zu lebensbedrohlichen Infektionen mit Gefahr einer Blutvergiftung. Die Therapie umfasst Aufklärung und Anleitung zu Verhaltensmaßnahmen, Infektionsprophylaxe (z.B. Impfungen), Gabe von Medikamenten, gegebenenfalls Transfusionen und Stammzelltransplantation. Unbehandelt kann es etwa ab dem 3. Lebensmonat zu Symptomen kommen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH)

Diese genannten Erkrankungen treten unter den gescreenten Krankheiten am häufigsten auf. Weitere Informationen dazu finden sich in der AWMF-Leitlinie

Warum werden die Eltern in Bayern aufgefordert, einer Weitergabe der Screeningdaten an den Öffentlichen Gesundheitsdienst zu zustimmen?

Tracking: Kein Kind aus den Augen verlieren

Immer wieder gehen Testkarten verloren oder das Screening wird z. B. bei einer Verlegung in die Kinderklinik vergessen. Mitunter ist es auch schwierig, die Eltern bei einem auffälligen Befund zu erreichen oder sie versäumen es, die Kontrolluntersuchung durchführen zu lassen. Um sicherzustellen, dass die erkrankten Kinder auch in diesen Fällen frühzeitig erkannt und behandelt werden können, gibt es in Bayern ein Screeningzentrum im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL, öffentlicher Gesundheitsdienst). Stimmen die Eltern der Datenübermittlung an das Screeningzentrum zu, können die Mitarbeiterinnen des Screeningzentrums dafür sorgen, dass die Eltern über einen auffälligen Befund oder eine notwendige Wiederholungsuntersuchung auf jeden Fall informiert werden und notwendige Kontrollen frühzeitig durchgeführt werden.

Datenübermittlung

Die Zustimmung der Eltern, dass das Screeningzentrum und das Gesundheitsamt die Daten der Kinder erhalten dürfen, ermöglicht folgendes:

  • Die Eltern werden informiert, wenn keine Blutprobe im Labor eingegangen ist (sog. Sicherstellung der Vollständigkeit). Der Ablauf ist folgendermaßen: Name und Anschrift des Neugeborenen sowie der Befund der Erstuntersuchung werden vom Untersuchungslabor an das Screeningzentrum übermittelt. Dieses erhält auch die Meldedaten aller Neugeborenen in Bayern (§27 MeldDV). Das Screeningzentrum vergleicht die Namen der untersuchten Kinder mit denen der Neugeborenen. Ein Kind steht zum Beispiel nicht auf der Liste der gescreenten Kinder, wenn die Testkarte verloren gegangen ist oder die Eltern die Übermittlung der Daten an das Screeningzentrum abgelehnt haben. In diesen Fällen schreibt das Screeningzentrum die Eltern an und informiert sie, dass keine Blutprobe im Labor eingegangen ist.
  • Die betreuenden Ärzte oder Eltern werden vom Screeningzentrum erinnert, wenn eine notwendige Kontroll- oder Zweituntersuchung nicht zeitnah durchgeführt wird, damit betroffene Kinder wirklich frühzeitig eine Therapie erhalten.

Datenschutz

Im Screeningzentrum werden die Daten unter ärztlicher Verantwortung und Schweigepflicht verarbeitet. Sie werden anonymisiert wissenschaftlich ausgewertet (beispielsweise wird die Häufigkeit von Erkrankungen ermittelt). Personenbezogene Daten werden nach drei Jahren gelöscht, bei auffälligen Befunden spätestens, wenn die Diagnostik abgeschlossen ist. Die Zustimmung zur Datenübermittlung ist freiwillig. Falls der Datenübermittlung nicht zugestimmt wird, entstehen den Eltern und ihren Kindern daraus keine rechtlichen Nachteile. Allerdings müssen dann Kinderärztin oder Kinderarzt und Eltern bei einem kontrollbedürftigen Befund selbst darauf achten, dass alle notwendigen Kontrolluntersuchungen auch wirklich durchgeführt werden. Außerdem wird das Screeningzentrum die Eltern noch einmal kontaktieren, da ihr Kind nicht in der Screeningliste erfasst wurde.

