Defekturarzneimittel aus der St. Martins-Apotheke Hauptstraße 68, 89343 Jettingen-Scheppach:
Procain und Roter Reisschalen Extrakt
Im vorliegenden Fall wurden bei einer Durchsuchung zwei gesundheitlich bedenkliche Produkte sichergestellt. Diese beiden Präparate enthalten Wirkstoffe, die der Verschreibungspflicht unterliegen. Die jeweils erforderlichen ärztlichen Verschreibungen liegen nach derzeitigem Erkenntnisstand jedoch nicht vor. Eine notwendige ärztliche Kontrolle der Patienten findet demnach nicht statt.
Zum Produkt „Roter Reisschalen Extrakt“
Das Produkt enthält nicht deklariertes Lovastatin. Häufige Nebenwirkungen von Lovastatin sind u. a. Verschwommen sehen, Schwindel, Kopfschmerzen, , Blähungen, Durchfall Verstopfung, Übelkeit, Hautausschlag, Muskelkrämpfe oder -schmerzen. Als schwere Nebenwirkungen sind u.a. Schädigungen der Skelettmuskulatur und Leberschäden anzuführen. Patienten sollten grundsätzlich über diese Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt und aufgefordert werden, unklare Muskelschmerzen, -empfindlichkeit oder -schwäche umgehend dem Arzt mitzuteilen.
Das Produkt „Procain“
Laut Etikett enthält eine Kapsel, oral einzunehmen, jeweils 200 mg Procain-HCl. Bei der analytischen Untersuchung am LGL wurde eine Procain-HCl-Konzentration von durchschnittlich ca. 450 mg gefunden. Procain wird typischerweise als Lokalanästhetikum in Form von Injektionslösungen zur örtlichen Betäubung eingesetzt. Fertigarzneimittel mit Procain zur oralen Einnahme sind nicht zugelassen. Procain-haltige orale Präparate müssen daher in Apotheken patientenindividuell und nur auf ärztliche Verschreibung hergestellt werden (Rezeptur-/Defekturarzneimittel). Wird Procain oral eingenommen, sind die damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen mangels klinischer Studien kaum abzuschätzen. Es finden sich Nebenwirkungen wie Blasenbildung der Schleimhäute, Übelkeit, Durchfall und Erbrechen bis hin zu schwerem allergischen Schock.
Hintergrundinfos
Das Arzneimittelgesetz (AMG) verbietet es, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen (§ 5 AMG). Bedenklich ist ein Arzneimittel dann, wenn es nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über das nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbare Maß hinausgehen. Die Vorschriften zur Herstellung von Rezeptur- und Defekturarzneimitteln finden sich in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Danach müssen Arzneimittel, die in der Apotheke hergestellt werden, die nach der pharmazeutischen Wissenschaft erforderliche Qualität aufweisen. Sie sind nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln herzustellen und zu prüfen. Anerkannte pharmazeutische Regeln zur Herstellung und Prüfung finden sich z. B. in den Arzneibüchern, dem Neuen Rezepturformularium (NRF) oder auch den Leitlinien der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung. Daten zur Häufigkeit der Herstellung von Rezepturen in Apotheken liegen am LGL nicht vor. Die ABDA schätzt, dass für GKV-Versicherte im Jahr 2017 etwa 13 Mio. individuelle Rezepturen auf ärztliche Verschreibung hin hergestellt wurden („Die Apotheke Zahlen Daten Fakten 2019“).
Weitere Informationen:
Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft