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Doping im Freizeit- und Breitensport
Definitionen
Die Bezeichnung „Breitensport“ leitet sich aus der pyramidenförmigen Darstellung der Sportaktivitäten in der Gesellschaft ab: eine breite Basis vieler Sporttreibender (der Breitensport) trägt den Wettkampfsport; die Spitze bildet der Hochleistungssport.
Unter dem Begriff „Breitensport“ wird auch die Gesamtheit unterschiedlichster organisierter Sportangebote (z. B. in Sportvereinen) zusammengefasst. Mittlerweile hat jedoch der Freizeitcharakter der sportlichen Betätigung in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen und ist überwiegend nicht mehr an Strukturen wie Vereine geknüpft. Er beruht eher auf der Begegnung von Menschen gleicher sportlicher Interessen.
Während im Breitensport der Wettkampf auf lokaler oder regionaler Ebene als Betätigungsfeld gesehen wird und die Motivation der sportlichen Betätigung auf die Wettkampfbeteiligung abzielt, zielt der Freizeitsport eher auf eine sportliche Freizeitbeschäftigung. Wohlfühlen, ein positives Körpergefühl und Gesundheitsaspekte stehen im Vordergrund.
Ein Beispiel für die Verbindung von Leistungs-, Breiten- und Freizeitsport sind Marathonläufe, die mittlerweile kommerziell organisiert werden. Bei solchen Veranstaltungen treffen Sportlerinnen und Sportler aus dem Leistungs-, Breiten und Freizeitsport zusammen. Soweit bei der Teilnahme der Wettkampfcharakter im Vordergrund steht, werden zumindest bei den platzierten Sportlerinnen und Sportlern Dopingkontrollen durchgeführt.
Häufigkeit von Doping im Freizeit- und Breitensport
Erhebungen zum Doping bei sportlicher Betätigung sind in Deutschland noch nicht sehr zahlreich.
Zwei aktuelle Befragungen mit 2017 bzw. 2987 Teilnehmern zum Doping unter Freizeit-Triathleten im Rahmen von Marathonläufen zeigten, dass 12 % bzw. 13 % der Sportler in den 12 Monaten vor dem Wettkampf Leistungsdoping betrieben hatten. (Quellen: Schröter et al. PLoS One 2016; 11(5): e0155765. Dietz et al. PLoS One 2013; 8(11): e78702).
Ähnliche Häufigkeiten zum Doping in Fitnessstudios zeigen zwei weitere Erhebungen. In einer Studie mit 500 Teilnehmern gaben 12,5 % an, Leistungsdoping zu betreiben. Wenig überraschend war das Ergebnis, dass vorrangig anabole Steroide sowie Kokain angewendet wurden. (Quelle: Simon et al. Addiction 2006; 101(11): 1640-1644)
Diese Ergebnisse bestätigt eine weitere Befragung mit 621 Teilnehmern, von denen 13,5 % bereits einmal anabole Steroide zu Dopingzwecken genutzt hatten. Der Männeranteil lag dabei deutlich höher: 19,2 % Männer vs. 3,9 % Frauen. Erstaunlicherweise ergab die Erhebung, dass 48,1 % der dopenden Sportler die jeweiligen Substanzen von Angehörigen des Gesundheitssystems erhalten hatten und sogar 32,1 % von ihnen ärztlich überwacht wurden. (Quelle: Striegel et al. Drugs Alcohol Depend 2006; 81(1): 11-19)
Eine Befragung unter 2287 jugendlichen Schülern in Thüringen zeigt, dass der Konsum von Substanzen zu Dopingzwecken häufig schon sehr früh beginnt: 15,1 % der Schüler nutzten von der WADA verbotene Substanzen, darunter anabole Steroide, Wachstumshormone, Stimulantien, Cannabis, Diuretika, Kokain/Heroin sowie Erythropoietin. Dabei war der Substanzkonsum unter Nicht-Sportlern 5 % höher als bei den Freizeitsportlern und fast dreimal so hoch wie bei den Wettkampf-/Leistungssportlern – sicherlich eine Folge der Dopingkontrollen bei Wettkämpfen. (Quelle: Wanjek et al. Int J Sports Med 2007; 28(4): 346-354)
Dass die Angaben in Befragungen mittels Fragebögen sehr wahrscheinlich zu niedrig sind und die tatsächliche Dopinghäufigkeit damit unterschätzt wird, zeigt eine Studie an 964 Sportstudenten, die nicht nur befragt, sondern deren Urinproben ebenfalls untersucht wurden. Keiner der Studienteilnehmer gab an, verbotene Substanzen konsumiert zu haben. Dagegen enthielten 11,2 % der Urinproben Substanzen, die gemäß des WADA Anti-Doping Codes verboten sind. In den meisten Fällen (9,8 %) wurden Metaboliten des Tetrahydrocannabinol gefunden, ansonsten verschiedene Stimulanzien wie Derivate von Amphetaminen oder Kokain. Dagegen gab es keine Hinweise auf den Konsum von anabolen Steroiden. (Quelle: Thevis et al. J Sports Sci 2008; 26(10): 1059-1065)
Aufgrund des teilweise zu geringen Stichprobenumfangs sind die vorliegenden Studien nicht immer repräsentativ; daher können keine verallgemeinerbaren Aussagen über die Dopinghäufigkeit getroffen werden. Die Untersuchungen zeigen aber eindrücklich, dass Doping und Arzneimittelmissbrauch im Freizeit- und Breitensport auch in Deutschland nicht unterschätzt werden dürfen.