Die Meldedaten werden sofort gelöscht, wenn sichergestellt ist, dass die Blutprobe des Neugeborenen im Labor angekommen ist, ansonsten automatisch nach spätestens 12 Wochen.

Eltern haben außerdem das Recht, Auskunft über die von ihnen und ihrem Kind gespeicherten personenbezogenen Daten zu verlangen. Ebenfalls können sie die Berichtigung unzutreffender Daten sowie die Löschung der Daten oder Einschränkung bei deren Verarbeitung verlangen. Wenn sie in die Verarbeitung durch das Screeningzentrum durch eine entsprechende Erklärung eingewilligt haben, können sie die Einwilligung jederzeit für die Zukunft widerrufen. Die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Datenverarbeitung wird durch diesen nicht berührt.

Verantwortlich für die Datenerhebung ist das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Screeningzentrum, Veterinärstr. 2, 85764 Oberschleißheim, Telefon: 09131-6808-5204, E-Mail: screening@lgl.bayern.de. Bei Anliegen zur Datenverarbeitung und zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Anforderungen können Eltern sich an den behördlichen Datenschutzbeauftragten des LGL, Eggenreuther Weg 43, 91058 Erlangen, E-Mail: datenschutz@lgl.bayern.de, wenden. Weiterhin besteht ein Beschwerderecht beim Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz.

Ergebnisse des Bayerischen Neugeborenen-Screenings 1999 bis 2020

Erfolge des Trackings und der Sicherstellung der Vollständigkeit

  1. Teilnahmerate am Screening
    In den Jahren 1999 bis 2020 wurden in Bayern über 99 % der Neugeborenen gescreent. Nur 1,3 % der Eltern lehnten die Datenübermittlung ab, so dass für 98,6 % von mehr als 2,4 Millionen neugeborenen Kindern ein durchgeführtes Stoffwechselscreening dokumentiert werden konnte. 0,1 % der Eltern lehnten das Screening selbst ab, hierunter waren die Eltern von drei Kindern mit einer angeborenen Hypothyreose. Diese Kinder konnten, da das Screening von den Eltern abgelehnt wurde, nicht frühzeitig diagnostiziert werden.
    Durch die Sicherstellung der Vollständigkeit wurden etwa 2000 Kinder nachgescreent, deren Eltern dem Screening und der Datenübermittlung zugestimmt hatten, die aber auf Grund von Fehlern im Screeningablauf wie¬¬¬ z. B. verlorengegangener Testkarten nicht gescreent waren.
    Dies bedeutet, dass jedes 1000. Kind ohne Sicherung der Vollständigkeit ungescreent wäre, obwohl die Eltern ein Screening wünschen.
  2. Anteil der durchgeführten Kontrolluntersuchungen
    Ohne weitere Aufforderung gingen 84 % der notwendigen Kontrolluntersuchungen im Labor ein, 16 % mussten vom Screeningzentrum ein oder mehrmals angefordert werden. Durch dieses Trackingverfahren wurden über 99 % der notwendigen Kontrolluntersuchungen durchgeführt. Insgesamt wären ohne das Tracking 114 der 2.061 betroffenen Kinder (6 %) nicht frühzeitig diagnostiziert worden.
    Unter 2,3 Millionen gescreenten Kindern wurden in Bayern 2.061 Kinder mit einer angeborenen Stoffwechsel- oder Hormonstörung entdeckt, das heißt ungefähr eines von 1.000 Neugeborenen ist von einer dieser Krankheiten betroffen.

Tabelle 1: Häufigkeit der im Screening entdeckten Krankheiten
Januar 1999 - Dezember 2020 (N = 2.480.231) Anzahl
Hypothyreose 816
Adrenogenitales Syndrom 190
Phenylketonurie (PKU/HPA) 508
Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase (MCAD)-Mangel 262
Galaktosämie (klassische Form) 34
Biotinidase-Mangel 39
weitere seltene Erkrankungen* 213
Mukoviszidose (seit 09/2016) 120
Summe 2.182

*einschließlich einiger sehr seltener Erkrankungen, die in Bayern zusätzlich gescreent werden können

