Fremdkörper in Lebensmitteln identifizieren

Herangehensweise mittels mikroskopischer Methoden sowie deren rechtliche Bewertung

[Artikel erschienen in FLEISCHWIRTSCHAFT 4/2014, S. 62-65. Autorin: Tanja Grünewald]

In der amtlichen Überwachungspraxis stellen Fremdkörper aller Art in Lebensmitteln eine immer wiederkehrende Herausforderung dar. Art und Herkunft des Fremdkörpers sowie dessen rechtliche Einstufung und Beurteilung werfen vielfältige Fragen auf, die der Klärung bedürfen. Daher ist für die Beurteilung entscheidend, welche Art Fremdkörper in einem Lebensmittel gefunden wurde. Leider ist die Identifizierung nicht immer so einfach wie bei Glasoder Metallpartikeln und erfordert zum Teil einen erheblichen analytischen Aufwand sowie ein hohes Maß an Erfahrung.

Für die meisten Fremdkörper bedarf es zunächst einer makroskopischen Untersuchung, auch unter Zuhilfenahme einer Lupe oder eines Lupenmikroskopes (Abb. 1). Hierbei können oft schon makroskopisch unklare Gesichtspunkte geklärt werden, wie zum Beispiel ob es sich um ein pflanzliches, tierisches oder künstliches Gebilde handelt.

Verschiedene mikroskopische Verfahren

Weiterhin besteht im Folgenden - auch je nach Größe und Beschaffenheit des Fremdkörpers - die Möglichkeit zur Untersuchung mittels Hellfeldmikroskopie in verschiedenen Vergrößerungsstufen. Dies kann oft im Ganzen oder aber als Kryoschnitt des Partikels erfolgen, nativ oder mittels speziellen (lebensmittel-) histologischen Färbungen differenziert. Auch die Polarisationsmikroskopie vermag bestimmte Aspekte zu beleuchten, vor allem wenn es sich um künstliche Gebilde mit Anteilen beispielsweise von Textilfasern oder Pflanzenbestandteile handelt, die oftmals polarisierende, typische Elemente enthalten (Abb. 2).

Gerade bei pflanzlichen Bestandteilen, bei denen ein Stärkeanteil vermutet wird (z.B. Brot oder Kartoffelteile), bietet sich ggf. zumindest von einem Teil des Fremdkörpers ein Stärkenachweis mittels Lugol‘scher Lösung an. Dies ist im Labor leicht durchzuführen indem man einfach etwas Lugol‘sche Lösung auf das betreffende Corpus delicti gibt, was oft schon wertvolle Hinweise liefert (Abb. 3).

Einsatz von Färbungen

Nicht immer sind histologische Färbungen notwendig, doch können sie sehr hilfreich sein, vor allem dann wenn es sich vermutlich um einen Fremdkörper tierischen oder parasitären Ursprungs handelt oder das eigentliche Untersuchungsmaterial so blass ist, dass Zellstrukturen kaum erkennbar sind. Beispielsweise lassen sich mittels einer Hämatoxylin-Eosin-Färbung (HE) verschiedene Gewebetypen und Zellkerne sehr gut darstellen, auch ist diese Färbung bestens zur Darstellung von Pilzhyphen geeignet, zumal es sich um eine einfach durchzuführende und sehr gebräuchliche Färbung handelt (Abb. 4).

Auch pflanzliche Gewebe lassen sich mittels HE-Färbung meistens gut anfärben, sodass Zellwände und -strukturen deutlich hervortreten. Die Calleja-Färbung ist dann geeignet, wenn es um die Darstellung von bindegewebsartigen Strukturen geht, die oftmals die Zuordnung von bestimmten Geweben möglich macht (Abb. 5).

Denkbar wären auch eine Toluidinblau-Färbung um die in Knorpelgewebe enthaltenen Glykosaminoglykane oder sauren Schleim mittels metachromatischer Effekte darzustellen oder eine Sudan-Rot-Färbung wenn die Anfärbung von Fett von Interesse ist.