Folgen des Anabolikakonsums
Die meisten Menschen, die leistungssteigernde Substanzen im Freizeitsport einnehmen, sind sich der gesundheitlichen Risiken nicht bewusst oder ignorieren diese einfach. Neben Todesfällen durch Herzversagen, Schlaganfällen, Lungenembolien und Thrombosen sind auch Leberschäden bis hin zum Leberversagen bekannt. Durch die Kombination verschiedener Präparate wird die Wahrscheinlichkeit des Auftretens solcher unerwünschter Ereignisse noch gesteigert.
Neben den gesundheitlichen Risiken sind jedoch auch strafrechtliche Konsequenzen möglich. Im Leistungssport wird Doping nicht nur als Verstoß gegen die Fairness gesehen. Von einer Sperre des Sportlers abgesehen kann der Besitz und die Anwendung von Dopingmitteln nach dem Anti-Doping-Gesetz mit Freiheits- und Geldstrafen geahndet werden. Freizeitsportler haben dagegen vermeintlich wenig zu befürchten, so dass die Einnahme von Anabolika und sonstigen leistungssteigernden Substanzen häufig verharmlost werden. Nach den Bestimmungen des Anti-Doping-Gesetzes ist der Besitz von Dopingmitteln jedoch auch für Nicht-Leistungssportler verboten.
Der überwiegende Teil der Anabolika, die im Internet und zum Teil auch in Fitnessstudios angeboten werden, sind illegal. Meist handelt es sich um als Nahrungsergänzungsmittel deklarierte Präparate, die teilweise als „rein pflanzlich“ angeboten werden, teilweise werden die enthaltenen leistungssteigernden Substanzen auch ausdrücklich ausgelobt. In der Regel sind diese Präparate in Deutschland nicht verkehrsfähig.
Der größte Teil der angebotenen Anabolika gehört zu den nach WADA verbotenen Substanzen. Darüber hinaus sind die enthaltenen Substanzen häufig falsch deklariert und/oder in zu geringer oder zu hoher Menge enthalten. Oft finden sich auch neue, chemisch leicht veränderte Varianten bekannter Anabolika, deren gesundheitliches Risiko nicht abzuschätzen ist. In den meisten Fällen wird zudem die strafbare Besitzmenge nach Dopingmittel-Mengen-Verordnung deutlich überschritten, so dass der Besitz der Präparate wiederum strafbar ist.
Beispiele für am LGL geprüfte Präparate
Produkt, Hersteller, Abbildung | Deklarierte(r) Inhaltsstoff(e) | Tatsächlich enthaltene(r) doping-relevante(r) Inhaltsstoff(e) |
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MK-2866 „Chaos and Pain“ O-BOL „Brawn Nutrition“ |
Enobosarm (auch Ostarine®, MK2866) |
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LGD-4033 „Chaos and Pain“ SARM: LGD “Brawn Nutrition” |
Ligandrol (auch LGD-4033) |
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Revolution PCT „Finaflex Alpharetta“ |
Arimistane (auch Androsta-3,5-dien-7,17-dione) Acetylcystein Mariendistel sowie diverse pflanzliche Inhaltsstoffe |
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ATD “Brawn Nutrition” |
ATD (auch Androstatrienedione) |
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GW-1516 „Chaos and Pain“ SARM: GW „Brawn Nutrition“ |
Endurobol (auch GW1516, GW501516) |
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P-MAG 35 „Brawn Nutrition“ |
Promagnon (auch P-MAG, Halotest, Methylclostediol) |
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Halo “Brawn Nutrition” |
4-Chloro-17a-methyl-4ene-3,17-diol |
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Metha-Quad Extreme „Blackstone Labs“ |
Methylstenbolon (auch Ultradrol, M-Sten) Dymethazin (auch Roxilon, D-Zinc) Halodrol Methoxygonadien |
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Arzneimittelmissbrauch im Breitensport
Ein zunehmendes Problem im Breitensport ist der Arzneimittelmissbrauch, d. h. die Einnahme von zwar legalen Substanzen bzw. zugelassenen Arzneimitteln, die die sportliche Leistungsfähigkeit erhalten oder verbessern sollen, deren Anwendung durch Gesunde jedoch einen Missbrauch darstellt. Dabei hat sich insbesondere die Einnahme von Schmerzmitteln in Ausdauersportarten als bedenklich und sogar lebensgefährlich herausgestellt.
