Luftqualität in öffentlichen Innenräumen
Frische Luft an bayerischen Schulen
Verbesserung der Luftqualität in öffentlichen Innenräumen
Das Projekt
Schlechte Luft - müde Schüler...
Gute Luft - muntere Schüler!
Abbildungen 1 u. 2: Mit freundlicher Genehmigung der Klasse 4a der Gregor-Märkl-Volksschule Röhrmoos
Der Mensch verbringt den größten Teil seines Lebens, täglich über 80 %, in Innenräumen und ist dort einer Vielzahl von Fremdstoffen ausgesetzt. Sie können von den Baumaterialien des Gebäudes und den Einrichtungsgegenständen im Inneren abgegeben werden oder durch die jeweiligen Aktivitäten der Nutzer verursacht sein.
Zur Beschreibung des gesundheitlichen Risikos, dem Raumnutzer ausgesetzt sein können, ist es erforderlich, die Belastungssituation in den Innenräumen zu kennen, in denen sich Menschen regelmäßig und über lange Zeit aufhalten. Von besonderer Bedeutung sind dabei Gemeinschaftseinrichtungen, in denen zum Beispiel empfindliche Bevölkerungsgruppen wie Kinder über einen längeren Zeitraum Schadstoffen ausgesetzt sein können. Um deren besonderem Schutzbedürfnis gerecht zu werden, müssen diese sensiblen Einrichtungen besonders aufmerksam beobachtet werden.
Für das Wohlbefinden des Menschen ist ein gesundheitsverträgliches Innenraumklima von großer Bedeutung. Dabei spielt neben der Temperatur und der Luftfeuchte die Zusammensetzung der Innenraumluft eine bedeutende Rolle. Die "ideale" Innenraumluft sollte aus umweltmedizinischer Sicht möglichst frei von Luftverunreinigungen sein und subjektiv als angenehm empfunden werden. Die Nase des Menschen ist ein sehr empfindliches Wahrnehmungsorgan, das auch Luftverunreinigungen häufig schon in sehr geringen Konzentrationen bemerken kann. Oft wird jedoch, subjektiv sehr unterschiedlich, nur eine unangenehme Luftqualität, z. B. als "verbrauchte Luft" wahrgenommen.
Die Luftqualität in Innenräumen lässt sich neben den verschiedenen Klimaparametern im Raum sehr gut durch den Indikator Kohlendioxid (CO2) beschreiben. Immer wieder wird in Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen über die Luftqualität geklagt und vielfach werden in diesem Zusammenhang insbesondere Befindlichkeitsstörungen wie Kopfschmerzen, Ermüdungserscheinungen, Reizerscheinungen an Augen, Nase und Rachen oder Trockenheitsgefühl an Schleimhäuten geschildert.
Vor diesem Hintergrund sollte das gemeinsam mit dem Institut und der Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Bayerischen Landesamt für Umwelt durchgeführte Projekt "Frische Luft an bayerischen Schulen" die Belastungssituation in bayerischen Schulen untersuchen, Möglichkeiten der Verbesserung der Luftqualität ermitteln und diese gemeinsam mit den Nutzern umsetzen.
Der Luftqualitätsindikator Kohlendioxid (CO2)
Das geruch- und farblose Gas Kohlendioxid ist natürlicher Bestandteil in der atmosphärischen Luft (ca. 0,03 Volumen-Prozent, entspricht 300 ppm) und unter Normalbedingungen in der Umwelt chemisch stabil. In der Außenluft ist es auf Grund seiner Klimawirkungen bekannt geworden, indem es den "Treibhaus-Effekt" durch Absorption von Infrarotstrahlung im CO2-Molekül fördert. Lebende Organismen geben CO2 als Stoffwechselprodukt mit der Ausatmung an die Umgebungsluft ab, wobei die abgegebene Menge CO2 beim Mensch abhängig vom Ausmaß der körperlichen Aktivität ist. Die wichtigste CO2-Quelle in Innenräumen ist der Mensch. Ein erwachsener Mensch atmet je nach Art der Tätigkeit und der körperlichen Anstrengung (Aktivität) zwischen ca. 10 und 200 l/h CO2 aus. Weitere Innenraumquellen sind verschiedene Verbrennungsprozesse wie das Abbrennen von Kerzen, das Betreiben von Öl- und Gasleuchten, Heizgeräten und Gasherden sowie das Tabakrauchen. Auch undichte Schornsteine und Bodengase können gegebenenfalls zu einer Belastung von Innenräumen beitragen.
