Brustkrebs bei Männern im Vergleich zu Brustkrebs bei Frauen

Signet Jahresbericht 2023

Abstract

Während Brustkrebs bei Frauen der häufigste bösartige Tumor ist, ist er bei Männern eine äußerst seltene Erkrankung. Aus diesem Grund liegen bisher nur wenige Kenntnisse zu Brustkrebs bei Männern vor, was Tumoreigenschaften, Diagnostik, Therapie und Überlebenserwartung betrifft. Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie bei Männern orientieren sich daher vor allem an denen für Frauen. Vor diesem Hintergrund untersuchte das Bayerische Krebsregister im Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in einer Kooperation der Regionalzentren Regensburg und München gemeinsam mit Klinikerinnen und Klinikern in einer bundesweiten Registerstudie prognostische Faktoren, Diagnostik, Therapie und Sterberisiko von Männern im Vergleich zu Frauen.

Hintergrund

In Deutschland erkrankten 2018 69.900 Frauen und 720 Männer an Brustkrebs (Robert Koch-Institut 2022). Dabei haben Frauen ein Risiko von 12,2 %, im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken, bei Männern beträgt dieses Risiko 0,1 %. Der Anteil der Männer an den Brustkrebsneuerkrankungen liegt in unterschiedlichen Studien zwischen 0,6 und 1,0 %. Als gesicherter Risikofaktor für Männer und Frauen gilt eine positive Familienanamnese bei Verwandten ersten Grades, sowie das Vorkommen von BRCA1 oder BRCA2 Mutationen (BReast CAncer Brustkrebsgene 1 und 2).

Sowohl bei Männern als auch bei Frauen stehen erhöhte Östrogen-Spiegel mit einer Risikosteigerung in Zusammenhang. Zudem wurde herausgefunden, dass Beeinträchtigungen der Hodenfunktion mit einer Risikoerhöhung einhergehen, was einen Hinweis auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko bei niedrigen Testosteronspiegeln darstellen könnte. Weitere mögliche Risikofaktoren sind Gynäkomastie, körperliche Inaktivität und vermehrte Strahlenexposition. Ferner gilt Kinderlosigkeit als Risikofaktor für Männer und Frauen, und es wird über den Einfluss von Rauchen, Alkohol, Diabetes, Hyperthyreose, Leberzirrhose, Gallensteinen und Tuberkulose diskutiert.

Aufgrund der Seltenheit des Tumors bei Männern liegen bisher nur wenige Kenntnisse zu Brustkrebs bei Männern vor, was Tumoreigenschaften, Diagnostik, Therapie und Überlebenserwartung betrifft. Vor diesem Hintergrund untersuchte das Bayerische Krebsregister im LGL in einer Kooperation der Regionalzentren Regensburg und München gemeinsam mit Klinikerinnen und Klinikern in einer bundesweiten Registerstudie prognostische Faktoren, Diagnostik, Therapie und Sterberisiko von Männern im Vergleich zu Frauen.

Methoden

Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Tumorzentren hat die Daten projektbezogen für die bundesweite Qualitätskonferenz von den klinischen Krebsregistern erhalten. Das Studienkollektiv setzte sich aus 2.510 (0,8 %) Männern und 307.634 (99,2 %) Frauen aus ganz Deutschland zusammen, deren Diagnosedatum zwischen dem 01.01.2000 und dem 31.12.2018 lag. Mithilfe verschiedener statistischer Methoden erfolgte ein Vergleich von Patienten- und Tumorcharakteristika zwischen Männern und Frauen. Das 5-Jahres-Gesamtüberleben, die Rate an Rückfällen (Rezidiven) und das 5-Jahres-Rezidivfreie Überleben wurden anhand der Kaplan-Meier-Methode geschätzt. Zum Vergleich von Männern und Frauen im Hinblick auf das Gesamtüberleben, die Rezidivrate, das rezidivfreie Überleben und das therapieabhängige Überleben wurden statistische Verfahren verwendet, die einen Vergleich der Sterberaten von Männern und Frauen mittels Hazard Ratios (HR; wichtige Kennzahl in der Überlebensanalyse) und 95 %-Konfidenzintervallen (KI) ermöglichen.

