Belastung und Beanspruchung der bayerischen Bevölkerung mit Acrylamid und aromatischen Aminen

Laufzeit: 2003-2005

Das Projekt wurde vom Sachgebiet Chemikaliensicherheit und Toxikologie des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zusammen mit dem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg (IPASUM) und den bayerischen Gesundheitsämtern im Auftrag des Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit durchgeführt.

Hintergrund

Acrylamid in Lebensmitteln machte in den Jahren 2002 und 2003 Schlagzeilen. Deshalb informierte das LGL die Öffentlichkeit über die wichtigsten Stoffeigenschaften, über Entstehungsprozesse und Acrylamidbelastungen von Lebensmitteln.

Bekannte Expositionsquellen und Informationen zur Toxikologie wurden vom Sachgebiet Toxikologie und Chemikaliensicherheit durch Auswertung der wissenschaftlichen Literatur in Band 14 Materialien zur Umweltmedizin zusammengestellt.

Aromatische Amine sind von Interesse, da eine Reihe dieser Verbindungen als krebserzeugende Substanzen ein hohes Gesundheitsrisiko darstellt. Anilin wird zum Beispiel seit Jahrzehnten mit der Entstehung von Blasenkrebs am Arbeitsplatz in Verbindung gebracht. In Deutschland hat Blasenkrebs jährlich einen Anteil von ca. 5 % an den Krebsneuerkrankungen in der Bevölkerung. Welchen Beitrag die aromatischen Amine bei der Krebsentstehung der Bevölkerung leisten, ist dennoch unklar.

Aromatische Amine treten ubiquitär in der Umwelt des Menschen auf, weshalb der Mensch über viele Quellen mit dieser Stoffklasse in Kontakt kommt (siehe Downloads rechts). Schlagzeilen in den Medien wie "Haarfärbemittel sollen Blasenkrebs erhöhen" oder "Gift im Leder" verdeutlichen dies. Eine systematische Untersuchung zur Höhe der Belastung der Bevölkerung, zur Klärung der Beiträge einzelner Expositionsquellen und zu den mit diesen Belastungen verbundenen Gesundheitsrisiken lag zur Zeit der Projektplanung dennoch nicht vor. Deswegen wurde diese Substanzklasse in die Untersuchungen einbezogen.

Ziel, Projektdurchführung

Mit dem Projekt sollte ein Beitrag geleistet werden, das Gesundheits- bzw. Krebsrisikos in der Bevölkerung durch die Aufnahme von Acrylamid zu beschreiben. Folgende offene Fragen sollten geklärt werden:

  • Welche Expositionsquellen tragen in welchem Umfang zur Gesamtbelastung einzelner Personen bei?
  • Wie stark schwankt die Belastung bzw. Beanspruchung einzelner Personen in der Bevölkerung? Gibt es besonders belastete Risikogruppen?

Untersucht werden sollten 1000 Probanden mit Alter ab 6 Jahren aus allen Regionen Bayerns. Die Teilnehmer füllten einen Fragebogen aus, mit dem die wichtigsten Expositionsquellen erfasst wurden, und erhielten eine Blut- und Urinuntersuchung. In den Blutproben wurden Reaktionsprodukte der Stoffwechselprodukte von aromatischen Aminen und Acrylamid mit dem roten Blutfarbstoff und in den Urinproben die über die Nieren ausgeschiedenen aromatischen Amine bestimmt.

Die Untersuchungsergebnisse wurden den Studienteilnehmern durch die Ärzte der Gesundheitsämter mitgeteilt.

Ergebnisse zur Werbung der Probanden

Bei den Studienteilnehmern handelte es sich zum größten Teil um Personen, die über Medien oder gezielte Werbeaktionen auf die Studie aufmerksam gemacht wurden und sich zur Teilnahme bereit erklärten ("freiwillige Probanden").

Um sich dem Ziel einer repräsentativen bayerischen Bevölkerungsstichprobe zu nähern und eventuelle Verzerrungen in der Stichprobe der freiwilligen Probanden (wie z. B. Selektion von Personen mit überdurchschnittlichem Gesundheitsbewusstsein) zu erkennen, wurden zusätzlich potentielle Studienteilnehmer zufällig ausgewählt, die für die Teilnahme gewonnen werden mussten.

Startschuss der Werbeaktion war eine Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Sinner am LGL in Erlangen am 12. Mai 2003. Durch zahlreiche lokale Presseveröffentlichungen, gezielte Plakataktionen mit Postern des LGL bei Aktionstagen wie "Bayern will 's Wissen " an den Landratsämtern und Telefonkontakten mit potentiellen Studienteilnehmern durch Mitarbeiter des LGL wurde die Probandenwerbung forciert vorangetrieben.

