Beurteilungswerte
Es existiert eine Vielzahl von Beurteilungswerten, die in ihrer fachlichen Herleitung und rechtlichen Bedeutung erheblich variieren können.
Unter fachlichen Aspekten sind toxikologisch begründete Werte, Vorsorgewerte und Referenz- oder Hintergrundwerte zu unterscheiden.
- Toxikologisch begründete Werte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie auf geeigneten Erkenntnissen zu toxischen Wirkungen des jeweiligen Stoffes basieren; oft enthalten sie (Un-)Sicherheitsabstände, um auch empfindliche Bevölkerungsgruppen zu schützen.
- Vorsorgewerte werden meist niedriger als toxikologisch begründete Werte festgelegt und sollen prospektiv die Belastung von Schutzgütern vermeiden oder vermindern; ein Beispiel sind die Pflanzenschutzmittelgrenzwerte der Trinkwasserverordnung.
- Referenzwerte bilden die Hintergrundbelastung ab. Sie geben in der Regel keinen Aufschluss über eine Gesundheitsgefährdung. Liegen Belastungen im Bereich der Hintergrundwerte, geht von ihnen aber auch kein im Vergleich zur Allgemeinheit erhöhtes Risiko aus.
Rechtlich ist zwischen Grenzwerten, die in gesetzlichen Regelungen festgelegt wurden, und Richtwerten, die keine rechtliche Bindung besitzen und beispielsweise von Expertengremien abgeleitet werden, zu unterscheiden. Richtwerte können allerdings durchaus eine gesetzesähnliche Kraft erlangen.
Wichtig ist es, die Charakteristika der einzelnen Werte möglichst genau zu kennen. In der Praxis stößt dies teilweise auf Schwierigkeiten, etwa wenn Begründungen von Werten nicht veröffentlicht werden.
1. Luft
1.1 Innenraum
Rechtliche Regelungen
- 2. BImSchV (Verordnung zur Emissionsbegrenzung von leichtflüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen): Tetrachlorethen/Per
- PCB-Richtlinie (aktuelle Anlage siehe Liste der Technischen Baubestimmungen 2014, Anl. 6.1/1) (PDF, 264 KB)
- PCP-Richtlinie
- Asbest-Richtlinie
Empfehlungen
- Richt- und Leitwerte der Ad-hoc-AG Innenraumrichtwerte
- Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation
- PAK-Hinweise
- Infos Innenraum, NRW
Hintergrundbelastung: Deutsche Umweltstudie GerES
- 1985-1986: Raumluft, Hausstaub
- 1990-1992: Raumluft, Atemluft (personengetragene Passivsammler), Hausstaub
- 1997-1999: Hausstaub
- 2003-2006: Raumluft, Hausstaub
- 2014-2017: Raumluft, Hausstaub
1.2 Außenluft
Rechtliche Regelungen
EU-Richtlinien:
Mit der Verabschiedung der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität wurde ein europaweit gültiger Rahmen für die Rechtsentwicklung im Außenluftbereich geschaffen. In ihr ist unter anderem eine Liste von Schadstoffen festgelegt, für die in entsprechenden Tochterrichtlinien Grenzwerte und gegebenenfalls Alarmwerte festgelegt werden sollen. Es handelt sich um solche Fremdstoffe, für die auf Grund ihrer gesundheitlichen Bedeutung, ihrer möglichen Umweltschäden und weiten Verbreitung eine Minderung und Überwachung notwendig ist. Bisher liegen für verschiedene Luftschadstoffe Wertsetzungen vor, die mit der 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (22. BImSchV) in nationales Recht umgesetzt worden sind. Neben der Grenzwertfestsetzung dienen die Tochterrichtlinien auch dem Ziel, einheitliche Messverfahren einzuführen, der Information der Öffentlichkeit, und der Festlegung der zu ergreifenden Maßnahmen (z. B. Luftreinhaltepläne). Für manche Schadstoffe sind Alarmschwellen festgelegt worden, bei deren Überschreitung (in drei aufeinander folgenden Stunden) eine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht. Es sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen (Aktionspläne) und die Öffentlichkeit ist zu informieren.
- Richtlinie 2004/107/EG vom 15. Dezember 2004: Zielwerte für Arsen, Cadmium, Nickel, Benzo[a]pyren als Marker für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (Quecksilber: ohne Zielwert)
- Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008: Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Partikel (PM10, PM2,5), Blei, Benzol, Kohlenmonoxid, Ozon
- Werte im Überblick
Bundesimmissionsschutzrecht:
- 39. BImSchV (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen): Umsetzung der oben genannten europäischen Richtlinien. Werte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, PM10, PM2,5, Blei, Benzol, Kohlenmonoxid, Ozon, Arsen, Kadmium, Nickel und Benzo[a]pyren.
- TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft; Abschnitt 4.2.1): Ziel der TA Luft (Rechtsgrundlage § 48 Bundes-Immissionsschutzgesetz) ist es, als allgemeine Verwaltungsvorschrift den zuständigen Behörden bundeseinheitliche Vorgaben für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung von Luftverunreinigungen, insbesondere im Hinblick auf genehmigungsbedürftige Anlagen an die Hand zu geben. Hierzu dienen Immissionswerte zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, Gesundheitsgefahren bzw. vor erheblichen Nachteilen und Belästigungen. Sie finden z.B. Anwendung bei der Genehmigung zum Bau neuer Anlagen und sollen insbesondere einer zusätzlichen Luftverunreinigung entgegenwirken.
