Unterstützung bei der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im Gesundheitsbereich
Abstract
Werden Bürgerinnen und Bürger beteiligt, können sie das Gesundheitswesen aktiv mitgestalten. Daraus ergeben sich große Chancen für Weiterentwicklungen im Gesundheitsbereich. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mit der Fachlichen Leitstelle Gesundheitsregionenplus hat im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) auf kommunaler Ebene ein Modellprojekt zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im Gesundheitsbereich in der Gesundheitsregionplus Landkreis Dachau begleitet. Die gesammelten Erfahrungen bildeten die Grundlage für einen neuen Leitfaden. Ziel des Leitfadens ist es, Kommunen dabei zu unterstützen, die Beteiligungsverfahren im Gesundheitswesen weiter zu stärken. Der Leitfaden enthält insbesondere Informationen zu den Chancen und Herausforderungen von Bürgerbeteiligung und methodische Hinweise zur Durchführung von Beteiligungsverfahren.
Hintergrund
Repräsentative Umfragen zeigen, dass Bürgerinnen und Bürger politisch sehr interessiert sind, ihren Einfluss auf politische Entscheidungen jedoch häufig als sehr gering einschätzen. Unzufriedenheit mit und Misstrauen in die Politik können hieraus folgen. Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern kann dem entgegenwirken.
Spätestens seit den 1990er Jahren wird national und international auch im Gesundheitsbereich über die Chancen von mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger diskutiert (beispielsweise Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2002): Entscheidet das ärztliche Team zum Beispiel gemeinsam mit Patientinnen oder Patienten über diagnostische und therapeutische Schritte, trägt dies zur Verbesserung der Zufriedenheit und Therapietreue bei. Außerdem können Beteiligungen an Entscheidungen das Behandlungsergebnis verbessern und Gesundheitskompetenz fördern. In der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention verbessert sich außerdem die Akzeptanz gesundheitsfördernder Interventionen. Dabei gilt Beteiligung nicht nur als Guter-Praxis-Standard, sondern als zentrale Maßnahme zur Erhöhung gesundheitlicher Chancengleichheit.
Aber auch auf der Ebene des Gesundheitssystems bietet Beteiligung große Chancen – beispielsweise für die Verbesserung von Wirtschaftlichkeit, Qualität und Bedarfsgerechtigkeit. Auf regionaler Ebene können diese Chancen über geeignete Beteiligungsverfahren gehoben werden, wenn gleichzeitig eine ausreichende und verständliche Informationsgrundlage sowie ein Mitwirkungsrecht bestehen und wenn Entscheidungskompetenzen hinsichtlich des behandelten Themas auf lokaler Ebene liegen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 1999).
Ergebnisse
Um die Potenziale einer Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zu Gesundheitsthemen im kommunalen Kontext zu untersuchen und Erfahrungen zur Planung, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung solcher Beteiligungsverfahren zu sammeln, wurde das Modellprojekt „Bürgerbeirat Gesundheit“ initiiert. Das Projekt wurde im Auftrag des StMGP von Oktober 2021 bis Juli 2022 in der Gesundheitsregionplus Landkreis Dachau durchgeführt. Das nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung organisierte und moderierte das Modellprojekt. Die Geschäftsstellenleitung der Gesundheitsregionplus begleitete es, insbesondere durch die Koordination der Öffentlichkeitsarbeit und die Bereitstellung des regionalen Netzwerks aus Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitsbereich, vor Ort. Die Projektverantwortung und -steuerung lag beim LGL. Den Bürgerbeirat Gesundheit bildeten zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Dachau. Er erarbeitete Empfehlungen zu den Themen „Hausärztliche Versorgung“, „Bewegung und Ernährung“ sowie „Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“. Weitere Informationen sowie die erarbeiteten Empfehlungen des Bürgerbeirates sind abrufbar unter: https://www.dachauplus.de/buergerbeirat/ (Abruf: 17.04.2024).
Basierend auf den Erfahrungen des Projekts wurde ein neuer LGL-Leitfaden erarbeitet. Der Leitfaden bietet zentrale Hintergrundinformationen zum Thema „Bürgerbeteiligung“. Neben der Beteiligung über Bürgerbeiräte stellt er weitere Formate zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, wie etwa Planungszellen, Fokusgruppen oder World-Cafés, vor. Er richtet sich insbesondere an Verantwortungsträgerinnen und -träger in Politik und Verwaltung auf kommunaler Ebene und weitere Interessierte.
In zehn Schritten gibt der Leitfaden ganz konkret Hilfestellung zur Planung, Durchführung und Reflexion von Beteiligungsverfahren (nicht nur) im Gesundheitsbereich: Wie kann beispielsweise die Eignung von Themen überprüft werden? Wie können wichtige Rahmenbedingungen abgeklärt werden? Warum ist die Unterstützung der Kommunalpolitik essenziell? Welche personellen, sächlichen oder zeitlichen Ressourcen werden für Beteiligungsverfahren benötigt und wie kann die richtige Methode gefunden werden? Wie werden Bürgerinnen und Bürger ausgewählt und welche Informationen benötigen diese im Beteiligungsverfahren? Wie kann die Qualität im Verlauf gesichert werden und was ist datenschutzrechtlich zu beachten? Wie werden die Ergebnisse gesichert? Auf diese und weitere Fragen gibt der Leitfaden Antworten.
Fazit
Das Modellprojekt „Bürgerbeirat Gesundheit“ zeigte, dass sich Beteiligungsverfahren auf kommunaler Ebene, zum Beispiel in bestehenden Vernetzungsstrukturen wie den Gesundheitsregionenplus, umsetzen lassen und dabei unterstützen können, Lösungen für Herausforderungen im Gesundheitsbereich zu entwickeln. Über die gesammelten Erfahrungen konnten zentrale Faktoren für den Erfolg von Beteiligungsverfahren (nicht nur) für den Gesundheitsbereich identifiziert werden. Diese stehen über den Leitfaden „Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern im Gesundheitsbereich“ zur Verfügung. Der LGL-Leitfaden soll Kommunen dazu ermutigen, Beteiligungsverfahren weiter zu stärken.
Literatur
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (1999): Bürgerbeteiligung im Gesundheitswesen – Eine länderübergreifende Herausforderung. Ideen, Ansätze und internationale Erfahrungen. Dokumentation einer internationalen Tagung der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld am 4. bis 5. Februar 1999. Bonn (2000). Verfügbar unter: https://shop.bzga.de/band-10-buergerbeteiligung-im-gesundheitswesen-eine-laenderuebergre-60610000/ (11.01.2024)
Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2002): Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Gutachten 2000/2001. Kurzfassung. Verfügbar unter: https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/Gutachten/Gutachten_2000_2001/Kurzfassung_Band1_2.pdf (11.01.2024)