Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln

Unterschiede zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln

Nahrungsergänzungsmittel gehören zu den Lebensmitteln und unterliegen damit den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen. Sie enthalten konzentrierte Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe oder Pflanzenextrakte und werden z. B. in Form von Kapseln, Tabletten, Pulvern oder Flüssigampullen angeboten.
Aufgrund dieser Darreichungsformen haben Nahrungsergänzungsmittel häufig ein ähnliches Erscheinungsbild wie Arzneimittel. Daraus darf jedoch nicht auf eine ähnliche Wirkung geschlossen werden.

Nahrungsergänzungsmittel dienen ausschließlich dazu, dem Körper zusätzliche Nährstoffe zuzuführen, um die allgemeine Ernährung zu ergänzen und zum Erhalt der normalen Körperfunktionen beizutragen. Sie haben lediglich eine ernährungsspezifische bzw. physiologische Wirkung. Nahrungsergänzungsmittel dürfen keinerlei Anspruch erheben, arzneiliche Wirkungen zu entfalten. Daher dürfen sie auch nicht in einer Art beworben oder gekennzeichnet werden, die beim Verbraucher den Eindruck erweckt, sie wären zur Therapie oder Prävention von Krankheiten geeignet. Die Heilung, Linderung oder Verhütung von Erkrankungen ist ausschließlich Arzneimitteln vorbehalten.

Bevor ein Arzneimittel in Verkehr gebracht werden darf, muss jedes Präparat ein behördliches Zulassungsverfahren durchlaufen, in dem Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit nachgewiesen werden müssen. Für Nahrungsergänzungsmittel gibt es dagegen kein behördliches Zulassungsverfahren. Diese müssen lediglich gemäß der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV) beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angezeigt werden. Die Anzeigen werden von der Behörde geprüft, das jeweilige Nahrungsergänzungsmittel darf jedoch zeitgleich bereits in Verkehr gebracht werden.

Ein weiterer Unterschied zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln liegt in den deutlich höheren, standardisierten Qualitätsansprüchen an Arzneimittel. Die Arzneibücher regeln die Qualität und Prüfung von Wirk- und Hilfsstoffen und die bei ihrer Herstellung und Prüfung verwendeten Stoffe, Materialien und Methoden. Die Erfüllung dieser Vorgaben muss für jede produzierte Arzneimittel-Charge geprüft werden. Nur bei Einhaltung der entsprechenden Qualitätsauflagen darf das Arzneimittel in Verkehr gebracht werden. Auf diese Weise ist bei Arzneimitteln eine gleichbleibende, hohe Qualität gewährleistet.

Die Qualität und gesundheitliche Unbedenklichkeit von Nahrungsergänzungsmitteln und damit deren Sicherheit liegen dagegen in der Eigenverantwortung der Lebensmittel-Hersteller. Eine Prüfung jeder produzierten Charge vor dem Inverkehrbringen durch den Hersteller ist nicht vorgesehen.

Aufgrund des Zulassungsverfahrens und der hohen Qualitätsansprüche ist die Arzneimittelherstellung zeit- und kostenintensiver als die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln.

Übersicht: Vergleich Arzneimittel – Nahrungsergänzungsmittel

Tab. 1: Übersicht über den Vergleich Arzneimittel - Nahrungsergänzungsmittel
  Arzneimittel Nahrungsergänzungsmittel
Zweck-bestimmung krankheitsbezogene Wirkung: Verhütung, Linderung, Heilung von Krankheiten gesundheitsfördernde Wirkung:
Ergänzung der normalen Ernährung (Lebensmittel!), Erhalt normaler Körperfunktionen
Anwender Patienten Gesunde Verbraucher
Rechts-grundlage Arzneimittelgesetz (AMG) Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)
Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV)
Inverkehr-bringen nach behördlichem Zulassungsverfahren, im Rahmen dessen Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit geprüft wurden nach behördlicher Registrierung, behördliche Kontrollen nur auf Verdacht, Hersteller ist für Sicherheit verantwortlich
Inhalts-angaben tatsächliche Dosierung der Wirkstoffe darf in der Regel um höchstens 5 % von Angabe auf der Verpackung abweichen tatsächliche Menge im Produkt kann 50 % und mehr von der Angabe auf der Verpackung abweichen

Beispiel: Präparate mit Ginkgo-Extrakten

Tatsächlich können Vitamine, Mineralstoffe oder auch Pflanzenextrakte sowohl als Arzneimittel als auch in Form von Nahrungsergänzungsmitteln in Verkehr gebracht werden – Worin unterscheiden sie sich dann jedoch bei vermeintlich gleichen Inhaltsstoffen?
Die Unterschiede machen sich zum einen in der Zweckbestimmung, zum anderen aber auch häufig in der Qualität bemerkbar – gerade bei Pflanzenextrakten.