Erste objektivierbare Wirkungen des CO2 auf die menschliche Gesundheit werden ab etwa 5000 - 10000 ppm (0,5 bis 1,0 Volumen-Prozent) beobachtet. In der wissenschaftlichen Literatur sind als Wirkungen auf den menschlichen Organismus z. B. eine Erhöhung der Atemfrequenz, eine Änderung des pH-Wertes des Blutes und eine Verringerung der körperlichen Leistungsfähigkeit beschrieben. Bei Konzentrationen oberhalb von 30000 - 40000 ppm kann es zu Kopfschmerzen, Schwindel, Ohrensausen, Herzklopfen kommen. Bei Werten über 100000 ppm können auch schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen bis hin zu Bewusstlosigkeit und Tod auftreten. Diese Gehalte sind in Wohninnenräumen natürlich nicht zu erwarten.
Zur hygienischen Beurteilung von Innenräumen hat Max Josef von Pettenkofer schon im ausgehenden 19. Jahrhundert entsprechende Standards vorgeschlagen. Die nach ihm benannte "Pettenkoferzahl" von 1000 ppm (0,1 Volumen-Prozent) erlaubt die Bestimmung eines lufthygienisch akzeptablen Bereiches. Nach Lüftungsnorm DIN 1946 Teil 2 soll ein Wert von 1500 ppm (0,15 Volumen-Prozent) nicht überschritten werden, der zur Beurteilung einer Verschlechterung der Raumluft durch Geruchsstoffe und Ausdünstungen von Personen herangezogen werden kann. Er wird allgemein als hygienischer Innenraumluftrichtwert empfohlen und wurde für Räume mit raumlufttechnischen Anlagen, in denen eine sitzende oder leichte Tätigkeit (z. B. Labortätigkeit) ausgeübt wird, entwickelt. Bei Überschreiten des Wertes ist eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens zu erwarten, unter Umständen kann eine zunehmende Müdigkeit festgestellt werden und die Leistungsfähigkeit der Raumnutzer lässt eventuell nach. Werden schwere körperliche Tätigkeiten durchgeführt, ist dies gesondert zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der Luftqualität an Arbeitsplätzen ist in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 900 derzeit ein Grenzwert von 5000 ppm (0,5 Volumen-Prozent) festgelegt.
Um die CO2-Konzentration in Innenräumen bewerten zu können, sind neben den eigentlichen Messungen auch Kenngrößen der Raumarchitektur (Baujahr, Raumgröße und Belüftungsmöglichkeiten) sowie Kenntnisse zur konkreten Raumnutzung (Anzahl der Raumnutzer, Aufenthaltszeit und Aktivitäten im Raum) zu berücksichtigen.
Da der CO2-Gehalt der Raumluft ein Maß für die Raumnutzung durch Menschen darstellt, wird das analytisch einfach zu bestimmende CO2 auch als Regel- und Stellparameter bei Raumlufttechnischen Anlagen (RLT) genutzt.
Aus den bekannten Daten über die CO2-Produktion des Menschen lässt sich errechnen, dass ein erwachsener Mensch pro Stunde etwa 32 m³ Luft (von 0,03 Volumen-Prozent CO2) auf einen CO2-Gehalt von etwa 0,1 Volumen-Prozent bringt, so dass diese Menge Frischluft einem Raum zugeführt werden muss, um die von einer Person erzeugte CO2-Menge im Konzentrationsbereich von unter 0,1 Volumen-Prozent zu halten. Umgerechnet entspricht dieser Wert etwa 9 l je Sekunde. Aus Gründen der Energieeinsparung wird in manchen Regelwerken von einem zulässigen CO2-Gehalt der Luft von 0,15 Volumen-Prozent ausgegangen. Daraus würde sich eine Frischluftrate von 19 m³ je Stunde bzw. 5,2 l je Sekunde ergeben.
