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Das Bayern Influenza + Corona Sentinel (BIS+C)
Abstract
Das Bayern Influenza + Corona Sentinel (BIS+C) stellt eine der drei Säulen der molekularen Surveillance viraler Atemwegserreger in Bayern dar. Hierfür werden stichprobenartig Nasen- oder Rachenabstriche von Patienten mit Symptomen einer akuten Atemwegserkrankung (ARE) aus bayerischen Hausarzt- oder Kinder- und Jugendarztpraxen an das LGL gesandt. Die Proben werden labordiagnostisch auf das Vorhandensein von Influenza-, SARS-CoV-2 und Respiratorische Synzytial-Viren (RSV) sowie deren Varianten oder Subtypen untersucht. Durch die Förderung des BIS+C Projekts konnte das Sentinel-Netzwerk im Jahr 2023 auf 209 Praxen erweitert werden, um aktiv die Überwachung des viralen Infektionsgeschehens zu unterstützen. Auf diese Weise können bedeutende epidemiologische Daten für Influenza-, SARS-CoV-2 und RS-Viren ermittelt und deren Krankheitswellen definiert werden, um im Bedarfsfall Maßnahmen schnell umzusetzen.
Hintergrund
Das Bayern Influenza Sentinel (BIS) existiert bereits seit 2009 und dient der virologischen Überwachung von akuten respiratorischen Atemwegserkrankungen (ARE) im Freistaat Bayern mit Fokus auf Influenzaviren und RSV, letztere bisher ausschließlich bei Kindern unter fünf Jahren. Seit Mai 2022 wurde das BIS durch das Bayerische Staatsministeriums für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) gefördert und ausgebaut. Im Zuge dessen wurde das Sentinel um die Diagnostik von RS-Viren in allen Altersgruppen sowie um die Diagnostik von SARS-CoV-2 und assoziierte Virus-Varianten ergänzt und in BIS+C umbenannt. Die mittels Next Generation Sequencing (NGS) erhaltenen SARS-CoV-2 Genomdaten fließen zusätzlich in das molekulargenetische SARS-CoV-2-Überwachungsnetzwerk in Bayern (Bay-VOC) ein. Darüber hinaus sind Nachweise von Influenzaviren (A und B sowie deren Subtypen oder Linien), für RSV und für SARS-CoV-2 aus dem BIS+C meldepflichtig und fließen damit auch in die Darstellung der bayerischen Meldedaten nach IfSG ein.
Ergebnisse
Im BIS+C senden seit 2022 niedergelassene Arztpraxen ganzjährig pro Woche vier bis sechs Nasen- oder Rachenabstriche von Patienten mit akuter ARE-Symptomatik an das LGL. In Zusammenarbeit mit dem StMGP, dem Bayerischen Hausärzteverband, dem bayerischen Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) konnte das Sentinel-Netzwerk ausgebaut und somit die Zahl der daran teilnehmenden Arztpraxen der Primärversorgung von 92 (Saison 2021/22) auf 209 (Stand 12/2023) gesteigert werden (Abb. 1).
Abbildung 1: Verteilung der BIS+C Sentinelpraxen nach Regierungsbezirken in Bayern im BIS+C Jahr 2023/2024. Es nahmen 209 Praxen der Primärversorgung mit einer Hausarzt- oder Kinder- und Jugendarztfunktion im BIS+C Jahr 2023 am Sentinel teil. Davon sendeten 176 Praxen Proben an das LGL ein.
Dies führt zu einer Erhöhung der Anzahl eingesandter Abstriche aus ganz Bayern und zu einer verbesserten Aussagefähigkeit über die virale ARE-Situation innerhalb der Praxen der bayerischen Primärversorgung. Die diagnostischen und infektionsepidemiologischen ARE-Daten der Abstriche werden wöchentlich ausgewertet. Neben der Typisierung der zirkulierenden Grippeviren wird auch die Symptomatik der ARE-Erkrankung, Anfang und Länge der Grippesaison, sowie der Höhepunkt der einzelnen Viruswellen für Influenza, RSV und SARS-CoV-2 anhand der Positivenrate pro Kalenderwoche erfasst. Die Daten werden in wöchentlichen BIS+C-Berichten auf der LGL Homepage veröffentlicht und zeigen den Verlauf des Infektionsgeschehens in Bayern. Auf diese Weise können Trends und Unterschiede zu Vorjahren frühzeitig entdeckt und im Bedarfsfall rasch Maßnahmen ergriffen werden. Zudem fließen die Daten in den Bay-VOC-Bericht, die nationale sowie internationale Überwachung der Influenza- und SARS-CoV-2-Viren und die Impfstoffempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation ein. Aktuelle Ergebnisse der BIS+C Saison 2023/2024, die ab Kalenderwoche (KW) 40/2023 startete, können den Abbildungen 2 bis 4 entnommen werden. Abbildung 5 zeigt die Anzahl untersuchter Proben sowie den Verlauf der Positivenrate der drei ARE-Erreger (Influenza, SARS-CoV-2- und RS-Viren) innerhalb der BIS+C Saisons 2021/2022, 2022/23 sowie 2023/24.