Langzeit-Untersuchung

Damit das Wissen um diese sehr seltenen Erkrankungen verbessert wird und um den Erfolg der durchgeführten Therapien zu überprüfen, hat das Bayerische Gesundheitsministerium das Screeningzentrum im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) beauftragt, eine Langzeit-Untersuchung durchzuführen. Dazu werden bayernweit Eltern von Kindern der Geburtsjahrgänge 1999 bis 2013 mit einer Stoffwechselerkrankung oder einer Hormonstörung regelmäßig mit einem Fragebogen zu Therapie und Entwicklung ihres Kindes befragt. So können Informationen vieler betroffener Familien und Kinder zusammengetragen werden. Die Langzeit-Untersuchung konnte bereits dazu beitragen, die Situation erkrankter Kinder zu verbessern. So konnten z. B. Schwachstellen in der Versorgung erkannt und bearbeitet werden. Die Kinderärzte und Geburtskliniken in Bayern werden regelmäßig über Ergebnisse und neue Empfehlungen informiert. Zudem erfolgen Publikationen in Fachzeitschriften und auf medizinischen Fachkongressen.
Die Daten werden unter ärztlicher Aufsicht und unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht verwendet und nur solange aufbewahrt, wie dies für die Durchführung und Auswertung der Studie notwendig ist.

Zwischenergebnisse der Langzeituntersuchung

An der bayerischen Langzeituntersuchung beteiligen sich die Eltern von mehr als 1100 betroffenen Kindern. Die Zwischenergebnisse der Langzeit-Untersuchung zeigen, dass sich die allermeisten der erkrankten Kinder bei Einhaltung der Therapieempfehlungen sehr gut entwickeln.
Für einige Krankheiten konnte gezeigt werden, dass die Anzahl der Krisen mit Todesfolge oder anschließender Behinderung durch das Screening signifikant reduziert werden konnte (Nennstiel-Ratzel et al. 2005).
96% der Eltern geben an, gut mit der Erkrankung ihres Kindes zurechtzukommen und sind mit der Entwicklung ihres Kindes zufrieden. Einige Eltern berichten allerdings, dass sie nach dem Gespräch über den auffälligen Befund sehr beunruhigt waren. Erst der Spezialist, bei dem das Kind anschließend zur weiteren Diagnostik vorgestellt wurde, konnte sie durch eine kompetente Aufklärung beruhigen. Diese Erfahrungen wurden durch uns an Ärztinnen und Ärzte weitergegeben und dienen als wichtige Grundlage für Verbesserungen im Ablauf der Befundmitteilung. So können die Eltern jetzt vor dem Screening einwilligen, dass ihnen der Befund direkt durch einen Spezialisten für die Erkrankung mitgeteilt wird.

Bei den häufigsten Erkrankungen ist der Anteil der 6-jährigen Kinder, die die Grenzsteine der Entwicklung (Verweis) erreicht haben, genauso hoch wie in der Gesamtgruppe der 6-jährigen Kindern bei der Schuleingangs-Untersuchung. Auch die Antworten auf die Fragen zur Erfassung von Verhaltensstärken und -auffälligkeiten (SDQ) geben im Alter von 6-8 Jahren bisher keine Hinweise auf vermehrte Auffälligkeiten bei betroffenen Kindern im Vergleich zu Kindern, die in einer bundesweiten repräsentativen Studie des Robert Koch-Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS-Studie) untersucht wurden. Für die allermeisten der betroffenen Kinder hat das Screening also eine normale oder erheblich bessere Entwicklung ermöglicht.
In der untenstehenden Linksammlung finden Sie verschiedene Berichte der Langzeit-Untersuchung.

Kontakt

Für weitere Fragen stehen Ihnen die Mitarbeiter des Screeningzentrums gerne zur Verfügung.

Tel. 09131-6808-5204 Montag bis Donnerstag 8.00-16.00h, Freitag 8.00 – 13.00h

E-Mail: screening@lgl.bayern.de

Für die Langzeitstudie: Frau Karola Schmidt-Frühauf : Tel. 09131 6808-5109
E-Mail: karola.schmidt @lgl.bayern.de

Mehr zu diesem Thema

Allgemeine Informationen zum Thema

Elternbroschüre zum Neugeborenen-Screening

Downloads