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Versorgungsforschung am Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Prof. Dr. Ulrich Mansmann, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE)
Versorgungsforschung untersucht die Wirklichkeit der medizinischen Versorgung. Sie greift hierfür auf vorhandene Daten zurück oder führt Studien durch, um Informationen über Einsatz, Erfolg und Risiken von diagnostischen und therapeutischen Verfahren sowie Versorgungskonzepten unter Alltagsbedingungen zu erarbeiten. Das IBE beteiligt sich an diesen Aktivitäten auf drei Ebenen:
- Entwicklung von Methoden,
- Ausbildung und
- Durchführung eigener Projekte.
Methodische Forschung
Die Entwicklung bezieht sich dabei auf Methoden des Datenmanagements für Versorgungsforschung (wie Zusammenführen von Registern, Record Linkage, Kombination regionaler Daten mit Daten, die an Individuen erhoben wurden,…) wie auch auf statistisch-epidemiologische Methoden für Versorgungsforschung. Im Gegensatz zur biomedizinischen Grundlagenforschung und der klassischen klinischen Forschung werden Aspekte zur Analyse von Beobachtungsdaten relevant: Kausale Strategien zur Beherrschung von Verzerrungen, Verfahren aus dem Bereich der räumlichen Statistik zur Analyse regionaler Trends und Eigenheiten, Multilevel-Modelle um hierarchische Phänomene in den Datenstrukturen angemessen zu adressieren.
Neben dieser Weiterentwicklung von Methoden der klassischen epidemiologischen Forschung hat das IBE eine Arbeitsgruppe eingerichtet (Frau Dr. Eva Rehfuess), um sich mit Fragen der Evidenzbewertung und Evidenzzusammenführung bei Studien zu Public Health Interventionen zu befassen. Hiermit sind komplexe Interventionen gemeint, die auf die Gestaltung von Versorgungsstrukturen abzielen. Komplexe Interventionen sind ein zentrales Thema der Versorgungsforschung. Denn es geht nicht darum, die Wirksamkeit einzelner Medikamente in standardisierten Studien zu überprüfen. Es geht um das große Ganze der medizinischen Versorgung unter Berücksichtigung aller Beteiligter und zahlreicher Einflussgrößen.
Das Datenmanagement großer Mengen von Routinedaten zur Analyse von Arzneimittelrisiken ist ein Beispiel für die Beschäftigung mit Problemen zu einer IT-Forschungsinfrastruktur für Versorgungsforschung. Die Weiterentwicklung der IT des im IBE angesiedelten Münchner Tumorregisters liefert wichtige Anstöße. Die Beschäftigung mit Record Linkage und Datenschutz im Rahmen großer Biobankprojekte und unserer Familienstudie hat die Arbeit am IBE inspiriert.
Das IBE ist in verschiedene Münchner Forschungsschwerpunkte mit Relevanz für die Versorgungsforschung eingebunden: In das Münchner Zentrum für Gesundheitswissenschaften (MC-Health) und die Pettenkofer School of Public Health München (PSPHLMU).
Das Münchner Zentrum für Gesundheitswissenschaften wurde im Rahmen des LMUinnovativ-Programms gegründet. Es hat sich zum Ziel gesetzt, Forschungsbeiträge zu wichtigen Herausforderungen unseres Gesundheitssystems zu leisten. Es hat eine quantitativ-empirische Ausrichtung und bindet in seiner Arbeit, unter Koordination von Herrn Professor Reiner Leidl, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Professoren aus fünf Fakultäten der LMU sowie weitere Ressourcen aus dem Helmholtz Zentrum München ein. Damit wird eine inhaltliche Zusammenfassung der über die einzelnen Fakultäten verteilten Expertise und eine starke Vertiefung der interdisziplinären Zusammenarbeit erreicht. Der Aufbau wettbewerbsfähiger Forschungskapazitäten wird durch die Kooperation mit dem Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH) erweitert, das substantiell Ressourcen hinzufügt.
