Gin mit Blauer Klitorie

Signet Jahresbericht 2021/22

Abstract

Die Spirituosenkategorie „Gin“ erfreut sich seit vielen Jahren großer Beliebtheit, insbesondere wegen ihrer Vielzahl an sensorisch unterschiedlichen Kreationen. Während 2010 lediglich vier deutsche Gins auf dem Markt existierten, sind es heute deutlich über 600 verschiedene deutsche Produkte. Sie unterscheiden sich sensorisch durch die enthaltenen sogenannten „Botanicals“ (d.h. Auszügen aus Früchten, Pflanzen und Gewürzen), die neben Wacholderbeeren zur Herstellung verwendet werden. Ein aktueller Trend sind blaue Gins. Das Besondere an diesen Gins ist ein Farbwechsel von blau nach violett, sobald eine saure Flüssigkeit zugefügt wird. Diese Produkte sind jedoch aufgrund der Tatsache, dass sie mit getrockneten Blüten der Blauen Klitorie hergestellt werden, gegen deren Verwendung gesundheitliche Bedenken bestehen, nicht verkehrsfähig.

„Blauer Gin“ und die Blaue Klitorie

Es gibt eine Vielzahl an blauen Gins auf dem Markt, die in der Regel mit den getrockneten Blüten der Blauen Klitorie (Clitoria ternatea) gefärbt werden. Das Besondere hierbei ist, dass die in den Blüten enthaltenden Anthocyane eine intensive Blaufärbung der Spirituose erzeugen, die durch eine pH-Wert-Verschiebung in den sauren Bereich einen Farbumschlag ins Violette erfährt. Die Farbänderung wird beispielsweise durch den Zusatz von Tonic Water erreicht, das als saures Getränk den pH-Wert erniedrigt.

Die aus Südostasien stammende Pflanze, auch „Schmetterlingserbse“ genannt, wird dort traditionell zur Färbung von Reisgerichten und Getränken verwendet. Sie wird häufig im Internethandel zur Herstellung von Teeaufgüssen angeboten.

In der Abbildung ist eine geöffnete Flasche Gin zu sehen, der mit einem Extrakt aus der Blauen Klitorie hergestellt ist. Der blaue Gin ist auch in einem Glas links von der Flasche enthalten. Rechts von der Flasche befindet sich ein Glas mit dem rosafarbenen Gin, wie er nach Zugabe einer saueren Flüssigkeit entsteht. Im Vordergrund sind getrocknete Blüten der Blauen Klitorie zu sehen

Abb.: Gin mit Extrakt aus der Blauen Klitorie - Farbumschlag von blau nach rosa nach Zugabe einer sauren Flüssigkeit.

Verwendung von Extrakten aus der Blauen Klitorie zur Färbung von Lebensmitteln

Im Novel Food-Katalog der Europäischen Union (Novel food catalogue (europa.eu)) findet man unter dem Eintrag „Clitoria ternatea“ vor dem 15. Mai 1997 lediglich eine bestätigte Verwendung der Pflanze als Nahrungsergänzungsmittel oder deren Bestandteil. Jede andere Verwendung in Lebensmitteln muss gemäß der sogenannten EU-Novel Food Verordnung (Verordnung (EU) 2015/2283) zugelassen werden. Bisher wurden der Europäischen Union bereits mehrere Anträge von Firmen auf Anerkennung dieser Pflanze als neuartiges Lebensmittel vorgelegt. Diese wurden jedoch mit Verweis auf bestehende gesundheitliche Bedenken seitens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgelehnt (EFSA report unter www.efsa.europa.eu/publications). Die Bedenken gehen auf die in den getrockneten Blüten enthaltenen Cyclotide, cyclische Proteine mit unbekannten toxikologischen Profilen, zurück. Diese in wässrigen Auszügen aus der Pflanze enthaltenen Verbindungen zeigten in vitro unter anderem cytotoxische Effekte. Dies ist ein Hinweis auf mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Gesundheit des Verbrauchers auswirken, jedoch langfristige Folgen für nachfolgende Generationen haben können.

