Biologische Umweltfaktoren
Zu den biologischen Faktoren, die aus der Umwelt auf den Menschen wirken, gehören vor allem Viren, Pilze, Bakterien und Protozoen, aber auch Bestandteile von Pflanzen. Dabei ist es denkbar, dass sensibilisierende, allergische oder toxische Effekte auftreten oder Infektionen (akut/chronisch) ausgelöst werden.
Im Bereich „Arbeit- und Umwelt“ des LGL wird die Exposition des Menschen in der Umwelt gegenüber diesen Faktoren insbesondere auf dem Luftweg (Bioaerosole) betrachtet. Schwerpunkte sind die gesundheitliche Bewertung von Legionellen aus Anlagen, Schimmel in Innenräumen und an Arbeitsplätzen und von Immissionen aus Tierhaltungsanlagen oder Abfallverwertungsanlagen.
Grundsätzlich sind die Mikroorganismen, die in der Tierhaltung, in Abfallverwertungsanlagen und anderen Anlagen z.B. Verdunstungskühlanlagen vorkommen, arbeits- und auch umweltmedizinisch relevant.
Dabei erscheint aus Sicht der Umweltmedizin vor allem der Luftpfad als relevanter Übertragungsweg, während in der Arbeitsmedizin auch der direkte Kontakt von Bedeutung sein kann.
Welche dieser oben genannten gesundheitlichen Wirkungen auftritt, hängt von den Charakteristika des jeweiligen Mikroorganismus und dem Expositionspfad sowie von der individuellen Anfälligkeit des betroffenen Individuums ab. Werden bspw. Legionellen eingeatmet, die über die Luft kilometerweit transportiert werden können ohne ihre Infektiosität zu verlieren, ist vor allem bei älteren vorerkrankten Personen, insbesondere bei Männern, mit einer Lungenentzündung zu rechnen. Bei aerogener Exposition gegenüber Schimmelpilzen, z. B. im Zusammenhang mit der Abfallverwertung oder bei Schimmelwachstum im Innenraum, besteht das Risiko unspezifischer Schleimhautirritationen mit Augenreizung oder Husten. Bei Vorliegen einer bereits bestehenden Sensibilisierung ist auch die Auslösung einer allergischen Reaktion, z. B. im Sinne eines allergischen Schnupfens oder eines Asthmaanfalls denkbar.
Für den landwirtschaftlichen Bereich sind spezifische umweltmedizinische Infektionen über den Luftweg, z.B. beim Drescher-Fieber (Organic Dust Toxic Syndrome, ODTS), beschrieben. Die vorliegenden Erkenntnisse liefern somit Hinweise, dass Personen im Umfeld von verschiedenen Anlagen, die Bioaerosole freisetzen, ein erhöhtes gesundheitliches Risiko haben. Allerdings reichen die vorliegenden Erkenntnisse nicht aus, um einen kausalen Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Bioaerosolen und schädlichen gesundheitlichen Wirkungen belegen zu können. Für spezifische Infektionskrankheiten hingegen wie z.B. Legionellosen konnte eine Kausalität zwischen der Exposition zu den erregerhaltigen Aerosolen und dem Auftreten der Erkrankungen festgestellt werden.
Eine klare Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen spezifischen Bestandteilen und Konzentrationen eines Bioaerosols aus landwirtschaftlichen oder anderen Betrieben konnte jedoch bisher weder für den Bereich der Arbeitsmedizin noch für den der Umweltmedizin abgeleitet werden. Somit existieren auch keine gesundheitlich basierten Grenzwerte. Gründe dafür sind die komplexen Zusammenhänge und Interaktionen der Bestandteile von Bioaerosolen sowie die aktuelle Datenlage, wie systematische Analysen der wissenschaftlichen Literatur zu Human- und tierexperimentellen Studien zeigen. Diese haben im Wesentlichen folgende Fallstricke aufgezeigt:
- Fehlende (sehr aufwändige) spezifische umweltmedizinische Studien
- Die Vielfalt der in Frage kommenden Mikroorganismen
- Der Einfluss der individuellen Prädisposition für die Auslösung des gesundheitlichen E ffekts
Letzteres betrifft jedoch z. B. bzgl. der Allergieauslösung einen nicht geringen Teil der Bevölkerung.
Die oben beschriebenen Zusammenhänge rechtfertigen es jedoch aus Sicht der Vorsorge, im Umfeld von entsprechenden Anlagen Bioaerosolkonzentrationen entsprechend der natürlicherweise vorkommenden Bioaerosolkonzentrationen in der Außenluft (natürliche Hintergrundkonzentration) zu fordern, siehe VDI-Richtline 4250 Blatt 1 sowie den Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz.
Dabei sind sowohl die Konzentrationen von Mikroorganismen als auch die Art der vorkommenden Mikroorganismen zu berücksichtigen. An den natürlichen Hintergrund ist der Mensch üblicherweise adaptiert.