Regelungen anderer Staaten
- National Ambient Air Quality Standards (NAAQS): Entsprechen in etwa den europäischen und deutschen Luftgrenzwerten (Ozon, Partikel, Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Blei).
1.3 Außen- und Innenraumluft
Empfehlungen
- WHO Air Quality Guidelines for Europe: Leitwerte für toxische Luftverunreinigungen wurden erstmals 1987 von einer Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf der Grundlage toxikologischer Kenntnisse unter Berücksichtigung von Schutzfaktoren aufgestellt. Es handelt sich nicht um rechtsverbindliche Grenzwerte, sondern um Hintergrundinformationen, die z. B. Bürgern und Behörden Hinweise zur Beurteilung gesundheitlicher Risiken von Luftverunreinigungen geben sollen. Sie beziehen sich auf die Allgemeinbevölkerung, die einer langfristigen Belastung über die Luft – auch im Innenraum – ausgesetzt ist, und gelten in der Mehrzahl der Fälle nicht für Kurzzeit- oder Spitzenkonzentrationen (z. B. bei Unfällen). In den letzten Jahren wurden anlässlich von Expertentreffen der WHO verschiedene Änderungen und Anpassungen an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vorgenommen.
1.4 Notfallwerte Luft
Empfehlungen
- Acute Exposure Guidelines (AEGL): Richtwerte zur Beurteilung von Stör-, Not-, Unfällen usw.
- Einsatztoleranzwerte zum Schutz von Bevölkerung und Feuerwehrleuten ohne Atemschutzgerät
- Protective Action Criteria (PAC): Richtwerte zur Beurteilung von Stör-, Not-, Unfällen usw.
2. Boden
Rechtliche Regelungen
- Prüf- und Maßnahmenwerte der Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV, Anhang 2): Bei einem Unterschreiten der Prüfwerte besteht im allgemeinen keine gesundheitliche Gefährdung. Bei Prüfwertüberschreitung sind Einzelfallermittlungen durchzuführen, um den Gefahrenverdacht abzuklären. Bei Überschreiten von Maßnahmenwerten, die bislang nur für Dioxine und Furane festgelegt wurden, ist nutzungsabhängig in der Regel von einer Gefährdung auszugehen und es sind Maßnahmen erforderlich.
- Weitere Prüfwertvorschläge:
Regelungen anderer Staaten
- Niederländische Bodenwerte: Interventions- und Gefahrenwerte zum niederländischen Bodenschutzgesetz
- Bodenwerte USA: Richtwerte für den Vollzug
3. Wasser
Rechtliche Regelungen
- Richtlinie 98/83/EG vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch
- Trinkwasserverordnung
Empfehlungen
- Umweltbundesamt (unter anderem Maßnahmenwerte, teil- oder nicht bewertbare Stoffe, Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln)
- ADI- und Trinkwasser-Leitwerte von Weltgesundheitsorganisation und Bundesinstitut für Risikoabschätzung (vorwiegend Pflanzenschutzmittel)
Regelungen anderer Staaten und Organisationen
- Drinking Water Guidelines: Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
- USEPA Drinking Water Standards: Grenzwerte entsprechend den europäischen und deutschen Regelungen
- USEPA Health Advisories: Richtwerte für den Vollzug
Hintergrundbelastung
4. Lebensmittel
Rechtliche Regelungen
- Mykotoxine (EU und BRD)
- Rückstands-Höchstmengenverordnung (vor allem Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel)
- Kontaminanten-Verordnung (Mykotoxine, Nitrat, halogenierte Lösemittel, PCB)
- Diät-Verordnung (Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel, Mykotoxine und Nitrat)
Empfehlungen
- Technical Report Series, Weltgesundheitsorganisation (WHO)
- Codex alimentarius: General Standards for Food Additives-Veterinary Drug Residues-Pesticides Residues
Hintergrundbelastung
- Lebensmittel-Monitoring: Pflanzenschutzmittel, Mykotoxine, Schwermetalle, andere Umweltschadstoffe
- Deutsche Umweltstudie GerES 1990-1992 (Aluminium, Arsen, Blei, Cadmium, Calcium, Chrom, Eisen, Kupfer, Kalium, Magnesium, Mangan, Natrium, Nickel, Quecksilber, Selen, Zink, Nitrat, Nitrit)
5. Weitere Wertelisten
- INCHEM: Zugang zu den Serien der Weltgesundheitsorganisation und der Welternährungsorganisation, die sich mit chemischen und physikalischen Noxen befassen.
- USEPA IRIS (Integrated Risk Information System): Richtwerte für die orale und inhalative Aufnahme von Schadstoffen
- USEPA PPRTV (Provisional Peer Reviewed Toxicity Values): Richtwerte für die mittel- bis langfristige orale und inhalative Aufnahme von Schadstoffen
- Minimal Risk Levels (MRL): Richtwerte für die orale und inhalative Aufnahme von Schadstoffen