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FAQ HFPO-DA
1. Was ist HFPO-DA?
HFPO-DA (Ammonium-2,3,3,3-tetrafluor-2-(heptafluorpropoxy)propanoat, auch als FRD-902 oder „GenX“ bezeichnet) ist eine chemische Verbindung, die zur Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) gehört. HFPO-DA wurde 2009 im Markt eingeführt, um die mittlerweile nicht mehr zugelassene Perfluoroktansäure (PFOA) zu ersetzen. HFPO-DA kann als Hilfsstoff unter anderem bei der Herstellung von Fluorpolymeren (z. B. Teflon), Farben, Reinigungsmitteln, Textilien bis hin zu Löschmitteln eingesetzt werden; ebenso kann es bei der Herstellung anderer PFAS entstehen und freigesetzt werden. HFPO-DA inkl. seiner Salze wurde von der ECHA im Juli 2019 aufgrund ernsthafter nachteiliger Effekte für die Gesundheit und die Umwelt als besonders besorgniserregender Stoff (SVHC, „substance of very high concern“ nach Art. 57(f) REACH) identifiziert. HFPO-DA ist wie PFOA sehr stabil in der Umwelt und im Gegensatz zu PFOA sehr viel besser wasserlöslich. Es verbreitet sich leicht in der Umwelt und verbleibt dort langfristig, da es kaum abbaubar ist.
2. Was ist über mögliche gesundheitliche Auswirkungen von HFPO-DA bislang bekannt?
Von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) wurde GenX aufgrund seines hohen Potentials eine kontinuierliche, steigende und weitreichende Exposition zu verursachen, die nur schwer wieder beseitigt werden kann, in Kombination mit wissenschaftlichen Hinweisen auf die wahrscheinliche Verursachung von schwerwiegenden Effekten in der Umwelt und bei Menschen als „besonders Besorgnis erregender Stoff“ eingestuft. Das bedeutet, dass Unternehmen, die Erzeugnisse herstellen oder einführen, die diesen Stoff in einer Konzentration von mehr als 0,1 Massenprozent des Erzeugnisses enthalten, müssen die Abnehmer der Erzeugnisse über das Vorhandensein des Stoffes und über die sichere Verwendung der Erzeugnisse informieren. Darüber hinaus müssen sie auch Verbraucher informieren, die diese Informationen anfordern. Tierversuche deuten auf eine kürzere Halbwertszeit von GenX verglichen mit den beiden nicht mehr zulässigen Substanzen PFOA und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) hin. Die Toxizität von GenX wird nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand als etwas geringer bewertet als die Toxizität von langkettigen Alkylsubstanzen wie z. B. PFOS oder PFOA. In Tierversuchen wurden dennoch bei hoher Dosis Leberschäden (bei langfristiger Aufnahme auch Leberkrebs) sowie Auswirkungen auf das Geburtsgewicht von Nachkommen oder immuntoxische Wirkungen beobachtet. Daten zur Toxizität von GenX beim Menschen liegen bislang nicht vor.
3. Gibt es Grenzwerte für die Aufnahmemenge von HFPO-DA?
Von der amerikanischen Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) und von der niederländischen Behörde für öffentlichen Gesundheitsschutz und Umweltschutz (RIVM) wurde für HFPO-DA anhand von tierexperimentellen Untersuchungen eine tägliche tolerierbare Aufnahmedosis (TDI) von 0,003 µg/kg Körpergewicht (KG) und Tag (EPA) bzw. von 0,021 µg/kg KG und Tag (RIVM) für den Menschen abgeleitet. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority - EFSA) hat für die Aufnahme von HFPO-DA über die Nahrung bisher keine Bewertung abgegeben. Auf Basis der wissenschaftlichen Bewertung der EPA leitete das LGL einen toxikologisch begründeten Leitwert (weiterführende Informationen zur Ableitung von Leitwerten im Trinkwasser siehe https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/trinkwasser/trinkwasserqualitaet/toxikologie-des-trinkwassers/trinkwasserleitwerte) von 0,011 µg/l für HFPO-DA im Trinkwasser ab, bei dessen Unterschreitung auch bei lebenslanger Aufnahme gesundheitsschädliche Auswirkungen nach aktuellem Kenntnisstand ausgeschlossen werden können.
4. Welche Messungen wurden und werden durchgeführt, wie hoch waren die festgestellten HFPO-DA-Gehalte im Trinkwasser im Raum Altötting und welche Wasserversorger sind betroffen?