Das LGL konnte bis Januar 2004 zusammen mit den Gesundheitsämtern 1133 Männer, Frauen und Kinder mit Alter ab 6 Jahren für die Teilnahme gewinnen. Dazu mussten im Zeitraum Mai 2003 bis November 2003 insgesamt 1778 Haushalte (Familien mit bis zu 6 Familienmitgliedern und Einzelpersonen) und 1261 Einzelpersonen angeschrieben werden. 80 freiwillige Probanden stammten aus einer Vorstudie, die IPASUM zusammen mit dem Gesundheitsamt Kitzingen durchgeführt hatte.

Die regionale Verteilung der Probanden und das Verhältnis der angeschriebenen Haushalte und Einzelpersonen zu den Studienteilnehmern sind in den folgenden Graphiken dargestellt.

Abbildung 1: Regionale Verteilung der Studienteilnehmer:

Säulendiagramm: Regionale Verteilung der Probanden - Zusammenfassung siehe Text unten

Abbildung 2: Anzahl angeschriebene Haushalte und Studienteilnehmer:

Säulendiagramm: Verhältnis angeschriebene Haushalte zu Studienteilnehmern - Zusammenfassung siehe Text unten

Die Blutabnahmen wurden von den Ärzten des Gesundheitsamtes durchgeführt. Das LGL organisierte das Verteilen von Probenahmematerialien und den Probentransport.

Im März 2005 wurden Einzelbefunde erstellt und den Probanden zugesandt. Probanden mit erhöhten Werten wurde eine Beratung am Gesundheitsamt angeboten. Um diese Beratungstätigkeit zu unterstützten, führte das LGL zusammen mit IPASUM eine Informationsveranstaltung in Erlangen durch und erstellte ausführliche Beratungsunterlagen vor allem zu möglichen Ursachen für die internen Belastungen der Probanden. Nachuntersuchungen wurden in Einzelfällen angeboten. Insgesamt wurde an drei Gesundheitsämtern davon Gebrauch gemacht.

Ergebnisse

Die Ergebnisse wurden in mehreren Veröffentlichungen dargestellt und wichtige Befunde auch in den folgenden Beitrag aufgenommen:

Belastung der bayerischen Bevölkerung mit Acrylamid

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

  • Kütting, B., Schettgen, T., Schwegler, U., Fromme, H., Uter, W. Angerer, J., Drexler, H. (2009) Acrylamide as environmental noxious agent - a health risk assessment for the general population based on a new proposal of reference values for an internal burden of acrylamide. Int. J. Hyg. Environ. Health 212(3): 298-309
    (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19230763)
  • Kütting, B., Göen, T., Schwegler, U., Fromme, H., Uter, W., Angerer, J., Drexler, H (2009) Monoarylamines in the German general population – a cross-sectional population based study on 1004 subjects. Int. J. Hyg. Environ. Health 212(3): 298-309
    (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18789761)
  • Hartmann, E.C., Boettcher, M.I., Schettgen, T., Fromme, H., Drexler, H., Angerer, J. (2008) Hemoglobin adducts and mercapturic acid excretion of acrylamide and glycidamide in one study population. J. Agric. Food. Chem. 13: 6061-6068
    (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18624428)

Weiterführende Literatur

Acrylamid:

  • T. Schettgen, H. Drexler, J. Angerer (2002) Arylamid in der deutschen Allgemeinbevölkerung - eine Abschätzung der täglichen Aufnahme. Umweltmed. Forsch. Prax 7(6), 331-336.
  • S. Madle, L. Bronschinski, O. Mosbach-Schulz, G. Schöning, A. Schulte (2003) Zur aktuellen Risikobewertung von Acrylamid in Lebensmitteln. Bundesgesundheitsbl-Gesundheitsforsch-Gesundheitsschutz 46(5), 405-415.
  • E. Tareke, P. Rydberg, P.Karlsson, S. Eriksson, M.Törnquist (2002) Analysis of acrylamid, a carcinogen formed in heated foodstuffs. J.Agric. Food Chem. 50, 4998-5006.
  • F.Granath, M.Törnquist (2003) Who knows whether acrylamid in food is hazardous to humans? J. Nat. Cancer Inst., 95(12), 842-843.

Aromatische Amine:

  • T. Weiß, U. Ewers, A. Flieger, J. Angerer (2000) Innere Belastung der Allgemeinbevölkerung mit Amino- und Nitroaromatischen Verbindungen. Umweltmed. Forsch. Prax. 5 (2), 101-106.
  • E. Richter, B. Branner (2002) Biomonitoring of exposure to aromatic amines: haemoglobin adducts in humans. J. Chromatogr. B 778 (1-2), 49-62.
  • T. Weiss, J. Angerer (2002) Simultaneous determination of various aromatic amines and metabolites of aromatic nitro compounds in urine for low level exposure using gas chromatography-mass spectrometry. J. Chromatogr. B 778 (1-2), 179-192.

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