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Rinder
In Deutschland werden derzeit (Stand: Mai 2022) 11 Mio. Rinder, darunter etwa 3,8 Mio. Milchkühe gehalten. Neun von zehn Rindern können sich in Laufställen mehr oder weniger frei bewegen. Letztere schließen auch Ställe mit Vollspaltenböden mit ein, wie sie vorrangig in der Rindermast als Haltungssystem dominieren.
Insbesondere in Bayern ist die Anbindehaltung von Rindern noch weit verbreitet. Hier pflegen rund 52 Prozent der Milchviehhalter diese Haltungsform, was einem bayernweiten Anteil von rund 26 Prozent der Milchkühe entspricht. Jeder zweite Betrieb mit Anbindehaltung bietet seinen Rindern Weidegang an.
Innerhalb Deutschlands hat durchschnittlich etwa jedes dritte Rind im Sommer regelmäßigen Weidegang.
Rinder sind Herdentiere, die natürlicherweise in Verbänden von bis zu dreißig Muttertieren mit Kälbern leben. Kommen neue Tiere von außen hinzu, muss die Rangordnung geklärt werden. Rangniedere Tiere ziehen sich, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, zurück, sodass körperliche Auseinandersetzungen in der Regel vermieden werden. Dort, wo die Hierarchie entschieden ist, halten Kühe untereinander eine Individualdistanz, das heißt einen Mindestabstand von 0,5 bis 3 Metern (je nach Rangverhältnis) ein.
In natürlicher Umgebung verbringen Rinder täglich bis zu zwölf Stunden damit, sich langsam grasend fortzubewegen, wobei unter Weidebedingungen Strecken bis zu 13 km zurückgelegt werden. Dabei aufgenommene Nahrung wird wiedergekäut, was meist im Liegen geschieht, sodass tägliche Liegezeiten von zwölf Stunden oder mehr als physiologisch betrachtet werden können. Um entspannt und ausreichend lange ruhen zu können, benötigen die Tiere dabei eine weiche, elastische Unterlage.
Kälber liegen in den ersten Lebenswochen etwa 90 %, bis zum Alter von einem halben Jahr 70-75 % des Tages. Ab der zweiten Lebenswoche versammeln sie sich in sog.. Kindergartengruppen. Sie zeigen ein ausgeprägtes Spielverhalten, das vor allem durch Laufaktivitäten gekennzeichnet ist. Die Milchaufnahme verteilt sich bei bis zu vier Monate alten Kälbern auf etwa vier bis zehn Saugakte pro Tag.
Inwieweit sich in der Obhut des Menschen gehaltene Rinder artgemäß verhalten können, hängt in hohem Maße von der Art des Haltungssystems und Managementfaktoren ab. Anforderungen an das jeweilige Haltungssystem und die Versorgung der Tiere ergeben sich unmittelbar aus ihren natürlichen Bedürfnissen.
Da Rinder einer Herde bevorzugt gleichzeitig fressen und ruhen, muss für jedes Tier im Stall ein Fress- und Liegeplatz zur Verfügung stehen. Liegeflächen müssen, um den Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden, über eine trockene und saubere, weich-elastische Unterlage verfügen. Ein ständiger Zugang zu qualitativ hochwertigem Grundfutter ist insbesondere für hochleistende Milchkühe jederzeit zu gewährleisten. Dasselbe gilt für den Zugang zu hygienisch einwandfreien Tränken mit geeigneter Wasserqualität. Diese sollten in ausreichender Zahl vorhanden und so angebracht sein, dass sie gut zugänglich sind und von ranghöheren Tieren nicht dauerhaft blockiert werden können. Um es den Tieren zu ermöglichen, ihre Individualdistanz einzuhalten und Auseinandersetzungen so auf ein Mindestmaß zu beschränken, müssen Lauf-, Fress- und Liegegänge in Laufställen ausreichend breit konzipiert sein und genügend Ausweichmöglichkeiten unter Vermeidung von Sackgassen geboten werden. Als Weichbodengänger profitieren Rinder von einer elastischen Gestaltung der Laufflächen. Diese müssen trittsicher und rutschfrei sein, damit Verhaltensweisen wie das Brunstverhalten oder die Körperpflege angst- und verletzungsfrei durchgeführt werden können.
Im Vergleich zur Weidehaltung bedeutet auch die Haltung in Laufställen eine Einschränkung des natürlichen Bewegungsverhaltens der Rinder, weil dort nur kürzere Strecken zurückgelegt werden können. Besonders stark ausgeprägt ist die Einschränkung des natürlichen Bewegungsverhaltens bei Aufstallung in dicht belegten Vollspaltenboxen und in der Anbindehaltung. Gerade letztere reduziert den Bewegungsradius der Tiere auf wenige Schritte. Ihre dauerhafte Fixierung hindert sie daran, sich vollständig umzudrehen, Eigenkörperpflege zu betreiben und sich bequem hinzulegen, sodass bei der Anbindehaltung von Rindern ohne regelmäßigen Auslauf ins Freie oder Weidegang das Normalverhalten der Tiere insgesamt als stark eingeschränkt zu bewerten ist.
Zu Haltungsbedingungen, die Kälbern ein artgemäßes Verhalten ermöglichen sollen, zählen neben der Haltung in Gruppen eine trockene, saubere sowie weiche, elastische Gestaltung der Liegeflächen, ausreichend Platz, um ihrem hohen Bewegungsdrang nachkommen zu können und die Möglichkeit, über den Tag verteilt häufig kleinere Tränkeportionen aufzunehmen, was am besten durch eine korrekt durchgeführte Ad libitum-Tränke realisiert werden kann.
Orientierung für die tierschutzfachliche Bewertung von Rinderhaltungen bieten neben den Vorgaben des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung insbesondere die Niedersächsische Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung sowie die Niedersächsische Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung und die Bayerische Tierschutzleitlinie für die Haltung von Mastrindern und Mutterkühen.