Das LfU untersucht HFPO-DA im Routine-Monitoring für PFAS seit 2020. Dabei wird HFPO-DA seit 2020 in der Alz und im Grundwasser im Raum Gendorf nachgewiesen. Das LGL begann im Frühjahr 2021 mit der Entwicklung einer eigenen Untersuchungsmethode, die vom LfU mit der Durchführung von Vergleichsuntersuchungen unterstützt wurde. Seit Herbst 2021 führte es mit der noch nicht akkreditierten Methode bei allen vierteljährlich vorgelegten Trinkwasserproben der u. g. Wasserversorger aus dem Umfeld des Chemieparks Gendorf orientierende Messungen auf HFPO-DA durch. Bei den orientierenden Messungen des LGL im Trinkwasser wurde HFPO-DA bislang entweder nicht oder nur vereinzelt in Spurengehalten festgestellt. Bei der letzten Probenahme im September 2022 lag der Gehalt des Stoffes zwar weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau, war aber im Vergleich zu den vorigen Messreihen angestiegen. Die Untersuchung der Proben von September 2022 auf HFPO-DA erfolgte daher an einem vom LGL beauftragten, für die Untersuchung auf diese Substanz akkreditierten Labor. Bei diesen Ende Oktober 2022 durchgeführten Untersuchungen der Trinkwasserproben ergaben sich ebenfalls Spurengehalte an HFPO-DA. Im Falle der Wasserversorgung Burgkirchen/Kastl wurden am Ausgang des Wasserwerkes nach Burgkirchen 0,001 µg/l und am Ausgang nach Kastl 0,002 µg/l festgestellt. In der Wasserversorgung Tüßling wurden im Hochbehälter Mörmoosen 0,001 µg/l gemessen; im Kindergarten Tüßling war kein HFPO-DA nachweisbar. Im Trinkwasser des Versorgers Inn-Salzach betrug der Wert 0,006 µg/l am Ausgang des Wasserwerks. Der HFPO-DA-Gehalt im Trinkwasser am Ausgang des Wasserwerks Neuötting lag bei 0,009 µg/l. Im Ortsnetz Altötting wurden 0,005 µg/l gemessen.
Zwischenzeitlich hat das LGL seine Untersuchungsmethode akkreditiert und führt nun unter anderem auch eigene Untersuchungen auf die Substanz HFPO-DA durch. Bei der letzten Probenahme vom Dezember 2022 war in den Trinkwasserproben des Wasserzweckverbands Inn-Salzach HFPO-DA nicht mehr nachweisbar, da einer der Aktivkohlefilter der Trinkwasseraufbereitung zwischenzeitlich erneuert worden war.
Im Trinkwasser der Wasserversorgungen Altötting/Neuötting und Kastl/Burgkirchen/Tüssling wurden hingegen in den Proben vom Dezember 2022 angestiegene Gehalte an HFPO-DA nachgewiesen. Der vom LGL abgeleitete Trinkwasserleitwert für HFPO-DA wurde erstmals überschritten, eine unmittelbare gesundheitliche Gefährdung für die Bevölkerung kann aber auch in diesem Fall wegen der nur geringfügigen und bislang nicht lang andauernden Überschreitung ausgeschlossen werden. Das Gesundheitsamt Altötting hat die Trinkwasserversorger aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu treffen, die den HFPO-DA-Gehalt im Trinkwasser wieder dauerhaft unter den Leitwert senken (siehe Pressemitteilung LRA Altötting (17.02.2023)).
5. Besteht für die Bevölkerung vor Ort mit dem Nachweis von HFPO-DA im Trinkwasser eine Gesundheitsgefahr?
Der vom LGL toxikologisch abgeleitete Leitwert für HFPO-DA liegt bei 0,011 µg/l, einen gesetzlichen Grenzwert gibt es nicht. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann eine gesundheitliche Gefährdung für die Bevölkerung ausgeschlossen werden, selbst bei kurzzeitiger und geringfügiger Überschreitung des HFPO-DA-Leitwerts im Trinkwasser.