Arzneimittel mit Ginkgo-Extrakten sind in Deutschland zugelassen zur symptomatischen Behandlung von Hirnleistungsstörungen (dementielles Syndrom), zur unterstützenden Behandlung bei Tinnitus sowie bei Schwindel.

Nach den Bestimmungen des Deutschen und des Europäischen Arzneibuchs muss ein Ginkgo-Extrakt für Arzneimittel mittels einer mehrstufigen Extraktion aus den getrockneten Blättern des Ginkgo biloba hergestellt werden. Der gereinigte Extrakt muss bestimmte Gehalte der arzneilich wirksamen Substanzen (Flavonglykoside und Terpenlaktone) aufweisen. Zudem gibt es für Arzneimittel einen Grenzwert für den Gehalt an Ginkgolsäuren. Extrakte mit zu hohem Anteil an Ginkgolsäuren können Nebenwirkungen haben, z. B. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Allergien; zudem sind hohe Dosen an Ginkgolsäuren potenziell zellschädigend und erbgutverändernd.
Für Ginkgo-haltige Arzneimittel dürfen ausschließlich diese qualitativ hochwertigen, arzneibuchkonformen Extrakte verwendet werden. Nur für diese Extrakte ist die Wirksamkeit in den zugelassenen Anwendungsgebieten wissenschaftlich nachgewiesen.

Leider werden die Wirkungen Ginkgo-haltiger Arzneimittel häufig in Aussagen zu Nahrungsergänzungsmitteln mit Ginkgo-Extrakten übertragen. Diese werden dann z. B. beworben „zur Unterstützung von Gedächtnis, Gleichgewichtssinn und Konzentration“.
Bezüglich der Inhaltsstoffe können schon innerhalb der Gruppe der Nahrungsergänzungsmittel große Unterschiede auftreten, da es für diese Präparate kein definiertes Herstellungsverfahren für Ginkgo-Extrakte gibt, das eine standardisierte, gleichbleibende Qualität gewährleistet.

Wird der Inhaltsstoff eines Nahrungsergänzungsmittels mit „Ginkgo-Extrakt“ bezeichnet, muss kein Ginkgoblätter-Extrakt enthalten sein, es können z. B. auch Extrakte aus Wurzeln oder Rinde verwendet werden. Im Jahr 2010 ergab eine Untersuchung des Zentrallaboratoriums der Deutschen Apotheker bei der Mehrzahl der untersuchten Ginkgo-haltigen Nahrungsergänzungsmittel einen Zusatz von Rutin und/oder Quercetin, um einen höheren Gehalt an relevanten Inhaltsstoffen vorzutäuschen. (Quelle: Tawab et al. Pharm Ztg. 2010; 20)
Daher sind Ginkgo-haltige Nahrungsergänzungsmittel bestenfalls wirkungslos, im schlimmsten Fall können sie langfristig gesundheitsschädlich sein, wenn der Gehalt an Ginkgolsäuren nicht reduziert wurde.

Darüber hinaus hat der Verbraucher bei Ginkgo-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln oft nicht die Möglichkeit, sich über die wesentlichen Angaben zum enthaltenen Extrakt zu informieren, da aus der Kennzeichnung von Nahrungsergänzungsmitteln meist nicht hervorgeht,

  • auf welche Weise der Extrakt gewonnen wurde,
  • ob wesentliche Inhaltsstoffe hinzugefügt und
  • ob schädliche Inhaltsstoffe wie Ginkgolsäuren reduziert wurden.

Fazit

Bei der Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln besteht für den Verbraucher immer eine gewisse Unsicherheit: Nahrungsergänzungsmittel können im Einzelfall eine ähnlich hohe Qualität wie Arzneimittel aufweisen, müssen es aber nicht. Diese Qualitätsunterschiede sind für den Verbraucher anhand von Verpackung und Kennzeichnung jedoch in der Regel nicht erkennbar. Die hohen Qualitätsansprüche an Arzneimittel sind dadurch gerechtfertigt, dass sie zur Behandlung von Kranken eingesetzt werden, während Nahrungsergänzungsmittel im Allgemeinen nur unterstützend bei gesunden Personen zum Einsatz kommen.

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