Studie zum Vorkommen von perfluorierten Substanzen im Blut der bayerischen Bevölkerung

Im Rahmen der Untersuchung war es Ziel, die Belastung der erwachsenen bayerischen Bevölkerung mit perfluorierten Substanzen an einer größeren Bevölkerungsgruppe zu ermitteln.

In der Studie wurden die vorgenannten Verbindungen im Blut von ca. 300 bayerischen Blutspendern gemessen. Darüber hinaus wurde auch das Blut von 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Studien "Projekte zur pfadübergreifenden Erfassung und gesundheitlichen Bewertung der Exposition gegenüber endokrin aktiven und persistenten Substanzen" in die Untersuchung einbezogen. Die Proben von Blutspendern wurden vom Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes und vom Blutspendedienst der Stadt München im November 2005 genommen. Die Blutspender kamen aus der Stadt München und zwei oberbayerischen Landkreisen.

Die Studie wurde gemeinsam mit dem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt.

Projekte zur pfadübergreifenden Erfassung und gesundheitlichen Bewertung der Exposition gegenüber endokrin aktiven und persistenten Substanzen

Hintergrund zu den untersuchten Substanzen

Erst relativ spät um das Jahr 1930 setzte die industrielle Entwicklung der organischen Fluorchemie ein. Wesentlicher Auslöser war in diesem Zusammenhang die Entdeckung der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die aufgrund ihrer physiko-chemischen Eigenschaften (z. B. chemisch inert, nicht brennbar) und einer geringen Toxizität in großem Umfang als Kältemittel eingesetzt wurden. Erhebliche Nachteile dieser Substanzen, vermittelt durch ihre extreme Langlebigkeit unter atmosphärischen Bedingungen und Schädigung der Ozonschicht durch Bildung von Chlorradikalen, wurden erst im Verlauf des großtechnischen Einsatzes immer deutlicher.

Im Mittelpunkt der Untersuchung sollten die perfluorierten Kohlenwasserstoffe bzw. eine wesentliche Gruppe, die Perfluortenside stehen. Zwei wichtige Vertreter dieser Stoffklasse, Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA), standen zur Zeit der Projektplanung in der wissenschaftlichen Diskussion. Sie konnten aufgrund ihrer chemischen Stabilität in fast allen biotischen und abiotischen Umweltbereichen und auch in menschlichen Untersuchungsmaterialien nachgewiesen werden.

Verwendung

Aufgrund ihrer thermischen und chemischen Stabilität, ihrer Beständigkeit gegenüber UV-Strahlung und Verwitterung sowie der schmutz-, farb-, fett-, öl- und wasserabweisenden Eigenschaften fanden PFOS-Verbindungen in einer Vielzahl von Industrie- und Konsumprodukten Anwendung.

PFOA-Verbindungen wurden demgegenüber im Wesentlichen nur als Prozessierungshilfe (Emulgatoren) in der Herstellung von Fluorpolymeren eingesetzt. Eine Belastung der Umwelt war somit insbesondere durch Emission während des Herstellungsprozesses und durch Verunreinigung in Polymeren sowie anderen Anwendungen zu befürchten.

In einem Bericht zur Verbrauchssituation in Großbritannien wurde davon ausgegangen, dass vor dem Jahr 2000 der wesentliche Einsatzbereich von PFOS im Bereich der Papier-, Verpackungs- und Teppichbehandlung lag und nur zum geringen Teil in der Elektro- und Elektronikindustrie bzw. als Zwischenprodukt in der chemischen Industrie.

Kenntnisse zur internen Belastung

Messungen von beruflich exponierten Personen:

Lediglich von den beiden großen Herstellern 3M und DuPont lagen Ergebnisse zum Human-Biomonitoring beruflich belasteter Mitarbeiter aus den Jahren 1995 bis 2002 vor. Es handelte sich um Arbeiter, die sowohl im Prozess der Herstellung von perfluorierten Chemikalien als auch in der Weiterverarbeitung zu Endprodukten exponiert waren. Es zeigten sich teilweise hohe Belastungen mit insgesamt leicht fallender Tendenz, allerdings konnten z. B. aufgrund der Probengewinnung keine wirklich validen Aussagen zur zeitlichen Entwicklung der internen Belastung gemacht werden.