Ergebnisse

Männer zeigten zum Zeitpunkt der Diagnose gegenüber Frauen ein signifikant höheres Diagnosealter und ungünstigere Faktoren, die die Prognose der Erkrankung beeinflussen, z. B. ein höheres Tumorstadium, eine Lymphgefäßinvasion (Eindringen von Krebszellen in Lymphgefäße) und einen ungünstigen Wert für den Zellteilungs-Marker Ki-67 über 25 %. Auch das Risiko für primäre Fernmetastasen (Tumorabsiedlungen fern vom ursprünglichen Tumor) war für Männer im Vergleich zu Frauen signifikant erhöht. Darüber hinaus zeigte sich unter den männlichen Patienten ein höherer Anteil mit positivem Hormonrezeptorstatus und negativem HER2-Status.

Die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate lag für Frauen bei 80,4 % und für Männer bei 69,6 % (siehe Abbildung). Es ergab sich für Männer gegenüber Frauen eine 76 % höhere Sterberate (HR 1,8; 95 % KI: 1,7-1,9; p<0,001). Auch nach Einbeziehung verschiedener Prognosefaktoren wie beispielsweise Diagnosealter, Tumorseite, Histologie, Stadium, Grading oder Diagnosejahr blieb das Sterberisiko für Männer weiterhin höher als bei Frauen (HR 1,3; 95 % KI: 1,2-1,4; p<0,001). Die unterschiedlich verteilten Prognosefaktoren waren für etwa 44 % der Differenz des Sterberisikos verantwortlich, konnten aber aus statistischer Sicht den Überlebensnachteil der Männer nicht vollständig erklären.

In der Überlebensanalyse zeigte sich auf Basis der Kaplan-Meier-Methode ein deutlich schlechteres Überleben bei Männern im Vergleich zu Frauen mit Brustkrebs.

Abbildung: In der Überlebensanalyse zeigte sich auf Basis der Kaplan-Meier-Methode ein deutlich schlechteres Überleben bei Männern im Vergleich zu Frauen mit Brustkrebs.

Die Anteile leitlinienkonform durchgeführter Diagnostik waren bei Männern und Frauen vergleichbar. Insgesamt erhielten 88,3 % der Männer und 89,8 % der Frauen mit klinisch unauffälligen Lymphknoten (cN0) die angezeigte Sentinel (Wächterlymphknoten)-Biopsie (p = 0,360).

Ein weiterer prüfbarer Aspekt war die Therapie: beim Vergleich systemischer Therapien, z. B. Chemotherapien, waren die Behandlungsraten bei Männern um 10 % bis 24 % niedriger als bei Frauen. Auch unter Berücksichtigung der systemischen Therapien in den statistischen Untersuchungen blieb das Sterberisiko der Männer gegenüber den Frauen erhöht.
Wichtig war der zusätzliche Nachweis, dass die leitlinienkonforme Therapie, sofern sie denn durchgeführt wurde, bei Männern einen ähnlich positiven Effekt auf das Überleben hatte wie bei Frauen.

Fazit

Auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Prognosefaktoren und Behandlungsraten bleibt das Sterberisiko bei Männern mit Brustkrebs höher als bei Frauen. Andere Einflüsse – möglicherweise Lebensstil und biologische, insbesondere hormonelle Faktoren – könnten hierbei von Bedeutung sein. In zukünftigen Studien sollten diese mit einbezogen werden, um Unterschiede im Überleben bei Brustkrebs zwischen Männern und Frauen zu erklären und mögliche Verbesserungen für männliche Patienten zu finden. Die Empfehlungen der Leitlinien für Brustkrebs bei Frauen sollten auch für Männer durch behandelnde Ärztinnen und Ärzte konsequent durchgeführt werden (siehe Interdisziplinäre S3 -Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms 2021).

Referenz

Graf, M., Gerken, M., Klinkhammer-Schalke, M., Schrodi, S., Engel, J., Pauer, A., Ortmann, O. & Inwald, E. C. (2023). Vergleich von klinischen, histopathologischen, therapeutischen Faktoren und Überleben zwischen 2510 männlichen und 307634 weiblichen Patientinnen mit bösartigen Neubildungen der Brust–Ergebnisse einer großen populationsbasierten Kohortenstudie in Deutschland. Geburtshilfe und Frauenheilkunde, 83(06), 739-739. DOI: 10.1055/s-0043-1768844

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