Unterscheidung von pflanzlichen und tierischen Strukturen

Generell erkennt man pflanzliche Strukturen an einem sehr symmetrischen Zellaufbau und regelmäßigen Strukturen. Pflanzliche Zellen sind im Gegensatz zu tierischen Zellen von einer stark ausgeprägten und durch zusätzliche Auf- und Einlagerungen verstärkten Zellwand (Primär- und Sekundärwand sowie Mittellamelle) umgeben, die ihnen eine große mechanische Stabilität verleiht. Die Begrenzung der tierischen Zelle wird auch als Zellcortex bezeichnet. Von einer Zellwand spricht man hier nicht, weil wegen des Fehlens einer Mittellamelle eine Zuordnung von Begrenzungsschichten zu einer bestimmten Zelle im Gewebeverband nicht möglich ist. Die Zellen von Pflanzen und Tieren unterscheiden sich auch z.B. in ihrer Größe: Pflanzenzellen sind durchschnittlich 50 bis 100 μm groß, während tierische Zellen durchschnittlich nur 5 bis 50 μm messen.

Häufig in Lebensmitteln vorkommende Fremdkörper

Haare und Fasern machen einen relativ hohen Anteil an den in Lebensmitteln vorkommenden Fremdkörpern aus, die häufig auch Grund von bei der Lebensmittelüberwachung eingehenden Beschwerdeproben sind. Hier kann es für die rechtliche Beurteilung durchaus von Bedeutung sein zu wissen, um welche Art Haar es sich handelt (menschlich oder tierisch? Falls tierisch: von welchem Tier? Falls menschlich: welche Art von Haar?). Solche Erkenntnisse können durchaus wertvolle Hinweise und Rückschlüsse auf Produktionsräume und -umstände geben, Anlass für weitergehende Kontrollen bieten und sind oftmals wichtig für die rechtliche Beurteilung der Probe. Wo die Unterscheidung ob Faser oder Haar noch recht leicht fällt (Abb. 6), wird es schon anspruchsvoller, wenn zwischen menschlichem und tierischen Haar unterschieden werden soll. Hierfür wird jedoch – wie oft fälschlicherweise angenommen – kein Elektronenmikroskop für die Darstellung der Cuticular-Schuppen (Schuppen auf der Oberfläche des Haares) benötigt, ein herkömmliches Hellfeldmikroskop mit mindestens 400facher Vergrößerung ist dafür durchaus geeignet.

Nicht nur anhand der Schuppenform, -größe und ihres Abstandes voneinander lassen sich menschliche von tierischen Haaren differenzieren, auch der sogenannte Medullarindex liefert wertvolle Hinweise. Bei der Medulla handelt es sich um das mit Luft gefüllte Haarmark, das beim mitteleuropäischen Menschen meist fragmentiert oder gar nicht vorhanden ist (Abb. 7).

Der Medullarindex berechnet sich aus dem Durchmesser der Medulla geteilt durch den Durchmesser des ganzen Haares. Bei menschlichen Haaren beträgt dieser Index < ⅓, bei Tierhaaren liegt er üblicherweise bei ≥ ½. Schwieriger wird es, wenn man zwischen verschiedenen Tierarten unterscheiden will, hier sollte unbedingt mit der einschlägigen Literatur und Referenzmaterial verglichen werden. Von den üblichen Haus- und Lebensmittel liefernden Tieren sollte Referenzmaterial leicht zu beschaffen sein, gute Fachbücher mit ausreichend Bildmaterial sind im Bereich der medizinischen Forensik erhältlich.

Rechtliche Bewertung

Nicht immer können Fremdkörper sofort als solche identifiziert werden. Oft handelt es sich auch um sogenannte „arteigene Fremdkörper“. Hierunter fallen sowohl übliche Bestandteile eines Lebensmittels, die sich beispielsweise lediglich aufgrund bestimmter technologischer Gegebenheiten anders als sonst präsentieren (z.B. gehäuftes Auftreten von Gewürzen, Zwiebelhaut (Abb. 8) oder ähnliche Konglomeraten), als auch solche, die zwar nicht unbedingt in das Produkt gehören, aber Bestandteil der Rohware sind, wie etwa Borsten, Knochen und ähnliches.