6. Wie wahrscheinlich sind Gesundheitsschäden bei einer Überschreitung des Leitwertes von HFPO-DA (GenX)?
Basis für den vom LGL toxikologisch begründeten Leitwert von 0,011 µg/l für HFPO-DA im Trinkwasser stellt die wissenschaftliche Ableitung einer duldbaren täglichen Aufnahmemenge durch die amerikanische Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) dar. Aufgrund der unvollständigen toxikologischen Datenlage hat die EPA bei ihrer Ableitung einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor von 10 eingeführt, den das LGL bei der Begründung seines Trinkwasser-Leitwertes berücksichtigt hat. Zwar könnte HFPO-DA aufgrund der möglicherweise geringeren Halbwertszeit ein geringeres Gefährdungspotential als manche andere PFAS darstellen, doch fehlen zu der Substanz noch weitere Forschungen. Zusätzlich liegt der Ableitung des LGL-Leitwertes die Annahme zugrunde, dass maximal 10 % der duldbaren Gesamtaufnahme von HFPO-DA über das Trinkwasser erfolgen darf, um mögliche zusätzliche Eintragspfade zu berücksichtigen. Damit enthält der LGL-Leitwert für HFPO-DA einen zusätzlichen Sicherheitspuffer. Selbst bei einer kurzzeitigen mehrfachen Überschreitung des LGL-Leitwertes sind daher nach dem aktuellen Wissensstand unmittelbare gesundheitliche Beeinträchtigungen unwahrscheinlich. Dennoch sollte der Leitwert von 0,011 µg/l für HFPO-DA im Trinkwasser vorsorglich und unter Berücksichtigung von § 6 Absatz 1 sowie des Minimierungsgebotes gemäß § 6 Absatz 3 der Trinkwasserverordnung (TrinkWV) immer eingehalten werden.
7. Woher kommt der Eintrag von HFPO-DA in die Wasserversorgung
Gegenwärtig finden weitere Untersuchungen zur Ermittlung der relevanten Emissionsquellen und Eintragspfade und zu möglichen Minimierungsmaßnahmen statt. Bisher kann keiner der grundsätzlich in Frage kommenden Übertragungswege ausgeschlossen werden. In Gendorf wird die Substanz nach bisheriger Kenntnis nicht in Produktionsprozessen eingesetzt oder gezielt hergestellt, sondern tritt dort als Nebenprodukt im Zuge der Herstellung von Fluorpolymeren auf.
8. Gibt es eine Möglichkeit HFPO-DA durch die Wasseraufbereitung - ähnlich wie das PFOA – aus dem Trinkwasser zu entfernen?
Prinzipiell verringern die in der Trinkwasseraufbereitung eingesetzten Aktivkohlefilter der betroffenen Wassergewinnungsanlagen Neuötting/Altötting, Burgkirchen/Kastl und Inn-Salzach auch den Gehalt an HFPO-DA im Trinkwasser. Im Vergleich zu PFOA wird die Substanz durch die Aktivkohlefiltration weniger effektiv zurückgehalten. Um den notwendigen Rückhalt zu gewährleisten, muss das Filtermaterial der Aktivkohlefilter nach kürzerer Laufzeit erneuert werden.
9. Sind neben Trinkwasser auch Lebensmittel betroffen?
Informationen darüber, ob HFPO-DA auch in Lebensmitteln im Landkreis vorkommen könnte, liegen dem LGL bislang nicht vor. Das LGL etabliert gegenwärtig eigene Methoden, mit denen weitere PFAS wie z. B. HFPO-DA in Trinkwasser und auch Lebensmitteln zuverlässig nachgewiesen und valide quantifiziert werden können. Sobald diese Methoden akkreditiert sind, wird das LGL seine Analytik bei den regelmäßig durchgeführten Untersuchungen von Lebensmittel auf PFAS um die Substanz HFPO-DA erweitern. Die Ergebnisse werden dann ergänzend bei den Darstellungen der Lebensmitteluntersuchungen im Raum Altötting auf der LGL-Homepage abgebildet.
10. Gibt es eine Möglichkeit, das Blut auf HFPO-DA untersuchen zu lassen?
Der vom LGL abgeleitete toxikologisch begründete Leitwert von 0,011 µg/l für HFPO-DA im Trinkwasser ist für einen lebenslangen Trinkwasserkonsum ausgelegt. Bei keiner der untersuchten Trinkwasserproben wurde eine Überschreitung des Leitwerts festgestellt. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann daher eine gesundheitliche Gefährdung für die Bevölkerung ausgeschlossen werden. Eine gesundheitliche Beurteilung von Blutwerten wäre aufgrund einer nicht ausreichenden wissenschaftlichen Datenlage aktuell nicht sinnvoll möglich.