Im Jahr 2009 wurden im Rahmen des Bonn-Marathons 1024 Teilnehmer befragt mit dem Ziel, ihren Schmerzmittelkonsum qualitativ und quantitativ zu erfassen. Über 60 % der Teilnehmer hatten bereits vor dem Start Schmerzmittel eingenommen, allerdings hatten nur 11 % bereits vor dem Lauf über Schmerzen geklagt – also hatten etwa 50 % der befragten Läufer Schmerzmittel eingenommen, ohne tatsächlich Schmerzen zu haben. Neben den kurz, aber effektiv wirksamen Wirkstoffen Ibuprofen und Diclofenac wurde auch das schwächer wirksame und in hoher Dosierung leberschädigende Paracetamol verwendet. Darüber hinaus wurden auch die relativ lange im Körper verweilenden Antirheumatika Meloxicam und Naproxen eingesetzt. (Quelle: Brune et al. MMW-Fortschr Med 2009; 40: 39-42)
Die Einnahme von Schmerzmitteln kann, vor allem bei hochdosiertem Einsatz, ernsthafte gesundheitliche Schäden verursachen. Schwerste, gelegentlich auch tödliche Zusammenbrüche während oder nach Marathonläufen und anderen derartigen Ausdauer-Wettkämpfen sind nicht selten. Neben Herz-Kreislauf-Zusammenbrüchen, Darmblutungen, -nekrosen und -durchbrüchen ist auch Nierenversagen bekannt.
Ursächlich sind verschiedene Faktoren daran beteiligt:
Jede intensive sportliche Betätigung führt zur Minderdurchblutung des Magen-Darm-Trakts und der Nieren. Magen-Darm- und Nierenblutungen sind daher nicht selten. Zur Minderdurchblutung des Magen-Darm-Traktes kommen die anhaltenden Schüttel- und Stauchbewegungen des Läufers. Daraus resultiert eine erhöhte Durchlässigkeit der Magen-Darm-Schleimhaut für Makromoleküle, besonders für bakterielle Toxine. Die Durchlässigkeit der Darmwand wird durch Schmerzmittel weiter erhöht; unter Acetylsalicylsäure (ASS) ist die Permeabilitätserhöhung besonders ausgeprägt. Auf diese Weise verliert der Darm seine Barrierefunktion; Erosionen und Ulzerationen treten auf und führen zu Krämpfen und Blutungen, letztere können auch die Niere betreffen.
Diese Blutungen werden leider nur selten mit der sportlichen Belastung und einem Arzneimittelkonsum in Verbindung gebracht. Dabei ist in Fachkreisen die sogenannte „Sportleranämie“ bekannt, was darauf hinweist, dass Blutverlust ein gängiges Phänomen bei Leistungs- und Ausdauersportlern ist.
Darüber hinaus wird vermutet, dass die Analgetika nicht nur Blutungen und partielles Organversagen (Niere, Darm) auslösen können, sondern über die Beeinflussung des Elektrolythaushalts auch das Auftreten von Herz-Kreislauf-Störungen bis zum akuten Kreislaufversagen begünstigen. Dieser Effekt kann durch eine unzureichende Elektrolytversorgung verstärkt werden: die meisten Läufer trinken zwar viel, aber führen zu wenig Kochsalz zu. Besonders problematisch ist offensichtlich die Einnahme von Schmerzmitteln bereits vor Beginn des Wettkampfs. Dabei ist dies nicht nur im Hinblick auf das gesundheitliche Risiko falsch, sondern auch schmerztherapeutisch sinnlos. Die beschwerdelindernden Eigenschaften der Schmerzmittel sind während des Laufs vermutlich nur gering und am Ziel nicht mehr vorhanden.
Schließlich bleibt anzumerken, dass insbesondere Acetylsalicylsäure bei derartigen Wettkämpfen kontraindiziert ist, da sie die Blutgerinnung für Tage herabsetzt und damit eventuell erforderliche chirurgische Notfall-Interventionen behindert bzw. unfallsbedingte Blutungen verstärkt.
Tipps für die Praxis:
- Keine Schmerzmittel vor dem Start: Wer bereits am Start oder zu Beginn Schmerzen hat, sollte nicht am Wettkampf teilnehmen. Schmerzen sind Warnsignale des Körpers, die nicht missachtet werden sollten.
- Flüssigkeit, Kochsalz und Magnesium während des Laufs: Was der Körper braucht, ist weniger Flüssigkeitsvolumen als Salz. Mineralwässer enthalten meist nur ca. 100 mg NaCl/l, notwendig wären allerdings 1-2 g/l. Kaliumzusatz schadet nicht, ist aber nicht notwendig. Größere Magnesiummengen können während der sportlichen Leistung Durchfälle provozieren.
- Auch nach dem Lauf an das Auffüllen von Wasser und Elektrolyten denken.
Jeder Sportler – ob Amateur oder Profi – sollte wissen, dass Doping nicht nur Betrug im Wettkampf ist, sondern dass er mit Doping und Arzneimittelmissbrauch seine Gesundheit oder sogar sein Leben aufs Spiel setzt!