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Lebensmittelrechtliche Vorgaben für Bier seit 500 Jahren
Die erstmalige Erwähnung des Begriffes "Reinheitsgebot" wird auf den 4. März 1918 datiert - er wurde an diesem Datum in einem Sitzungsprotokoll des bayerischen Landtages festgehalten. Dabei gilt das "Reinheitsgebot", das die Beschränkung auf die vier Rohstoffe bei der Bierherstellung ausdrückt, wesentlich länger. Die Verordnung, dass für "Bier allein Gerste, Hopfen und Wasser genommen und gebraucht solle werden", stammt von Herzog Wilhelm IV, er erließ sie am 23. April 1516 in Ingolstadt. Damit verbesserte er neben dem Verbraucherschutz auch die Produktqualität und regulierte gleichzeitig die Verwendung der verschiedenen Getreidesorten.
Ein sicheres Lebensmittel
Die Beschränkung auf wenige, überschaubare Rohstoffe brachte schon vor 500 Jahren den Vorteil mit sich, dass ein gewisser Schutz vor toxischen Stoffen und vor krankheitserregenden Keimen bestand. Heutzutage ist aus Studien bekannt, dass Inhaltsstoffe des Hopfens, der leicht saure pH-Wert, Alkohol und Kohlendioxid das Wachstum von Krankheitserregern hemmen.
Mit dem Erlass des Reinheitsgebotes wurde also das Prinzip des sicheren Lebensmittels, das heutzutage nach wie vor gilt, schon vor 500 Jahren angegangen. So ist nach den derzeitigen nationalen, wie auch nach den Vorgaben der EU die Grundvoraussetzung für die Verkehrsfähigkeit aller Lebensmittel, dass sie sicher sind. Seit Jahren ist aus den Jahresberichten des LGL zu ersehen, dass Beanstandungen bei Bier im Hinblick auf die Gefährdung der menschlichen Gesundheit gegen Null gehen. Nur sehr vereinzelt werden zum einen Überschreitungen der zulässigen Höchstmengen für den Nitrosamingehalt nachgewiesen. Nitrosamine sind krebserregende Stoffe, die beim Darren von Malz entstehen können und dann in das Bier übergehen. Weiterhin kommen nur noch sehr vereinzelt die sogenannten "Laugenflaschen" vor. Da Bier üblicherweise in Mehrwegflaschen abgefüllt wird, muss das Leergut in den Abfüllbetrieben gereinigt werden. In den Flaschenwaschmaschinen wird Lauge verwendet, die eine stark ätzende Wirkung aufweist. Verbleiben Laugenreste im gewaschenen Leergut und werden sie vor dem Befüllen mit Bier nicht erkannt, dann gelangen diese als vermeintliches Bier zum Endkunden und verursachen beim Trinken schwere gesundheitliche Schäden durch Verätzungen. Mit der Einführung von technischen Inspektionseinrichtungen, die Laugenreste im gesäuberten Leergut automatisch erkennen, treten derartige Fälle kaum mehr auf. Die Forderung nach automatischen Inspektionseinrichtungen wurde 2004 vom LGL umgesetzt, da es bis zu diesem Zeitpunkt immer wieder zu gesundheitlichen Schäden aufgrund der Laugenreste kam.
Wirkungsgebiet des LGL
Mitarbeiter des LGL kennen sich aufgrund ihrer Ausbildung als Brau und Mälzmeister in Getränkebetrieben hervorragend aus. Der bayerische Sonderweg, bei dem Fachleute des LGL die Betriebskontrollen der Kreisverwaltungsreferate unterstützen, hat sich sehr bewährt. So gehen am LGL die Betriebskontrollen, wie auch die Begutachtungen und Überprüfungen im Labor Hand in Hand. Dies ist auch vor dem Hintergrund der bayerischen Brauereien-Landschaft zu sehen. In Bayern sind mit über 600 Brauereien, darunter sehr viele Kleinstbrauereien, circa die Hälfte der Brauereien Deutschlands angesiedelt. Die daraus resultierende Produktvielfalt ist gewaltig.
Vom LGL werden u.a. im sogenannten Getränkezentrum Würzburg nicht nur das Endprodukt, also das fertige Lebensmittel, sondern auch die Rohstoffe wie Wasser, Getreide und Hopfen im Labor überprüft, um bei Auffälligkeiten bereits im Vorfeld der Bierherstellung eingreifen zu können.
In den Schwerpunktlaboratorien des LGL werden jährlich ca. 1000 Proben aus dem Bereich Bier, bierähnliche Getränke und Rohstoffe für die Bierherstellung auf gesundheitlich bedenkliche Stoffe, auf die Übereinstimmung mit der in Bayern geltenden Verkehrsauffassung, auf die Einhaltung des Reinheitsgebotes, wie auch auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Etikettierung überprüft.
