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- Wc 47 Tee
Neuartiges koffeinhaltiges Teegetränk aus Kaffeekirschen auf dem Prüfstand
Abstract
Die getrocknete Pulpe der Kaffeekirsche der Kaffeearten Coffea arabica und/oder Coffea canephora sowie der Aufguss daraus dürfen seit dem 3. Februar 2022 als zugelassenes neuartiges Lebensmittel in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht werden. Lebensmittelunternehmer müssen beim Inverkehrbringen dieser Produkte jedoch zusätzlich zu den allgemeinen Kennzeichnungsvorgaben für Lebensmittel die in der Verordnung (VO) (EU) 2017/2470 aufgeführten Kennzeichnungsvorschriften und Spezifikationen einhalten.
Das LGL hat in einem Schwerpunktprogramm 2022 und 2023 insgesamt 11 Kaffeekirschentees aus dem bayerischen Einzelhandel untersucht. Dabei überprüfte das LGL die Einhaltung der spezifischen Vorgaben zur Zusammensetzung und Kennzeichnung, welche nach den spezifischen Rechtsvorgaben die Voraussetzung für die Verkehrsfähigkeit der als neuartiges Lebensmittel zugelassenen Kaffeekirschentees sind. Zusätzlich überprüfte das LGL die für Lebensmittel allgemein geltenden Kennzeichnungsvorgaben.
Das LGL hat von den insgesamt 11 untersuchten Kaffeekirschentees 10 Produkte aufgrund einer nicht der Verordnung entsprechenden Kennzeichnung beanstandet, was einer Beanstandungsquote von 91 % entspricht. 7 Produkte entsprachen außerdem nicht den allgemeinen Kennzeichnungsvorgaben für Lebensmittel.
Hintergrund
Kaffee gehört zu den beliebtesten und populärsten Getränken weltweit. Der Kaffeeaufguss wird dabei aus den verarbeiteten und gerösteten Samen des tropischen Kaffeebaums bzw. Kaffeestrauchs der Gattung Coffeader PflanzenfamilieRubiaceae (Rötegewächse)hergestellt. Diese Samen werden umgangssprachlich auch als „Kaffeebohnen“ bezeichnet. Sie stellen jedoch nur einen Teil der gesamten Kaffeefrucht („Kaffeekirsche“) dar (siehe Abbildung 1). Umgeben werden die meist zwei Kaffeebohnen pro Frucht von dem ebenfalls koffeinhaltigen Fruchtfleisch („Pulpe“). Die Kaffeekirschenpulpe ist auch unter der Bezeichnung „Cascara“ bekannt, nach dem spanischen Wort „cáscara“ für Schale.
Abbildung 1: Fünf reife Kaffeekirschen des tropischen Kaffeebaums bzw. Kaffeestrauchs der Gattung Coffea, teilweise mit Stielenden. Eine der Kaffeekirschen wurde in der Mitte aufgeschnitten, sodass die beiden innenliegenden Kaffeebohnen entnommen und von der Kaffeekirschenpulpe getrennt werden konnten. © Bildagentur PantherMedia / Antonio Ribeiro
Die Pulpe der Kaffeekirsche war aus europäischer Sicht bis vor Kurzem ein „Abfallprodukt“ der Kaffeebohnenherstellung und wurde beispielsweise als natürlicher Dünger für die Kaffeepflanzen verwendet. In den Kaffeeanbauländern (z.B. Jemen, Äthiopien und Bolivien) werden die getrockneten Kaffeekirschenpulpen jedoch bereits seit vielen Jahren zur Herstellung eines teeähnlichen Aufgussgetränkes verwendet.
Das aus der getrockneten Pulpe der Kaffeekirschen zubereitete Teegetränk besitzt eine orange bis orange-braune Farbe (siehe Abbildung 2). Der Geschmack lässt sich nicht verallgemeinernd beschreiben, da dieser von der verwendeten Kaffeeart, dem Anbaugebiet und der angewandten Aufbereitungsmethode abhängig ist. Er erinnert jedoch eher an einen Früchtetee als an ein Kaffeegetränk.