11. Bestehen Risiken für die Umwelt?
Aufgrund der Einstufung als „besonders besorgniserregender Stoff" (Substance of Very High Concern, SVHC) kann HFPO-DA ernste Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben. Derzeit erlaubt die aktuelle Datenlage keine Ableitung von fundierten Richtwerten. Bisherige Untersuchungen für Bayern zeigen, dass HFPO-DA nur an Messstellen in Oberflächengewässern nachgewiesen werden konnte, die in Zusammenhang mit dem Chemiepark Gendorf stehen. In der Alz lagen die Konzentrationen 2022 zwischen 0,025 bis 0,051 µg/l, wobei in den Vorjahren vereinzelt auch höhere Konzentrationen auftraten. Stromabwärts konnte HFPO-DA im Inn (Jahresmittel ca. 0,003 µg/l), nach dem Zufluss der Alz, und im weiteren Verlauf in der Donau nachgewiesen werden. Dort lag das Jahresmittel knapp über der Bestimmungsgrenze von 0,001 µg/l. Ein vergleichbares Bild zeigen die Untersuchungen im Grundwasser.
12. Was wird nun unternommen, um den Eintrag von HFPO-DA ins Trinkwasser zu minimieren?
Im Trinkwasser dürfen chemische Stoffe nicht in Konzentrationen enthalten sein, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen. Dabei sind die Wasserversorger grundsätzlich für die Einhaltung der trinkwasserhygienischen Anforderungen nach dem Infektionsschutzgesetz und der Trinkwasserverordnung verantwortlich. Aufgrund des aktuellen Nachweises von HFPO-DA (GenX) im Trinkwasser sind die betroffenen Wasserversorger vor Ort nun angehalten, regelmäßig Eigenuntersuchungen auf HFPO-DA durchzuführen und die Ergebnisse den Behörden zur Beurteilung zu melden. Gleichzeitig werden die zuständigen Behörden weitere Untersuchungen vor Ort durchführen, um einen weiteren Eintrag von HFPO-DA in die Umwelt und in das Trinkwasser so weit wie möglich zu unterbinden.
Darüber hinaus verfolgen LGL und LfU kontinuierlich die aktuelle Entwicklung der Studienlage zu PFAS im Allgemeinen und zu HFPO-DA im Besonderen, sodass auch die fachlichen Beurteilungen bei Bedarf entsprechend angepasst werden können. Parallel besteht eine Kooperation zwischen dem LGL und einer universitären Forschungseinrichtung, um die Grundlagenforschung im Bereich der humantoxikologischen Wirkungsweise verschiedener PFAS zu fördern. Weiterhin stehen LGL, LfU und das vor Ort für die technische Gewässeraufsicht zuständige Wasserwirtschaftsamt in kontinuierlichem Austausch.
Wissenschaftliche Literatur
ECHA: https://echa.europa.eu/de/-/msc-unanimously-agrees-that-hfpo-da-is-a-substance-of-very-high-concern
S. E. Fenton, A. Ducatman, A. Boobis, J. C. DeWitt, C. Lau, C. Ng, et al., Per- and Polyfluoroalkyl Substance Toxicity and Human Health Review: Current State of Knowledge and Strategies for Informing Future Research, Environ Toxicol Chem 2021 Vol. 40 Issue 3 Pages 606-630, DOI: 10.1002/etc.4890
M. I. Gomis, R. Vestergren, D. Borg and I. T. Cousins, Comparing the toxic potency in vivo of long-chain perfluoroalkyl acids and fluorinated alternatives, Environ Int 2018 Vol. 113 Pages 1-9, DOI: 10.1016/j.envint.2018.01.011
US EPA (2021): Human Health Toxicity Values for Hexafluoropropylene Oxide (HFPO) Dimer Acid and Its Ammonium Salt (CASRN 13252-13-6 and CASRN 62037- 80-3) Also Known as “GenX Chemicals”:
Human Health Toxicity Values for Hexafluoropropylene Oxide Dimer Acid and Its Ammonium Salt, Also Known as “GenX Chemicals” (epa.gov)
H. Y. Lee, D. J. You, A. J. Taylor-Just, K. E. Linder, H. M. Atkins, L. M. Ralph, et al., Pulmonary exposure of mice to ammonium perfluoro(2-methyl-3-oxahexanoate) (GenX) suppresses the innate immune response to carbon black nanoparticles and stimulates lung cell proliferation, Inhal Toxicol 2022 Vol. 34 Issue 9-10 Pages 244-259, DOI: 10.1080/08958378.2022.2086651