Es gibt Hinweise, dass der hygienisch wünschenswerte CO2-Gehalt von 1000 ppm (0,1 Volumen-Prozent) z. B. in schlecht gelüfteten Klassenzimmern häufig überschritten wird. In der folgenden Abbildung 1 sind beispielhaft die Ergebnisse einer Untersuchung in 40 Berliner Schulen dargestellt, bei der Maximalgehalte von bis zu 10700 ppm gefunden wurde. In dieser Studie wurde in 87 % der Klassenräume die Pettenkoferzahl überschritten.
Abbildung 3: Tagesmittelwerte der Gehalte an Kohlendioxid in Berliner Schulen (nach Lahrz et al. 2003):
Ziel des Projekts "Frische Luft an bayerischen Schulen"
Schulkinder, Jugendliche und Auszubildende verbringen ungefähr 30-50 % ihrer Tageszeit in Schulen bzw. Ausbildungsstätten. Daher sind ein gesundes und angenehmes Raumklima und eine gute Luftqualität für die Gesundheit wichtig. Eine gute Innenraumluftqualität in Gebäuden war und ist daher zu Recht Gegenstand aktueller öffentlicher Diskussionen.
Um die Belastungssituation in bayerischen Schulen zu erfassen, sollte über den analytisch einfach zu bestimmenden Raumklimaparameter Kohlendioxid (CO2) eine Untersuchung der Innenraumluftqualität erfolgen. CO2 wird dabei als Indikator der Luftqualität betrachtet, der in Zusammenhang mit unspezifischen Befindlichkeitsstörungen wie Unkonzentriertheit, Müdigkeit und Kopfschmerzen gebracht werden kann. Hohe CO2-Konzentrationen können zudem Einfluss auf die Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeit und das Lernvermögen der Schüler haben.
Oft ist Schülern, aber auch Lehrern der Zusammenhang zwischen solchen Befindlichkeitsstörungen und dem CO2-Gehalt der Innenraumluft nicht hinreichend bekannt. Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, diesen Sachverhalt Lehrern und Schülern nahe zu bringen, damit insbesondere durch bessere Lüftungsmaßnahmen eine Verbesserung der Innenraumluftqualität erreicht wird. Um diese Sensibilisierung zu erreichen, wurden die gemessenen CO2-Werte den Schulen in aufbereiteter Form zur Veranschaulichung zur Verfügung gestellt. Als Ergebnis sollte erreicht werden, dass die Notwendigkeit von effektivem Lüften von den Schülern und Lehrkräften erkannt und konsequent umgesetzt wird.
Folgende wesentlichen Ziele sollten mit der Untersuchung verfolgt werden:
- Erstmalige Erfassung der Ist-Situation der Luftqualität von bayerischen Klassenräumen unter Berücksichtigung städtischer als auch ländlicher Bereiche und unter Miterhebung der relevanten Gebäude- und Umgebungsfaktoren. Hierzu lagen nur punktuell Erkenntnisse vor, die für die Entwicklung weitergehender Strategien nicht aussagekräftig genug waren.
- Testen verschiedener kommerziell angebotener Luftqualitätssensoren (z. B. Verlässlichkeit der Messungen, ausreichende Robustheit für einen Einsatz in Schulen).
- Die Ergebnisse sollten am Ende der Untersuchung nach Abstimmung mit den lokalen Schul- und Gesundheitsbehörden und den zuständigen Ministerien den Nutzern kommuniziert werden, um eine zusätzliche Sensibilisierung der Lehrkräfte und Schüler für Innenraumluftprobleme und ihre Vermeidung zu erreichen.
- Im Rahmen des Projektes sollten erste Ansatzpunkte für einfache, wirkungsvolle und kostengünstige Interventionsmaßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Schulen entwickelt werden. Dabei sollten keine neuen Sanierungserfordernisse entstehen und Energieeffizienz-Maßnahmen nicht konterkariert werden. Erste Vorstellungen hierzu waren:
- Erarbeitung von zielgruppenbezogenen Informationsmaterialien zum Problemfeld Luftqualität in Gemeinschaftseinrichtungen.
- Erarbeitung von entsprechenden Lehrmaterialien für den Physik- bzw. Biologieunterricht, die im Rahmen einer Projektarbeit eingesetzt werden könnten.