Abbildung 2: Handelsübliche getrocknete Kaffeekirschenpulpe neben einem zubereiteten verzehrfertigen Kaffeekirschenaufguss.
Seit 2022 als neuartiges Lebensmittel in der EU zugelassen
Da Kaffeekirschentee in der Europäischen Union vor dem 15. Mai 1997 noch nicht in größerem Maße konsumiert wurde, wurde die Pulpe der Kaffeekirsche als ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung (VO (EU) 2015/2283) eingestuft. Unter neuartigen Lebensmitteln − auch Novel Food genannt − versteht man Lebensmittel, die in der Europäischen Union vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang zum menschlichen Verzehr verwendet worden sind. Um die Verbraucher vor etwaigen negativen gesundheitlichen Auswirkungen zu schützen, müssen derartige Lebensmittel vor dem (erstmaligen) Inverkehrbringen ein Zulassungsverfahren auf europäischer Ebene durchlaufen, in dem das Lebensmittel auf gesundheitliche Unbedenklichkeit überprüft wird.
Nachdem die getrocknete Pulpe der Kaffeekirsche der Kaffeearten Coffea arabica und/oder Coffea canephora („Robusta“)sowie der Aufguss daraus dieses Zulassungsverfahren durchlaufen hat, ist das Produkt seit dem 3. Februar 2022 als neuartiges Lebensmittel in der Europäischen Union zugelassen (siehe Eintrag in der Unionliste der zugelassenen neuartigen Lebensmittel der VO (EU) 2017/2470). Seitdem darf die getrocknete Pulpe der Kaffeekirsche der Kaffeearten Coffea arabica und/oder Coffea canephora („Robusta“)sowie der Aufguss daraus in der Europäischen Union rechtmäßig als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden. Die Zulassung erfolgte dabei als sogenanntes „traditionelles Lebensmittel aus einem Drittland“, nachdem die Antragssteller eine sichere Verwendungsgeschichte dieses Lebensmittels seit mindestens 25 Jahren im Jemen, in Äthiopien und Bolivien belegen konnten.
Vorgaben zu Kennzeichnung und Zusammensetzung
Beim Inverkehrbringen dieses zugelassenen neuartigen Lebensmittels müssen die Lebensmittelunternehmer jedoch zusätzlich zu den allgemeinen Kennzeichnungsvorgaben für Lebensmittel die in der VO (EU) 2017/2470 vorgeschriebenen Spezifikationen und Kennzeichnungsvorschriften einhalten.
Folgende Anforderungen werden an die Zusammensetzung der getrockneten Kaffeekirschenpulpe gestellt:
- Für die chemische Zusammensetzung sind beispielsweise Werte von < 18% Wasser sowie < 15% Protein und < 5 % Fett in der Trockenmasse festgelegt.
- Außerdem sind mikrobiologische Kriterien (z.B. Zahl der aeroben Keime), Höchstgehalte für Mykotoxine (z.B. Ochratoxin A oder Aflatoxin B1), für Schwermetalle (z.B. Cadmium, Blei und Arsen) sowie für Verunreinigungen (z.B. Benzo(a)pyren) und Pestizide vorgeschrieben.
Des Weiteren sind folgende spezifische Vorgaben zur Kennzeichnung festgelegt:
- Die rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung des Lebensmittels lautet „Pulpe der Kaffeekirsche“ und/oder „Cascara (Pulpe der Kaffeekirsche)“, und/oder „Aufguss aus der Pulpe der Kaffeekirsche“ und/oder „getrockneter Aufguss aus der Pulpe der Kaffeekirsche“.
