Human-Biomonitoring auf „neue“ und gesundheitlich bedeutsame Substanzen im Rahmen des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes

Das Projekt wurde im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention vom Sachgebiet Chemikaliensicherheit und Toxikologie sowie dem Sachgebiet Pflanzenschutzmittel, Umweltkontaminanten, Nitrosamine, Radioaktivität, Bestrahlung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Kooperation mit Eurofins (Deutschland), der Pohang University of Science and Technology (Korea), dem Norwegian Institute for Air Research (Norwegen) und dem Norwegian Institute of Public Health (Norwegen) durchgeführt.

Hintergrund

Das Human-Biomonitoring (HBM) ist eingebettet in ein System zur Erfassung und Überwachung von Umwelteinflüssen auf den Menschen und vervollständigt die im Umweltmonitoring und im Rahmen des Verbraucherschutzes erhobenen Daten zur äußeren Exposition. Unter HBM versteht man die Messung der Konzentration von Fremdstoffen oder deren Stoffwechselprodukten (Metabolite) in menschlichen Untersuchungsmaterialien wie Blut, Urin oder Speichel. Es dient somit als Maß für die tatsächlich vom Organismus aufgenommene Schadstoffdosis über alle Aufnahmepfade und spiegelt zudem die individuellen Besonderheiten bezüglich der Aufnahme, Speicherung, Metabolisierung und Ausscheidung des Fremdstoffes im menschlichen Organismus wieder. In der Umwelttoxikologie, Umweltmedizin und Umweltepidemiologie gehört das Human-Biomonitoring zum gängigen Instrumentarium bei der Abschätzung der tatsächlich aufgenommenen Schadstoffmengen und des damit verbundenen Gesundheitsrisikos sowohl bei Einzelnen als auch Bevölkerungsgruppen. Es kann darüber hinaus zur Expositionskontrolle von Einzelpersonen dienen, um nach ergriffenen Maßnahmen eine Minderung der inneren Exposition zu belegen. Das Human-Biomonitoring kann aber auch zur Beobachtung der Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf die menschliche Gesundheit eingesetzt werden. Dazu werden Entwicklungstrends von bestimmten Schadstoffen in bestimmten Regionen und über bestimmte Zeitintervalle beobachtet.

Als biologische Materialien im HBM werden in der Regel Blut und Urin, im Einzelfall aber auch Ausatemluft und Speichel benutzt. Bei speziellen Fragestellungen kommen Haare, Zähne und Nägel und sehr selten Material aus invasiven oder nicht-invasiven Eingriffen wie z. B. Fettgewebe, abgeschilferte Zellen der Mundschleimhaut, Zellen des Nieren- und Blasenepithels oder des Lungengewebes in Frage. Die geplante Untersuchung beschränkt sich gezielt auf die Matrix Blut. Als zentrales Kompartiment im menschlichen Organismus spiegelt Blut insbesondere für sehr langlebige, ggf. akkumulierende Substanzen die korporale Belastung wieder. Daher werden Untersuchungen auf in der Umwelt persistente Stoffe in diesem Medium durchgeführt.

Wesentliche Ziele des Projektes

Im Rahmen des Projektes wurde in 42 Blutproben ein breites Spektrum an Stoffen untersucht. Die Zielrichtung lag darin, grundlegende Erkenntnisse zur aktuellen Belastung mit gesundheitlich bedeutsamen Substanzen zu erhalten. Es handelt sich bei allen Substanzen um Stoffe, die intensiv in der öffentlichen und fachlichen Diskussion stehen. Viele besitzen ein endokrin aktives oder reproduktions- bzw. neurotoxisches Potential. Trotzdem sind bei einigen von ihnen in Deutschland keine oder kaum Daten zum Vorkommen im Blut verfügbar, was sich zum Teil mit der sehr aufwendigen Analytik erklären lässt. Diese Situation ist im Rahmen der Risikoabschätzung äußerst unglücklich und erschwert die Einschätzungen von gesundheitlichen Risiken. Aufgrund der aufwendigen Analytik kam nur eine kleinere Anzahl an Proben in Betracht.