Kennzeichnungsmängel machen den Großteil der vom LGL ausgesprochenen Beanstandungen aus und betreffen alle Bereiche der vorgeschriebenen Pflichtkennzeichnungselemente, auch deren Fehlen oder die nicht gegebene Lesbarkeit. So waren z. B. Stoffe, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen, nicht aufgeführt, das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht gemäß den rechtlichen Vorgaben deklariert oder das Verzeichnis der Zutaten unvollständig.
Auch können Beanstandungen bezüglich der Zusammensetzung bzw. der Beschaffenheit vorkommen: In diese Kategorie fallen vor allem Proben, die als nicht zum menschlichen Verzehr geeignet beurteilt wurden, z. B. aufgrund eines säuerlichen, muffigen oder buttrigen (Diacetyl) Geruchs bzw. Geschmacks.
Begleitend zu den Analysen im Labor findet, die bereits oben erwähnte, Vor-Ort-Überprüfung von Brauereien und Mälzereien statt. Diese Untersuchungstiefe ist einzigartig in Deutschland und hat das Ziel, schon während der Herstellung fehlerhafte Erzeugnisse zu erkennen und das Inverkehrbringen zu vermeiden. Der vorsorgende gesundheitliche Verbraucherschutz hat somit höchste Priorität.
Verstöße gegen das Reinheitsgebot
Noch heute fühlt sich der Großteil der bayerischen Brauer dem Reinheitsgebot verpflichtet, obwohl nach den rechtlichen Vorgaben auch gewisse Zusatzstoffe verwendet werden können, die in der entsprechenden Zusatzstoff-Verordnung für Bier zugelassen sind (z. B. das Antioxidationsmittel Ascorbinsäure oder der Schaumstabilisator Propylenglycolalginat). Dann darf allerdings nicht mehr mit dem Reinheitsgebot geworben werden.
Nicht erlaubt ist nach dem geltenden Recht für die Bierbereitung in Bayern z. B. die Verwendung von Gewürzen, Zucker oder anderen Malzersatzstoffen. Verstöße gegen die strengen Vorgaben für Bayern werden vereinzelt immer wieder festgestellt. Dass von den Brauern derartige Zutaten verwendet werden, resultiert teilweise daraus, dass in Deutschland unterschiedliche rechtliche Vorgaben vorhanden sind. Die Ursache hierfür ist historisch bedingt: Die Länder Bayern und Baden-Württemberg bestanden beim Beitritt zur deutschen Biersteuergemeinschaft im Jahre 1919 darauf, dass das strengere Recht dieser Staaten beibehalten wurde. Und seit dieser Zeit ist diese Vorgabe im geltenden Recht enthalten.
Reinheitsgebot ist kein Einheitsgebot
Diese strengen Vorgaben und die Beschränkung auf wenige Rohstoffe ermöglichen dennoch eine breite Produktvielfalt, die von den Brauern mehr und mehr erkannt und ausgeschöpft wird. Als Beispiele seien genannt die Vergärung mittels ober- oder untergäriger Hefe, von denen jeweils unzählige Stämme verfügbar sind, die Verwendung von Malzen mit z. B. unterschiedlichen Röst oder auch Verzuckerungsgraden, der Einsatz einer Vielfalt von Hopfensorten während oder am Ende des Brauvorganges.
Nicht unerwähnt bleiben sollten die Möglichkeiten, Bier mit unterschiedlichen Stammwürzegehalten, oder auch alkoholfreies Bier herzustellen. Alkoholfreies Bier, aber auch alkoholfreie Biermischgetränke erfreuen sich seit Jahren einer steigenden Beliebtheit beim Verbraucher.
Weltweiter Bekanntheitsgrad
Der gute Ruf des (bayerischen) Reinheitsgebotes führte nicht nur zu einer weltweiten Nachfrage, sondern auch zur Anerkennung als "traditionelles Lebensmittel", wie auch als geschützte geographische Angabe (z. B. "Bayerisches Bier", "Mainfranken Bier", "Münchner Bier"). Mit der vermehrten Exporttätigkeit können die bayerischen Brauer die, aus dem veränderten Konsumverhalten der Verbraucher resultierenden Rückgänge im Inland auffangen, sodass trotz des harten Preiskampfes das wirtschaftliche Überleben der Branche sichergestellt ist. So wird es sicherlich auch in zukünftigen Jahren noch Feierlichkeiten zum Reinheitsgebot geben.