- Übersteigt der Koffeingehalt des verzehrfertigen Erzeugnisses, welches das neuartige Lebensmittel enthält, 150 mg/l (an sich oder nach Rekonstitution), so ist in der Kennzeichnung des Produktes folgender Hinweis anzubringen: „Hoher Koffeingehalt. Nicht empfohlen für Kinder, Schwangere und Stillende“. Dieser Hinweis muss im selben Sichtfeld wie die Bezeichnung des Lebensmittels, gefolgt vom Koffeingehalt, ausgedrückt in mg je 100 ml, angebracht sein.
- Für die Pulpe der Kaffeekirsche, die als solche zur Herstellung eines Aufgusses in Verkehr gebracht wird, ist den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Anleitung zur Zubereitung zu geben. Typischerweise wird der Aufguss durch das Überbrühen von maximal 6 g Cascara pro 100 ml mit heißem Wasser (> 75 °C) zubereitet.
Das LGL hat in einem Schwerpunktprogramm 2022 und 2023 insgesamt 11 Kaffeekirschentees aus dem bayerischen Einzelhandel untersucht. Dabei überprüfte das LGL die Einhaltung der spezifischen Zusammensetzungs- und Kennzeichnungsvorgaben gemäß den Vorgaben der Verordnung (EU) 2017/2470, welche die Voraussetzung für die Verkehrsfähigkeit der als neuartiges Lebensmittel zugelassenen Kaffeekirschentees sind. Bei neuartigen Lebensmitteln kommt den spezifischen Kennzeichnungsvorgaben eine besondere Bedeutung zu, da Verbraucher keine Erfahrung im Umgang mit diesen für sie neuartigen Produkten haben und deshalb Informationen für die sichere Verwendung benötigen, z.B. Angaben darüber, wie die Erzeugnisse zuzubereiten sind oder für welche Personengruppen sie ggf. nicht geeignet sind (z.B. für Kinder aufgrund des Koffeingehalts).
Zusätzlich überprüfte das LGL die für Lebensmittel allgemein geltenden Kennzeichnungsvorgaben.
Untersuchungsergebnisse
Die im Rahmen des Schwerpunktprogramms ermittelten Gehalte der vorgeschriebenen Höchstgehalte an Wasser, Protein und Fett waren ebenso wie die Höchstgehalte der Schwermetalle Cadmium, Blei und Arsen in allen der 11 untersuchten Kaffeekirschentee-Proben nicht zu beanstanden (siehe Tabelle).
Gehalt an |
Einheit |
Höchstgehalt |
Höchster analysierter Gehalt |
Mittlerer analysierter Gehalt |
Wasser |
% |
18 |
15,99 |
12,66 |
Protein |
% TM |
15 |
12,90 |
9,80 |
Fett |
% TM |
5 |
1,31 |
1,03 |
Cadmium |
mg/kg |
0,05 |
0,013 |
0,008 |
Blei |
mg/kg |
1,0 |
0,172 |
0,054 |
Arsen |
mg/kg |
0,2 |
0,136 |
0,036 |
Bei allen 11 vorgelegten Kaffeekirschentees wurde der Koffeingehalt sowohl in der Trockenmasse der getrockneten Kaffeekirschenpulpen als auch im trinkfertig zubereiteten Aufguss (siehe Abbildung 3) bestimmt.
Abbildung 3: Analysierte Koffeingehalte der 11 untersuchten Kaffeekirschentees im trinkfertigen Aufguss, der nach den spezifischen Zubereitungshinweisen in der Kennzeichnung der Produkte zubereitet wurde. Der mittlere Koffeingehalt im trinkfertigen Aufguss aller Proben lag bei 112 mg/l. Das Anbringen eines im Wortlaut vorgeschriebenen Warnhinweises bezüglich eines hohen Koffeingehaltes ist zusammen mit der Angabe des Koffeingehaltes gemäß der VO (EU) 2017/2470 ab einem Koffeingehalt von 150 mg/l verpflichtend vorgeschrieben. Bei den untersuchten Proben ist dieser somit für die Proben 2, 6 und 11 verpflichtend in der Kennzeichnung aufzuführen.