- Begrenzter Einsatz eines kostengünstigen Luftqualitätssensors in Schulklassen, der z. B. durch eine einfache Ampelschaltung den Lehrkräften und den Schülern einen visuellen Eindruck von der Luftqualität gibt. Soclhe Sensoren können beim LGL ausgeliehen werden.
Ergebnisse
Die Untersuchungen zur Luftqualität in bayerischen Schulen wurden in zwei Teiluntersuchungen durchgeführt. Die erste Messperiode (Wintermessung) erstreckte sich vom 2.12.2004 bis zum 16.3.2005 und die zweite Messperiode (Sommermessung) vom 2.5.2005 bis zum 28.7.2005. Bei den Sommer- und Wintermessungen sollten jeweils möglichst die gleichen Räume einbezogen werden. Im Winter konnte die Probenahme in 92 Klassenräumen von 46 Schulen und im Sommer in 76 Klassenräumen von 38 Schulen durchgeführt werden. Bei den Schulen handelte es sich um Grundschulen und weiterführende Schulen in der Landeshauptstadt München und im Landkreis Dachau.
In jedem Klassenraum wurde einen Schultag lang (Unterrichtsbeginn bis Unterrichtsende) gemessen.
Im Zentrum der Studie stand die Bestimmung der Innenraumluftqualität auf der Basis des Indikatorparameters Kohlendioxid (CO2). Darüber hinaus wurden während der täglichen Unterrichtszeit in den Klassenräumen folgende weitere Messparameter bestimmt:
Temperatur, relative Luftfeuchte, flüchtige organische Verbindungen, Carbonylverbindungen, Feinstäube (z. B. PM10, PM2,5) und Partikelanzahlkonzentrationen in der Innenraumluft sowie Katzenallergene und Endotoxine im sedimentierten Fußbodenstaub.
Eine Kurzdarstellung der Studie und der Ergebnisse als PDF sind in folgendem Bericht zu finden:
Frische Luft an Bayerischen Schulen - Untersuchungen zur Verbesserung der Raumluftqualität (PDF, 110 KB)
Aus dem Projekt sind folgende wissenschaftliche Veröffentlichungen hervorgegangen:
- H. Fromme (2006) Partikuläre Belastungssituation in Innenräumen, unter besonderer Berücksichtigung von Wohninnenräumen, Gemeinschaftseinrichtungen und Gaststätten. Das Gesundheitswesen 68, 714-723.
- H. Fromme, S. Dietrich, D. Twardella, D. Heitmann, R. Schierl, B. Liebl, H. Rüden (2007) Particulate matter in the indoor air of classrooms – exploratory results from Munich and surrounding. Atmospheric Environment 41, 854-866.
- H. Fromme, D. Heitmann, S. Dietrich, R. Schierl, W. Körner, M. Kiranoglu, A. Zapf, D. Twardella (2008) Raumluftqualität in Schulen - Belastung von Klassenräumen mit Kohlendioxid (CO2), flüchtigen organischen Verbindungen (VOC), Aldehyden, Endotoxinen und Katzenallergenen. Gesundheitswesen 70, 88-97.
- H. Fromme, J. Diemer, S. S. Dietrich, J. Cyrys, J. Heinrich, W. Lang, M. Kiranoglu, D. Twardella (2008) Chemical and morphological properties of particulate matter (PM10, PM2.5) from school classrooms and outdoor air. Atmospheric Environment 42, 6597-6605.
- D. Twardella, H. Fromme, S. Dietrich, W.C. Dietrich (2009) Reduktion der Feinstaubbelastung in Klassenräumen durch verbesserte Reinigung: Ausmaß der Belastung und Ergebnisse einer Pilotstudie in Bayern. Das Gesundheitswesen 71, 70-76.
Literatur
- H. Fromme, T. Gabrio, T. Lahrz, H. Grams, S. Dietrich, H. Sagunski (2008) Vorkommen und gesundheitliche Bedeutung von Feinstäuben in Schulen. Umweltmedizin in Forschung und Praxis 13, 199-209.
- H. Grams,O. Hehl, T. Gabrio, G. Volland, T. Lahrz, S. Dietrich, H. Fromme, H. Sagunski (2008) Ursachen und gesundheitliche Bewertung von Lüftungsmängeln an deutschen Schulen. Umweltmedizin in Forschung und Praxis 13, 211-219.