Quantitative Versorgungsforschung mit Primärdaten

Prof. Dr. Oliver Schöffski, MPH, Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU):

Überblick und Einordnung

Primärdaten spielen in der Versorgungsforschung eine wichtige Rolle. Bei bestimmten Fragestellungen ist es nicht möglich auf Sekundärdaten zurückzugreifen, da diese nicht die richtigen Informationen enthalten, um aufschlussreiche Antworten geben zu können. Nur mit einer neuen und speziell auf das Problem zugeschnittenen Erhebung ist es möglich die Daten zu sammeln, die tatsächlich gebraucht werden. Damit zeigt sich schon der erste große Vorteil von Primärdaten: Es werden die Daten erhoben, mit denen eine exakte Beantwortung einer Fragestellung möglich ist. Darüber hinaus kann eine hohe Aktualität gewährleistet werden. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Punkt ist, dass man schon bei der Datenerhebung einen direkten Einfluss auf die Datenqualität ausüben kann. Sowohl bei der Auswahl der Erhebungsmethode als auch bei der fortlaufenden Prüfung während der Erhebungsphase ist dies möglich. Die Vorteile von Primärdaten gehen allerdings auch mit Nachteilen einher. Das größte Manko ergibt sich aus dem großen Ressourcenverbrauch, wie zum Beispiel Personal, Zeit und Geld, der durch die Erhebung entsteht. Nicht immer lassen sich Interessengruppen finden, die das Geld investieren, um Daten zu erheben mit denen sich bestimmte Fragestellungen beantworten lassen.

Datenquellen und Datenmanagement

Der Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement hat mit verschiedenen Projektpartnern Studien durchgeführt, bei denen Primärdaten erhoben oder weiterverarbeitet worden sind. Dabei war es uneinheitlich geregelt, wer die Primärdaten erhoben und gespeichert hat. Da es keinen einheitlichen Standard gibt, wie Primärdaten in der Versorgungsforschung erhoben und gespeichert werden müssen, waren die Datenquellen damit teilweise sehr unterschiedlich. So wurden die Daten aus folgenden Systemen dem Lehrstuhl zur Verfügung gestellt: My SQL, MS SQL Server 2008, MS Access, MS Excel, XML, SPSS oder Textformate wie .csv, .txt. Je nach Datenquelle mussten die Daten mit unterschiedlichen Sprachen weiterverarbeitet werden. Am Lehrstuhl hat es sich etabliert alle Primär- wie auch Sekundärdaten in den MS SQL Server 2008 zu übertragen, da dieses mächtige Datenbankprogramm sowohl eine sehr gute Performance auch bei sehr großen Datenbeständen zeigt, aber auch der Zugriff durch ausgereifte Schnittstellen von anderen Programmen aus (z.B. SPSS) erfolgen kann. Somit kann die Datenhaltung in einer spezialisierten Software erfolgen, die Datenanalysen mit den vorgesehenen Werkzeugen trotzdem ausgeführt werden. Auch das Hinzuspielen von Sekundärdaten, wie z.B. Kosteninformationen oder standardisierten Klassifikationssystemen, wie beispielsweise ICD- oder ATC-Codes, kann in diesem Datenbankprogramm sehr leicht erfolgen.

Forschungsschwerpunkte und besondere Kompetenzen unserer Institution

Die Verarbeitung von Primärdaten gehört genauso zum Standardrepertoire des Lehrstuhls wie die von Sekundärdaten. Durch einen systematisierten Workaround ist es möglich, verschiedenste Datenquellen schnell zu verarbeiten und bei Bedarf mit weiteren Primär- oder Sekundärdaten zu verknüpfen. Sowohl vom Datenformat als auch von der Institution und der Datenart (Krankenhäuser, Krankenkassen, Arztnetze, Forschungsstudien von universitären Einrichtungen, Register oder sonstigen Verbänden) gibt es keine Einschränkung. Eine weitere Kernkompetenz ist darin zu sehen, dass sowohl die Datenaufbereitung (informatische Kenntnisse) als auch die anschließenden statistischen Analysen (analytischen Kenntnisse) aus einer Hand erfolgen können. Die inhaltliche Analyse erfolgt dabei zusammen mit dem Projektpartner. Die Forschungsschwerpunkte liegen vor allem auf Kostenanalysen wie z.B. die Kosten von Schlaganfallpatienten, die mit Hilfe des Erlanger Schlaganfallregisters durchgeführt wurden, und die Kosten von unerwünschten Arzneimittelereignissen, die zusammen mit der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Fürth, dem Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie und dem Lehrstuhl für Medizininformatik durchgeführt wurde. Weiterhin wurden eine Kostenanalyse von Diabetes mellitus II Patienten mit der Knappschaft-Bahn-See durchgeführt und eine Kostenanalyse von pharmakogenetischen Tests mit der Firma awenydd. Zusätzlich wurden in Zusammenarbeit mit der Juniorprofessur für Versorgungsmanagement die Daten des Arztbewertungsportals JAMEDA untersucht und eine Querschnittsbefragung zu der Bekanntheit und Nutzung von Arztbewertungsportalen durchgeführt.

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