Abbildung 2: Positivenraten für Influenza-, SARS-CoV-2 und RSV der erhaltenen Nasen- oder Rachenabstrichproben im BIS+C Sentinel von KW 40/2023 bis KW 4/2023. Es zeigt sich, dass SARS-CoV-2 das virale Infektionsgeschehen der drei Erreger bis KW 50/2023 dominierte und seitdem die Positivenrate stetig sinkt. Nach Definition des Robert Koch-Instituts (RKI) trat ab KW 45/2023 im BIS+C Sentinel für Bayern eine RSV-Welle auf, die vor allem die 0 bis 4-Jährigen betraf. Seit KW 51/2023 wurde nach Definition des RKI die Grippewelle erklärt, die vor allem durch den Erreger A(H1N1)pdm09 hervorgerufen wird.
Abbildung 3: Positivenraten für Influenza-, SARS-CoV-2- und RSV der erhaltenen BIS+C Abstriche von KW 40/2023 bis KW 04/2024 nach Altersgruppen. Es ist zu erkennen, dass RSV im genannten Zeitraum vor allem Kinder der Altersgruppe 0 bis 4 Jahre, gefolgt von der Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen betraf. In der Altersgruppe der Senioren über 60 Jahre nahm die Zahl der RSV-Infektionen ab KW 01/2024 zu (Daten nicht gezeigt). SARS-CoV-2 betraf vor allem die Altersgruppe der Senioren über 60 Jahre sowie der Erwachsenen ab 35 bis 59 Jahre und der Jugendlichen ab 15 Jahren. Influenza-Fälle traten vor allem in der Altersgruppe der 5- bis 14-Jährigen und 0- bis 4-Jährigen neben der Altersgruppe der Erwachsenen ab 35 bis 59 Jahre auf. Aber auch die Altersgruppe der jungen Erwachsenen von 15 bis 34 Jahre wie auch der Senioren über 60 Jahre sind von der aktuellen Grippewelle betroffen.
Abbildung 4: Verteilung der Influenzavirus-Subtypen im BIS+C Sentinel von KW 40/2023 bis KW 4/2024. Der Großteil der insgesamt 691 Infektionen ist auf den Subtyp Influenza A(H1N1)pdm09 (85,2%), gefolgt von Influenza A(H3N2) (9,1%) und Influenza B der Victoria Linie (3,5%) zurückzuführen. Zudem gibt es einige Influenza A (1,3%) oder B (0,6%) Infektionen, die nicht subtypisierbar waren. Es gab zwei Koinfektionen (0,3%) mit Influenza A und B Viren.
Abbildung 5: Anzahl der Proben, die im BIS+C Sentinel auf SARS-CoV-2, Influenza und RSV untersucht wurden (graue Balken) sowie Anteil der jeweiligen Proben mit positivem Erregernachweis (Positivenrate) mit 95%-Konfidenzintervall (KI) in den BIS+C Jahren 2021/22, 2022/23 und 2023/24 bis KW04/2024. Die Daten spiegeln den Ausbau des BIS+C Projekts im Jahr 2022 wieder, da erstmalig in der BIS+C Saison 2022/23 über 10.000 Abstriche erhalten wurden.
Fazit
Das vom StMGP geförderte BIS+C Projekt am LGL konnte erfolgreich als Instrument der molekularen und virologischen ARE-Surveillance in Bayern ausgebaut werden, indem es stichprobenartig die Positivenraten von Influenza, SARS-CoV-2 und RSV-Infektionen von ARE-Patienten in bayerischen Arztpraxen der Primärversorgung, sowie deren assoziierte Krankheitswellen innerhalb der bayerischen Bevölkerung beschreibt. Gemeinsam mit dem Bay-VOC Projekt und dem Abwassermonitoring bildet das BIS+C Projekt eine der drei Säulen, auf denen die molekulare Surveillance viraler ARE-Erreger im Freistaat Bayern basiert.
Maßnahmen
Nur durch eine kontinuierliche, interpandemische Surveillance kann die regionale Verteilung von Virusvarianten sowie Änderungen im Verteilungsmuster viraler ARE-Erreger in Bayern unmittelbar erkannt, und damit die Bevölkerung besser informiert und geschützt werden. Durch die Verzahnung mit der ebenfalls am LGL etablierten Erregerdiagnostik aus den bayerischen Abwässern erreicht man einen deutschlandweit in seiner Kapazität einzigartigen und frühzeitigen Überblick über die ARE-Aktivität aktuell zirkulierender Viren in Bayern. Influenza-, RSV- und SARS-CoV-2 Impfkampagnen könnten somit frühzeitig gestartet und gezielt ausgerichtet werden, und Krankenhäuser rechtzeitig auf einen möglichen Patientenandrang vorbereitet werden. Praxen der Primärversorgung können dadurch frühzeitig mit ausreichend Impfstoff versorgt werden. Eine langfristige Ganzjahresüberwachung von SARS-CoV-2 Infektionen im Freistaat Bayern hilft, den COVID-19 Erreger im Wechselspiel mit anderen viralen und bakteriellen ARE-Erregern besser zu verstehen, um sein Auftreten besser vorhersagen zu können.
Literatur
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