Humane Toxikokinetikstudie nach oraler Aufnahme von Monoethylhexylphthalat (MEHP) und Monobutylphthalat (MBP)

Das Projekt wurde gemeinsam vom Sachgebiet Chemikaliensicherheit und Toxikologie des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und dem Institut und der Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität durchgeführt.

Hintergrund

Phthalate sind Ester der 1,2-Benzoldicarbonsäure (ortho-Phthalsäure) und befinden sich seit über 40 Jahren im großtechnischen Einsatz. Aufgrund ihrer chemisch-physikalischen Charakteristika werden Phthalate, und in der Vergangenheit vor allen Dingen das Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) und das Dibutylphthalat (DBP), zu ungefähr 90 % als Weichmacher insbesondere bei der Herstellung von Weich-PVC und anderen Polymerisaten eingesetzt. Deshalb fanden sie Anwendung in vielen Produkten der Medizin wie Infusions- und Dialysebeuteln, Handschuhen und Kontaktlinsen. Weitere Anwendungsbereiche waren der Einsatz als Dielektrikum in Kondensatoren, Entschäumer bei der Papierherstellung, Emulgatoren für Kosmetika, Hilfsstoffe in Pharmaka, Textilhilfsstoffe, Beschichtungssysteme, Formulierungsmittel in Pestiziden, Betonzusatzstoffe, in Klebstoffen, Farben/Lacken und Dichtungsmassen. Da DEHP mittlerweile ubiquitär gefunden werden kann, führt es zu einer unvermeidlichen Belastung der Allgemeinbevölkerung. Ähnliches gilt für Di-n-butylphthalat (DnBP), das in größeren Mengenanteilen auch in anderen, zum Teil sehr speziellen Anwendungen eingesetzt wird.

DEHP und DnBP erwiesen sich im Tierexperiment als toxikologisch wirksame Phthalsäureester mit den Testes als empfindlichsten Organen. Wesentliche Eckpunkte zur Exposition und Toxikologie dieser Substanz wurden z. B. in einem umfangreichen Risk Assessment Report der EU zusammengestellt (ECB, 2004). Testes-toxische Wirkungen waren dabei abhängig von der Dosis und dem Alter der Versuchstiere, wobei sich juvenile Tiere am empfindlichsten zeigten. Bei dem sich entwickelnden Fetus steht eine antiandrogene Wirkung im Vordergrund. Diese Effekte von DEHP werden auf die Bildung von Metaboliten zurückgeführt, wobei Mono-(2-ethylhexyl)phthalat (MEHP) im Vordergrund steht (Daalgard et al., 2001; Jones et al., 1993; Li et al., 2000; Richburg and Boekelheide, 1996; Sjöberg et al., 1986b; Svechnikov et al., 2008; Teirlynck et al., 1988). Gleiches gilt für das DBP bzw. seinen Metaboliten, das Monobutylphthalat.

Eine Toxikokinetikstudie zum DEHP selbst wurde vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Sachgebiet Chemikaliensicherheit und Toxikologie) gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum München (Institut für Toxikologie) durchgeführt (Humane Toxikokinetikstudie mit Di(2-ethylhexyl)phthalat ).

Während also erste Daten zur Toxikokinetik der Diester vorlagen, war nicht bekannt, ob auch deren Metabolite, die sich in der Umwelt durch Hydrolyse aus den Diestern bilden können, nach oraler Zufuhr aufgenommen werden können. Erste Ergebnisse einer Verzehrsstudie aus dem Vereinigten Königreich gaben Hinweise, dass MEHP und MnBP (Hydrolysat des DnBP) in Mengen gefunden werden, die zu einer deutlich Erhöhung der Zufuhr führen könnten (COT 2011). Dies hätte ggf. Einfluss auf die Ausschöpfung der duldbaren täglichen Aufnahme.
Wegen der möglichen Gesundheitsrelevanz der Phthalate bzw. ihrer Metabolite für die allgemeine Bevölkerung war es sinnvoll, fundierte toxikokinetische Studien am Menschen durchzuführen. Nur so konnte eine valide Berechnung der täglichen Zufuhr auf der Basis von Daten zur Metabolitenausscheidung erfolgen.