Im Jahr 2022 wurde daraufhin ein Durchführungsbeschluss verabschiedet, der das Inverkehrbringen von getrockneten Blüten von Clitoria ternatea L. (Blaue Klitorie) als traditionelles Lebensmittel aus einem Drittland in der EU nicht genehmigt (Literatur: Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission). Somit ist die Verwendung dieser Pflanze als färbendes Lebensmittel nach europäischem Recht derzeit nicht zugelassen.

Verwendung von Extrakten aus der Blauen Klitorie zur Aromatisierung von Lebensmitteln

Von manchen Herstellern wird behauptet, dass sie die Extrakte aus der Blauen Klitorie nicht zur Färbung ihres Gins, sondern zur Aromatisierung verwenden, um ihrem Produkt besondere sensorische Eigenschaften zu verleihen. Wird ein Extrakt aus den getrockneten Blüten zur Aromatisierung verwendet, unterliegt dieses Aroma nicht den Regelungen der EU-Novel-Food-Verordnung, sondern muss die Vorgaben der Aromen-Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 erfüllen. Demnach können Aromaextrakte auch aus Stoffen gewonnen werden, die keine Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sind. Allerdings muss diese Verwendung hinreichend belegt sein oder ein so gewonnener Extrakt muss seitens der Kommission bewertet und zugelassen sein. Werden jedoch von der Kommission, einem Mitgliedstaat oder seitens der EFSA Zweifel an der Sicherheit eines solchen Aromaextraktes geäußert, nimmt die EFSA eine Risikoabschätzung dieses Extraktes vor. Bis diese vorliegt, gilt ein Verkehrsverbot derartiger Aromaextrakte.

Wegen der seitens der EFSA geäußerten gesundheitlichen Bedenken gegen wässrige Auszüge aus der blauen Klitorie dürfen sowohl die so hergestellten Aromaextrakte als auch Lebensmittel, die diese Extrakte enthalten, also auch Gin, nicht in den Verkehr gebracht werden.

Ergebnisse der Untersuchungen am LGL

Aus den oben beschriebenen Gründen sind im Jahr 2022 fünf mit Clitoria ternatea gefärbte Gins vom LGL sensorisch und chemisch-analytisch sowie im Hinblick auf ihre Kennzeichnung untersucht worden. Dabei wurde auch der jeweilige Internetauftritt der Produkte in die Beurteilung miteinbezogen. Alle fünf Produkte wurden als nicht verkehrsfähig beurteilt, da sie eine nicht zugelassene neuartige Lebensmittelzutat enthielten.

Fazit und Maßnahmen

Extrakte aus der Blauen Klitorie sind weder zur Färbung noch zur Aromatisierung von Lebensmitteln zugelassen. Wegen der fehlenden Zulassung als neuartige Lebensmittel-Zutat und der fehlenden Bewertung und Zulassung als Aroma dürfen Extrakte aus den getrockneten Blüten in der europäischen Union nicht zur Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden. Die vom LGL verfassten Gutachten wurden und werden auch künftig zur Einleitung der nach Sach- und Rechtslage gebotenen Maßnahmen an die jeweils betroffenen Überwachungsbehörden weitergeleitet. Wegen einer steigenden Zahl an anonymen Verbraucherbeschwerden bzw. Anfragen verunsicherter Verbraucher wird das LGL auch weiterhin blaue Gins zur Begutachtung anfordern.

Literatur

  • DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION vom 14.6.2022 zur Nichtgenehmigung des Inverkehrbringens in der Union von getrockneten Blüten von Clitoria ternatea L. (Blaue Klitorie) als traditionelles Lebensmittel aus einem Drittland
  • Notification of dried flowers of Clitoria ternatea L. as a traditional food from a third country pursuant to Article 14 of Regulation (EU) 2015/2284, Technical report der EFSA, EFSA supporting publication 2022:EN-7084, www.efsa.europa.eu/publications

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