Zunächst einmal ist mit dem Auftreten „arteigener“ Fremdkörper im Endprodukt im Einzelfall zu rechnen, daher ist Art. 14 Abs. 2 b) i. V. mit Abs. 5 der VO (EG) Nr. 178/2002 (nicht sicheres Lebensmittel, das für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist) nicht anwendbar. Sowohl der Lebensmittelrechtskommentar von ZIPFEL als auch einschlägige Urteile des Bundesgerichtshofes unterscheiden zwischen „arteigenen“ und „artfremden“ Fremdkörpern. Der Verbraucher kann eine völlige Gefahrlosigkeit nicht erwarten, denn gemäß Produkthaftungsgesetz ist ein Produkt nur dann fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann. Der Hersteller hat diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach den Gegebenheiten des konkreten Falles zur Vermeidung einer Gefahr objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind (vgl. BGH-Urteil zu „Kirschtaler“ vom 07.04.2009, Az.: VI ZR 176/08); üblicherweise deckt die „Gute Herstellungspraxis“ diese Maßnahmen ab. Da es sich aber bei der rechtlichen Beurteilung von Fremdkörpern stets um eine Einzelfallentscheidung handelt, muss folglich geprüft werden, ob der betreffende „arteigene“ Fremdkörper ggf. nicht eine Wertminderung des Lebensmittels i. S. von § 11 Abs. 2 Nr. 2 b) LFGB oder nur einen Hygienehinweis i. S. von § 3 Satz 1 i. V. mit § 2 Nr. 1 der LMHV bedingt oder ggf. sogar den Tatbestand der Gesundheitsschädlichkeit i. S. von Art. 14 Abs. 2 a) i. V. mit Abs. 4 a) der VO (EG) Nr. 178/2002 erfüllt, wobei bei „arteigenen“ Fremdkörpern jedoch üblicherweise nicht von einer Chargenvermutung ausgegangen werden kann. Anders verhält es sich natürlich bei „artfremden Fremdkörpern“. Auch hier bedarf es einer differenzierten Bewertung, nämlich ob es sich um einen gesundheitsschädlichen Partikel i. S. von Art. 14 Abs. 2 a) i. V. mit Abs. 4 der VO (EG) Nr. 178/2002 handelt oder ob durch den Fremdkörper das Lebensmittel als inakzeptabel kontaminiert i. S. von Art. 14 Abs. 5 und damit ebenso als für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet gemäß Art. 14 Abs. 2 b) der VO (EG) Nr.178/2002 eingestuft werden muss. Hier gilt es zu klären, ob eine Chargenvermutung i. S. von Art. 14 Abs. 6 der VO (EG) Nr. 178/2002 ausgesprochen werden kann. Somit sind in der Regel weitere Produkte der betreffenden Charge auf das Vorkommen von Fremdkörpern hin zu untersuchen. Lebensmittel dürfen nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind (§ 3 Satz 1 LMHV). Bei einer nachteiligen Beeinflussung handelt es sich gemäß § 2 LMHV um eine Ekel erregende oder sonstige Beeinträchtigung der einwandfreien hygienischen Beschaffenheit von Lebensmitteln wie durch Mikroorganismen, Verunreinigungen etc. […]. Unter „Verunreinigung“ können generell alle Fremdkörper subsumiert werden, es bleibt jedoch stets zu klären, ob die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ gewährleistet war oder nicht. Üblicherweise wird ein Fremdkörperbefund, egal welcher Art, in einem Lebensmittel immer eine eingehende Betriebskontrolle zu Folge haben (siehe Abb. 9), sodass das Bestimmen der Herkunft solcher Corpora delicti durchaus auch im Interesse der Hersteller liegen sollte.

Literatur

1. DE HOOG, G.S., J. GUARRO, J. GENÉ, M.J. FIGUERAS (2000): Atlas of Clinical Fungi, 2. Auflage 2000, Centraalbureau voor Schimmelcultures, Utrecht/Holland/Universitat Rovira i Virgili, Reus/Spanien. 2. ROBERTSON, J., (1999): Forensic Examination of Hair, Taylor & Francis, London.
3. LIEBICH, H.-G. (1990): Funktionelle Histologie – Farbatlas und Kurzlehrbuch der mikroskopischen Anatomie der Haussäugetiere, Schattauer Verlagsgesellschaft, Stuttgart.
4. GASSNER (2007): Mikroskopische Untersuchung pflanzlicher Lebensmittel und Futtermittel, B. Hohmann, K. Baumeister, 6. Auflage 2007, B. Behr’s Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg.
5. TEERINK, B.J., (2003): Hair of Westeuropean Mammals – Atlas and Identification Key, Cambridge University Press.
6. ROMEIS (2010): Mikroskopische Technik, M. Mulisch, U. Welsch, 18. Auflage 2010, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg.
7. REISS, J. (1986): Schimmelpilze – Lebensweise, Nutzen, Schaden, Bekämpfung, Springer Verlag Berlin/Heidelberg.

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