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Herausforderungen für die Versorgungsforschung am Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Universitätsklinik Erlangen
Prof. Dr. med. Elmar Gräßel, PD Dr. Carolin Donath, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung
Zum aktuellen Stand der Versorgungsforschung lassen sich aus unserer Sicht vier Punkte als bestehende und zukünftige Herausforderungen festhalten:
- Versorgungsforschung lässt sich theoretisch sehr gut mit der Systemperspektive (Input, Throughput, Output, Outcome) betrachten und in die einzelnen Bestandteile des Systems zerlegen. Die wissenschaftlich-praktische Betrachtung des Versorgungsgeschehens in der kompletten Systemperspektive scheint jedoch eher schwierig. Das Zerlegen des Versorgungsgeschehens in einzelne Elemente wird derzeit zumindest häufiger wissenschaftlich umgesetzt als die Gesamtsystemperspektive. Bei aller Berechtigung für Studien, die z. B. detailliert Inanspruchnahme von Leistungen beschreiben (Input-Forschung), wäre es eine Herausforderung, neue Studien zu planen, die z. B. für bestimmte Personengruppen, für bestimmte regionale Gebiete oder für bestimmte Störungsentitäten mit zugehörigen Komorbiditäten die Gesamtsystemperspektive der Versorgung einnehmen.
- Eine weitere Herausforderung in der Versorgungsforschung wird die Umsetzung eines Paradigmenwechsels von medizinisch (meist von Experten) festgelegten Erfolgsvariabeln (Outcomes) hin zu von Patienten bestimmten Outcomes (in der Literatur auch bezeichnet als "PROs": Patient Reported Outcomes), die zur Beurteilung eines Erfolgs von einer erbrachten Versorgungsleistung herangezogen werden. Die Herausforderung ergibt sich zusätzlich, dass die Outcomes der Zukunft nicht nur allein patientenorientiert sein werden/sollen sondern möglichst auch individualisiert.
- Es gibt bisher erst relativ wenige Beispiele für Studien zur Versorgung von Patienten mit diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen in der Versorgungsroutine, die darauf abzielen, einen hohen Evidenzgrad zu erfüllen ("evidenzbasierte Versorgungsforschung"). Der Grund dafür liegt in der Herausforderung der Finanzierung. Eine Größenordnung von 500.000 Euro für eine Untersuchung mit elaboriertem Studiendesign ist ein realistischer Bedarf. Arzneimittelforschung wird größtenteils privatwirtschaftlich finanziert, da durch den Erwerb von Patenten und die anschließende Vermarktung des Produkts eine Refinanzierung leicht möglich ist. Dies gilt z. B. für nicht-medikamentöse Therapieverfahren nicht. Der erhebliche Aufwand für evidenzbasierte Versorgungsforschung sowie evtl. für die Maßnahmen selbst und deren Implementierung muss also anderweitig finanziert werden. In Frage kommen entweder öffentliche Ausschreibungen oder Aufträge, also letztendlich eine Steuerfinanzierung, oder Mittel der Krankenversicherung, gegebenenfalls der Pflegeversicherung, also durch die Beiträge der Versicherten. Diese Finanzierungsmöglichkeiten sind gerechtfertigt, da durch eine "bessere" Versorgung der betroffene Patient, also der Versicherte, direkt profitiert. Effizientere Maßnahmen im Gesundheitssystem kommen jedoch auch den Sozialversicherungsträgern, den Arbeitgebern, letztlich dem Gemeinwesen als Ganzes zu Gute.
- Die Implementierung einer neuen, evidenzbasierten Maßnahme in der Versorgung von kranken Menschen bedeutet Veränderung. Dem steht die "Trägheit des Systems" gegenüber, das bisher gelernte, die Routinen beizubehalten. Damit die Herausforderung "Implementierung" gelingen kann, sollten die Betroffenen, also diejenigen, die die neue Vorgehensweise durchführen sollen, frühzeitig einbezogen werden, also bereits in den Prozess der Entscheidung über die Einführung der Vorgehensweise. Wird dies begleitet durch Motivationsarbeit und Schulung kann eine Implementierung gelingen.