Aufnahme von Partikeln nach oraler Zufuhr
Untersuchungsergebnisse 2018

Hintergrund

Synthetische Partikel werden mittlerweile weltweit in vielen Technikfeldern und Industriezweigen zur Optimierung von Produkten und Produktionsprozessen eingesetzt. Gleichzeitig steigt aber auch das Risiko einer Weiterverteilung in verschiedene Umweltmedien und einer Anreicherung von synthetischen Partikeln in der Nahrungskette des Menschen. Dies betrifft in erster Linie Partikel, die nicht in einer festen Matrix eingebunden, sondern auf Trägermaterialien fixiert sind. Dazu gehören beispielsweise Bedarfsgegenstände, die mit Nanosilber beschichtet sind, um deren Haltbarkeit zu erhöhen, aber auch Funktionstextilien (zum Beispiel Sportbekleidung, Socken) und Medizinprodukte (beispielsweise Langzeitkatheter, Wundauflagen) mit antimikrobieller Ausrüstung durch Nanosilber. Häufig werden zur Optimierung von Verbraucherprodukten auch Kohlenstoffnanoröhren und Nanopartikel aus Zinkoxid sowie Titan- und Siliziumdioxid eingesetzt. Aufgelagerte Nanopartikel, beispielsweise auf Lebensmittelverpackungen, können durch Abrieb oder Auswaschung direkt in die Nahrungsmittel eindringen oder werden vom Menschen nach Freisetzung in der Umwelt über das Trinkwasser aufgenommen. Dies befördert Diskussionen, ob durch den Eintrag von synthetischen Partikeln in Lebensmittel auch mit einer erhöhten Gesundheitsgefährdung für den Verbraucher gerechnet werden muss. Zur Beantwortung dieser Frage hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ein umfangreiches Humanbiomonitoring durchgeführt.

Human-Biomonitoring zur Bestimmung der Bioverfügbarkeit von Partikeln

Durch das Human-Biomonitoring sollte geklärt werden, ob und in welchem Umfang synthetische Partikel nach oraler Zufuhr aus dem Magen-Darm-Trakt ins Blut aufgenommen werden (Bioverfügbarkeit). Im Fokus der Untersuchungen standen Partikel, die sich durch äußere Einträge in der unmittelbaren Lebenswelt des Menschen anreichern, beispielsweise Silber, oder in größeren Mengen industriell eingesetzt werden wie etwa Titandioxid. Beide Stoffe werden sowohl als Nanopartikel als auch in ihrer mikroskaligen Form verwendet. Mikroskaliges Titandioxid (E171) findet beispielsweise als „Weißmacher“ in verschiedenen Lebensmitteln, kosmetischen Mitteln und Medikamenten Verwendung. Mikroskaliges Silber wird ebenso wie Nanosilber aufgrund seiner antimikrobiellen Eigenschaften in verschiedenen Produkten eingesetzt. Das LGL hat die Silber- und Titandioxidpartikel vor Versuchsbeginn mit unabhängigen Analysemethoden eingehend charakterisiert. An zwei Versuchstagen nahmen die Teilnehmer des Biomonitorings jeweils eine wässrige Suspension, die Nano- oder Mikropartikel desselben Metalls enthielt, oral auf. Zusätzlich haben die Teilnehmer partikelfreies Wasser getrunken und ein Käsebrötchen gegessen. Ein Studienarzt nahm den Probanden daraufhin über neun Stunden alle 60 Minuten Blutproben ab, eine weitere Blutprobe nach 24 Stunden. Zusätzlich wurde für 24 Stunden der Urin gesammelt. Anschließend bestimmte das LGL die Konzentrationen von Titan und Silber in den Blut- und Urinproben und berechnete den zeitlichen Verlauf der Partikelaufnahme.

Untersuchungsergebnisse

Titandioxid

Die Ergebnisse des Human-Biomonitorings zeigen, dass oral zugeführtes Nanotitandioxid genauso schlecht bioverfügbar ist wie Mikrotitandioxid. Aufgrund der geringen inneren Exposition ist das Gesundheitsrisiko beim Verzehr von Lebensmitteln, die Nanotitandioxid enthalten, nicht erhöht. Nanotitandioxid ist damit ebenso wie die mikroskalige Form (E171) als toxikologisch unbedenklich zu bewerten.

Silber

Mit der Nahrung aufgenommene Nanosilberpartikel sind hingegen signifikant besser bioverfügbar als mikroskalige Silberpartikel. Die Aufnahme über den Darm liegt allerdings auf niedrigem Niveau. Bezieht man die geringen Konzentrationen von Nanosilber in Lebensmitteln, zum Beispiel im Trinkwasser, in die Bewertung mit ein, so ist im Vergleich zum Mikrosilber nicht von einer erhöhten Gesundheitsgefährdung auszugehen.

Lebensmittelanalytik und Biomonitoring
Mehr Schutz für Verbraucher

Die im Rahmen der Human-Biomonitorings gewonnenen Ergebnisse verbessern die Risikobewertung von partikelbelasteten Lebensmitteln auf Grundlage genauer Informationen zur Bioverfügbarkeit. Die Pilotstudie unterstreicht die Bedeutung des Biomonitorings für die Lebensmittelüberwachung. Die Konzentration einer Kontaminante im Lebensmittel lässt sich mithilfe des Biomonitorings direkt mit der Höhe der inneren Exposition nach oraler Aufnahme in Beziehung setzen. Der kombinierte Ansatz, Messdaten aus der Lebensmittelanalytik und dem Biomonitoring gemeinsam zu bewerten, schafft ein höheres Maß an Lebensmittelsicherheit (Integrative Lebensmittelsicherheit) und liefert für den modernen Verbraucherschutz praxisrelevante Daten mit hohem prädiktivem Wert.