Ausbildung
Die Pettenkofer School of Public Health München (PSPHLMU) bündelt Public Health-Aktivitäten in München. Getragen wird sie durch die Medizinische Fakultät der LMU sowie von den beiden Kooperationspartnern, dem Helmholtz-Zentrum München und dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Ihre Aufgabe liegt in der Förderung interdisziplinärer Forschung, Kooperation und Ausbildung. Außerdem soll durch sie die Vernetzung interessierter Institutionen und Partner gestärkt werden, die Außendarstellung koordiniert und wissenschaftliche Kontakte gefördert werden. Wachsende Herausforderungen in der Ausgestaltung des Gesundheitswesens machen eine verstärkte Vernetzung erforderlich, um auf den Gebieten von Medizin und Gesundheit sowie bei der Entwicklung und beim Transfer neuer wissenschaftlicher Methoden in die Praxis eine weitere Verbesserung der Gesundheitsforschung und -förderung sowie der Öffentlichen Gesundheit (Public Health) zu erreichen. Die Pettenkofer School of Public Health München (PSPHLMU) sieht sich mit ihrer Verankerung in der medizinischen Fakultät der medizinnahen Ausrichtung von Public Health verpflichtet. Sie wird wesentlich zum Transfer neuer Konzepte der Prävention und Behandlungsstrategien in die Allgemeinbevölkerung beitragen. Sie integriert bisher zwei Masterprogramme sowie das PhD-Programm Public Health und Epidemiologie.
Seit 2008 gibt es das Bologna-konforme Masterprogramm Public Health (MPH) und einen englischsprachigen Master of Science Epidemiology (MSc). Beide Masterprogramme konzentrieren sich auf Fächer, die eine wichtige und immer stärker werdende Rolle im Gesundheitswesen spielen und qualifizieren für herausfordernde Aufgaben in Forschung, Bildung, Management, Verwaltung, Politik und Industrie. Mit dem WS 2013/2014 steht den Absolventen auch das PhD Programm der Munich Medical Research School (MMRS) Public Health und Epidemiologie zur Weiterqualifikation zur Verfügung. Wir sehen am beruflichen Profil unserer Absolventen wie Versorgungsforschung in ihren Tätigkeiten eine immer größere Rolle spielt.
Eigene Projekte
Neben methodischer Forschung und Ausbildung initiieren wir auch eigene Projekte in der Versorgungsforschung. So ist die AG Mansmann stark in Aspekten der Prävention von kolorektalen Tumoren engagiert. Einerseits untersucht sie in einer eigenen Studie Risikostrukturen beim familiären Darmkrebs und hat die Qualitätssicherungsaktivität zur Koloskopie der KVB wissenschaftlich begleitet. Die AG Hasford beschäftigt sich mit Fragen der Arzneimittelepidemiologie und Pharmakovigilanz. Einen wichtigen Beitrag zur Versorgungsforschung am IBE liefert das Tumorregister München (TRM). Es wurde 1978 von Prof. Dr. Dieter Hölzel am IBE gegründet und wird seit 2009 von Frau Prof. Dr. Jutta Engel geleitet. Als bevölkerungsbezogenes Krebsregister erhebt das TRM alle Krebserkrankungen in einem Einzugsgebiet von derzeit 4,6 Mio. Einwohnern und liefert essentielle Daten zur Qualitätssicherung (Zertifizierung) sowie zur Diskussion von Strategien zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge in der Onkologie. Im Rahmen des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums für Schwindel, Gleichgewichts- und Augenbewegungsstörungen erforscht die AG Grill seit Februar 2012 Epidemiologie und Versorgungsstrukturen von Schwindelerkrankungen. Die AG Coenen/Cieza forscht in Projekten im Bereich psychosoziale Gesundheit. Die AG Schuh ist mit Projekten zur Versorgungsforschung in der Kurmedizin aktiv.