Messungen in der allgemeinen Bevölkerung:

Die PFOS-Ergebnisse der allgemeinen Bevölkerung aus europäischen Ländern bewegten sich im Bereich von 1-116 µg/l und die mittleren Konzentrationen zwischen 4,3 und 53 µg/l, während in den USA die Gehalte zwischen 1 und 1656 µg/l bzw. im Mittel zwischen ca. 18-37 µg/l lagen. In einer weltweiten Untersuchung von 473 Proben aus 9 Ländern wurden die höchsten Gehalte in den USA und Polen, mittlere Konzentrationen in Belgien, Italien, Korea, Malaysia, Sri Lanka und Brasilien und die geringsten Belastungen in Indien beobachtet. Auch in anderen Untersuchungen wurden z. T. sehr deutliche regionale Unterschiede im Belastungsniveau gesehen. So lagen in einer amerikanischen Studie die Medianwerte in 6 unterschiedlichen Regionen zwischen 29,5 und 48,9 µg/l und das 90. Perzentil zwischen 48,7 und 105,3 µg/l.
Bei der Projektplanung lagen zwei Studien vor, in denen versucht wurde, die zeitliche Entwicklung der Belastungssituation in der Bevölkerung abzubilden. In beiden Fällen wurde eine deutliche Zunahme der Gehalte an PFOS und PFOA im Blut beobachtet.

Gesundheitliche Bedeutung

Die Studienergebnisse zu PFOS hatten Halbwertszeiten von im Mittel ca. 9 Jahren ergeben. Dies deutete darauf hin, dass Menschen PFOS und PFOA im Vergleich zu allen anderen bisher untersuchten Spezies nur sehr langsam ausscheiden und es zu einer Akkumulation im Organismus kommen kann.
Perfluorierte Substanzen besitzen eine mäßige akute Toxizität. Im Rahmen der subchronischen Toxizität zeigten Versuche an Ratten, Mäusen und Primaten sehr einheitlich ein hepatotoxisches Potential und eine vermehrte Mortalität als wesentliche Endpunkte. Bei sehr hohen Dosen wurden im Tierexperiment bei Mehr-Generationenstudien Störungen in der Entwicklung der Nachkommen beobachtet. Verschiedene Studien zeigten zudem, dass PFOS und PFOA Lebertumoren in Nagetieren auslösen können. Dieser Mechanismus scheint über eine Peroxisomenproliferation erklärt werden zu können. Da dieser Wirkungsmechanismus bei Primaten deutlich geringere Bedeutung hat als bei Nagetieren, ist seine Bedeutung für den Menschen nicht abschließend geklärt. Die US-EPA kam zu dem Ergebnis, dass bei Berücksichtigung aller bislang vorliegenden wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht sicher beurteilt werden kann, was die bei Ratten beobachteten Befunde zur Kanzerogenität hinsichtlich einer möglichen Tumorauslösung beim Menschen bedeuten. Das Scientific Advisory Board der US-EPA stufte PFOA als "wahrscheinliches Kanzerogen" ein.

Ergebnisse:

Bei den Teilnehmerinnen bewegten sich die PFOS- bzw. PFOA-Gehalte im Plasma zwischen 2,5 und 30,7 µg/l (Median: 10,9 µg/l) bzw. zwischen 1,5 und 16,2 µg/l (Median: 4,8 µg/l). Bei den Männern lagen die Konzentrationen für PFOS bei 2,1 bis 55,0 µg/l (Median: 13,7 µg/l) und für PFOA bei 0,5 bis 19,1 µg/l (Median: 5,7 µg/l).
Eine signifikante Korrelation konnte zwischen den PFOS- und PFOA-Gehalten beobachtet werden. Zudem waren die Gehalte beider Substanzen statistisch signifikant vom Geschlecht abhängig. Darüber hinaus konnte partiell auch eine Altersabhängigkeit der Konzentrationen beobachtet werden.

Die Ergebnisse der Studie sind veröffentlicht und online verfügbar unter:
Fromme H, Midasch O, Twardella D, Angerer J, Boehmer S, Liebl B
Occurrence of perfluorinated substances in an adult German population in southern Bavaria.
International Archives of Occupational and Environmental Health 2007, 80/4, 313-319
(http://www.springerlink.com/content/gg3l86877128v1j3/ )

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