Durchführung

Es wurden 42 Plasmaproben von Blutspendern durch das Bayerische Roten Kreuz gewonnen. Im Rahmen des Projektes wurden in diesen Proben die nachfolgenden Substanzklassen untersucht:

  • 17 polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PCDDs/Fs)
  • 4 dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle (dlPCBs)
  • 6 polychlorierte Biphenyle (Standard-Kongenere) (PCBs)
  • 13 bolybromierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane (PBDDs/Fs)
  • 17 bolybromierte Diphenylether (PBDEs)
  • 3 Hexabromcyclododecan-Isomere (HBCDs)
  • 33 polychlorierte Naphthaline (PCNs)
  • 3 zyklische Methylsiloxane (Octamethylcyclotetrasiloxan [D4], Decamethylcyclopentasiloxan [D5] und Dodecamethylcyclohexasiloxan [D6])
  • 4 Dechlorane (Dechlorane Plus® [syn- and anti-DDC-CO], Dechlorane 602 [DDC-DBF] und Dechlorane 603 [DDC-Ant]

Ergebnisse

Die medianen Gehalte für PCDDs/Fs und dioxin-ähnliche PCB (dlPCBs) (95. Perzentile in Klammern), ausgedrückt als WHO-TEQ, lagen bei 6,2 (19,1) pg/g Blutfett und 4,1 (8,8) pg/g Blutfett. Für die Summe der PBDDs/Fs ergaben sich Konzentrationen von 2,8 pg TEQ/g Blutfett (Median) bzw. 8.7 pg TEQ/g Blutfett (95. Perzentil). Der Anteil der PCDDs/Fs, dlPCBs und PBDDs/Fs an den Gesamtgehalten lag bei 43 %, 29 % bzw. 23 %. Für die Summe der 6 Standard-PCB-Kongenere ergaben sich 267 ng/g Blutfett (Median) bzw. 834 ng/g Blutfett (95. Perzentil).

Der Median der Summe der 6 tetra- bis heptabromierten PBDE-Kongenere lag bei 1,7 ng/g Blutfett (95. Perzentil: 4,9 ng/g Blutfett). Das Kongener BDE 209 war das Kongener mit den höchsten Messwerten. Die Konzentration lag im Median bei 1,8 ng/g Blutfett.
HBCDs konnten nur in einigen wenigen Proben oberhalb der analytischen Nachweisgrenze von 5 ng/g Blutfett gefunden werden, sie laben aber immer unter der Bestimmungsgrenze von 16 ng/g Blutfett.

Für die Summe der PCNs ergab sich ein Median von 575 pg/g Blutfett (Spannweite: 101 - 1405 pg/g Blutfett). Im Mittel werden die Konzentrationen im Blut insbesondere durch die Kongenere CN73, CN66/67 und CN51 bestimmt, die für 71 % der Gesamtgehalte an PCNs verantwortlich waren.

Die zyklische Methylsiloxane konnten nur in wenigen Proben bestimmt werden. Die Maximalgehalte lagen bei 0,73 (D4), 0,48 (D5) und 0,79 µg/l (D6).
Die medianen Gehalte der beiden Isomere von Dechlorane Plus (DDC-CO) lagen bei 1,23 ng/g Blutfett für das anti- und 0,77 ng/g Blutfett für das syn–DDC-CO, die Werte für DDC-DBF und DDC-Ant betrugen jeweils 0,46 ng/g Blutfett.

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

Bisher liegen folgende Veröffentlichungen vor:

  • H. Fromme, E. Cequier, J.-T. Kim, L. Hanssen, B. Hilger, C. Thomsen, Y.-S. Chang, W. Völkel (2015) Persistent and emerging pollutants in the blood of German adults: occurrence of dechloranes, polychlorinated naphthalenes, and siloxanes. Environ Int 85: 292-298. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26453819)
  • H. Fromme, B. Hilger, M. Albrecht, W. Gries, G. Leng, W. Völkel (2015) Occurrence of chlorinated and brominated dioxins/furans, PCBs, and brominated flame retardants in blood of German adults. Int J Hyg Environ Health, 219(4-5): 380-388. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27067547)

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