Der Kaffeekirschentee-Aufguss wurde dabei jeweils nach den spezifischen Zubereitungshinweisen in der Kennzeichnung der Proben zubereitet, wobei die Spannweite der verwendeten Menge an getrockneten Kaffeekirschen zwischen 3 g und 13 g und die für den Aufguss verwendete Wassermenge zwischen 100 ml und 500 ml lag. Um die Koffeingehalte der einzelnen Kaffeekirschentees im verzehrfertigen Aufguss miteinander vergleichen zu können, wurden die Koffeingehalte auf das Volumen eines Liters normiert. Die Koffeingehalte der untersuchten Proben lagen im Bereich von 24 mg/l bis 177 mg/l. Der mittlere Koffeingehalt im trinkfertigen Aufguss betrug 112 mg/l.
Eine aus Kaffeebohnen hergestellte Tasse Kaffee (200 ml) weist als Richtwert einen Koffeingehalt von 90 mg auf [1]. Nach Umrechnung des mittleren Koffeingehaltes im trinkfertigen Aufguss der 11 untersuchten Kaffeekirschentees auf dieses Volumen ergibt sich ein Koffeingehalt von 22 mg/200 ml, was etwa einem Viertel des Koffeingehaltes einer Tasse Kaffee (200 ml) entspricht.
Der Verzehr von koffeinhaltigen Getränken, deren Koffeingehalt 150 mg/l übersteigt, ist für Kinder, Schwangere und Stillende nicht empfohlen. Kaffeekirschentees müssen daher den oben beschriebenen Warnhinweis bezüglich des Koffeingehaltes aufweisen, sofern der Koffeingehalt im trinkfertigen Aufguss die Grenze von 150 mg/l übersteigt. Im vorliegenden Schwerpunktprogramm trifft dies auf die Proben mit der Nummer 2, 6 und 11 zu (siehe Abbildung 3). Da dieser verpflichtende Warnhinweis in der Kennzeichnung der drei Proben entweder völlig fehlte, nicht dem vorgeschriebenen Wortlaut entsprach oder die zusätzlich vorgeschriebene Angabe des Koffeingehaltes nicht vorhanden war, hat das LGL diese Produkte beanstandet. Da in diesen 3 sowie 7 weiteren der 11 untersuchten Proben außerdem die Bezeichnung des Lebensmittels nicht dem vorgeschriebenen Wortlaut der VO (EU) 2017/2470 entsprach, hat das LGL 10 der 11 untersuchten Kaffeekirschentee-Proben als nicht verkehrsfähig im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Novel-Food-Verordnung beurteilt.
Darüber hinaus wiesen 7 der 10 beanstandeten Proben weitere Kennzeichnungsmängel im Sinne der Lebensmittelinformationsverordnung (VO (EU) Nr. 1169/2011), der EU-Bio-Verordnung (VO (EU) 2018/848), der Fertigverpackungsverordnung und/oder der Loskennzeichnungsverordnung auf.
Fazit und Ausblick
Die getrocknete Pulpe der Kaffeekirsche der Kaffeearten Coffea arabica und/oder Coffea canephora sowie der Aufguss daraus dürfen seit dem 3. Februar 2022 als zugelassenes, neuartiges Lebensmittel in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht werden. Das LGL hat im Rahmen des durchgeführten Schwerpunktprogramms 11 Proben dieses neuartigen Lebensmittels untersucht. Erfreulicherweise war keines davon bezüglich seiner Zusammensetzung bzw. Schwermetallrückständen zu beanstanden. 10 der 11 Kaffeekirschentees waren jedoch zu beanstanden, da die Kennzeichnung dieser Proben nicht den rechtlichen Vorgaben, die ein Kaffeekirschentee als zugelassenes neuartiges Lebensmittel erfüllen muss, entsprach. 7 Produkte entsprachen außerdem nicht den allgemeinen Kennzeichnungsvorgaben für Lebensmittel. Aufgrund der festgestellten Kennzeichnungsmängel wird das LGL dieses neue koffeinhaltige Teegetränk auch weiterhin im Fokus behalten.