Ziel / Projektdurchführung

Monoethylhexylphthalat (MEHP) und Monobutylphthalat (MnBP) sind toxisch relevante Phthalat-Metabolite. Dementsprechend ist die Toxizität der Diester direkt auf die innere Belastung durch ihre Metaboliten zurückzuführen. Da das Verhalten der Monoester nach oraler Aufnahme unbekannt war, sollte die innere Belastung durch Ermittlung der Toxikokinetik von MEHP und MnBP nach oraler Aufnahme einer definierten Menge bestimmt werden. Hierzu nahmen jeweils 4 männliche Probanden die beiden vorgenannten Substanzen ein. Die Ausscheidung dieser Metaboliten im Urin wurde bestimmt, um quantitative Aussagen über die Höhe der aufgenommen Monoester treffen zu können. Diese Erkenntnisse können Grundlage einer fundierten Risikoabschätzung sein und im Weiteren auch zur Begründung von regulatorischen Maßnahmen herangezogen werden.

Ergebnisse

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich das kinetische Verhalten der beiden Monoester nach oraler Zufuhr nicht von ihren jeweiligen Diestern unterscheidet. Die Gehalte der Monoester sollten in Umweltmedien und Nahrungsmitteln künftig mitgemessen werden, um sie im Rahmen der Risikoabschätzung einbeziehen zu können.

Mittlerweile liegt folgende wissenschaftliche Veröffentlichung zu dem Projekt vor:
Mittermeier A, Völkel W, Fromme H (2016) Kinetics of the phthalate metabolites mono-2-ethylhexyl phthalate (MEHP) and mono-n-butyl phthalate (MnBP) in male subjects after a single oral dose. Toxicol Lett 252: 22-28.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27091076

Literatur

  • COT (Committee on Toxicity of Chemicals in Food, Consumer Products and the Environment). Third draft COT statement on dietary exposure to phthalates - data from the total diet study (TDS). TOX/2011/12, March 2011.
  • Dalgaard M, Nellemann C, Lam HR, Sørensen IK, Ladefoged O (2001) The acute effects of mono(2-ethylhexyl)phthalate (MEHP) on testes of prepubertal Wistar rats. Toxicol Lett 122, 69 - 79.
  • ECB (European Chemicals Bureau) (2004) Risk assessment bis(2-ethylhexyl) phthalate (CAS-No.: 117-81-7, EINECS-No.: 204-211-0). Consolidated Final Report.
  • Jones HB, Garside DA, Liu R, Roberts JC (1993) The influence of phthalate esters on Leydig cell structure and function in vitro and in vivo. Exp Mol Pathol 58, 179 - 193.
  • Li LH, Jester WF Jr, Laslett AL, Orth JM (2000) A single dose of Di-(2-ethylhexyl) phthalate in neonatal rats alters gonocytes, reduces sertoli cell proliferation, and decreases cyclin D2 expression. Toxicol Appl Pharmacol 166, 222 - 229.
  • Richburg JH, Boekelheide K (1996) Mono-(2-ethylhexyl) phthalate rapidly alters both Sertoli cell vimentin filaments and germ cell apoptosis in young rat testes. Toxicol Appl Pharmacol 137, 42 - 50.
  • Sjöberg P, Bondesson U, Gray TJ, Plöen L (1986) Effects of di-(2-ethylhexyl) phthalate and five of its metabolites on rat testis in vivo and in in vitro. Acta Pharmacol Toxicol (Copenh) 58, 225 - 233.
  • Svechnikov K, Irina Svechnikova I, Söder O (2008) Inhibitory effects of mono-ethylhexyl phthalate on steroidogenesis in immature and adult rat Leydig cells in vitro. Reprod Toxicol 25, 485 - 490.
  • Teirlynck O, Kaufman JM, Bogaert MG, Roels H (1988) Testicular toxicity induced by single dosing of di- and mono-(2-ethylhexyl) phthalate in the rat. Toxicol Lett 40, 85 - 91.

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