Spirituosen, spirituosenhaltige Getränke - Untersuchungsergebnisse 2008
Die Produktgruppen Obstbrände (insbesondere Steinobstbrände), Kräuter-, Gewürz-, Bitterliköre und Spirituosen mit bitterem Geschmack sowie Kirschliköre bildeten die Untersuchungsschwerpunkte. Im Rahmen dieser Schwerpunkte wurden 369 Proben untersucht, 137 Proben (37,1 %) wurden beanstandet. Die analysierten Produkte stammten bevorzugt von kleingewerblichen Herstellern bzw. Selbstvermarktern aus ganz Bayern.
Obst- und Hefebrände, Obstgeiste
Untersuchte Proben: 159
Davon beanstandete Proben: 77 (48,4 %)
Das LGL stellte bei Obst- und Hefebränden neben Kennzeichnungsfehlern (unzutreffende, fehlende oder irreführende Verkehrsbezeichnung, fehlende Füllmengenangabe, fehlende oder unvollständige Adressangabe und fehlende Los-Kennzeichnung) häufig Auffälligkeiten in der stofflichen Zusammensetzung fest. Die Destillate wiesen teilweise erheblich erhöhte Gehalte an bestimmten flüchtigen Komponenten (Gesamtsäure, Ethylacetat, Propanol-1, Butanol-2, Allylalkohol) auf. Diese gelten als Indikatoren für einen mikrobiellen Befall der vergorenen Früchte bzw. einen bakteriellen Befall der Maische. Die Verwendung minderwertiger bzw. verdorbener Rohstoffe machte sich sensorisch teilweise derart stark bemerkbar, dass die Proben als nicht sichere Lebensmittel zu beurteilen waren.
Mehrere Obstbrände enthielten verschieden gefärbte, flockige Partikel unterschiedlicher Größe. Als Ursache hierfür kommen eine fehlende bzw. mangelhafte Filtration und/oder Fremdkörper in der verwendeten Flasche in Betracht. Ein Hefebrand enthielt Asbest-, Glas- und Chrysotilfasern, die entweder durch ein ungeeignetes Filtermaterial oder eine andere Kontamination in das Produkt gelangt waren; dies führte zu der Beurteilung als nicht sicheres Lebensmittel.
Die chemische Analyse eines Mirabellenbrandes mit rötlich-braunem, feinem Bodensatz ergab einen vergleichsweise hohen Kupfergehalt. Dies zog ebenfalls die Beurteilung als nicht sicheres Lebensmittel nach sich. Erhöhte Konzentrationen an Kupfer können bei älteren Destillationsanlagen durch Einwirkung der flüchtigen Säure auf das kupferhaltige Material in das Destillat gelangen.
Ein Himbeergeist, der nicht – wie gesetzlich vorgeschrieben - mit Neutralalkohol, sondern unter Verwendung eines Destillates aus dem eigenen Betrieb hergestellt worden war, enthielt einen Zusatz von Aromastoffen.
Ethylcarbamat in Steinobstbränden
Untersuchte Proben: 90
Davon beanstandete Proben: 23 (25,6 %)
Ethylcarbamat (EC) war 2007 durch die IARC (International Agency For Research On Cancer) als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen" eingestuft worden. Die Substanz ist in Steinobstbränden häufig in größeren Mengen als in anderen Destillaten enthalten, denn sie wird hier aus der in den Steinen enthaltenen Vorstufe Blausäure gebildet. Der vom BfR festgelegte technische Richtwert für EC in Spirituosen liegt bei 0,4 mg/L. Wird dieser Wert um mehr als 100 % überschritten, führt dies zu einer Beanstandung als nicht sicheres Lebensmittel. Wie aus nachfolgender Grafik zu erkennen ist, war die Beanstandungsrate im Jahr 2008 bei den untersuchten Kirsch-, Zwetschgen-, Mirabellen- und Aprikosenbränden so hoch wie seit 1993 nicht mehr. Auch der EC-Mittelwert aller untersuchten Steinobstbrände lag mit 0,7 mg/L deutlich über dem langjährigen Durchschnitt von 0,54 mg/L. Den höchsten gemessenen Wert mit 6,2 mg/L wies ein Kirschwasser aus Schwaben auf.
Abbildung 1: Anteil an untersuchten Proben der Jahre seit 1991, die den technischen Richtwert für Ethylcarbamat (0,4 mg/L) um mehr als 100 % überschritten
Verfälschungen bei Obst- und Weinbränden
Untersuchte Proben mittels Stabilisotopenanalytik: 83
Davon beanstandete Proben: 4 (4,8 %)
Jedes Jahr untersucht das LGL nicht nur Planproben, sondern auch Vergleichsproben (Destillate sowie Maischeproben) mittels Stabilisotopenanalytik (weitere Informationen über Authentizitätsprüfung von Lebensmitteln siehe unten angehängte Link-Sammlung). Die erhaltenen Daten spiegeln den Jahrgangseinfluss in der vorhandenen Datenbank wieder. Von den aus dem Handel entnommenen Spirituosen (Obst-, Wein- und Kornbrände sowie Wodkas) fielen drei Aprikosenbrände wegen ihrer untypischen Stabilisotopenwerte auf. Bei zwei Marillenbränden deuteten die Analyse-Ergebnisse auf die Mitverwendung von Alkohol aus Rohrzucker oder Mais bzw. eine Anreicherung mit Zucker aus diesen Pflanzen vor der Vergärung hin. Ein dritter Aprikosenbrand war hingegen als fast ausschließlich aus Rübenzuckeralkohol hergestellt zu beurteilen. Dieses Produkt fiel darüber hinaus durch eine für Aprikosen völlig untypische qualitative und quantitative Aromastoffzusammensetzung auf.
Eine als "Moldawischer Weinbrand" bezeichnete Spirituose bestand lediglich zu 15 % aus Weinalkohol, während der Hauptanteil des Alkohols zu 30 % aus Rübenzucker und zu 55 % aus Rohrzucker stammte.
Kräuter-, Gewürz-, Bitterliköre sowie Spirituosen mit bitterem Geschmack
Untersuchte Proben: 30
Davon beanstandete Proben wegen Höchstmengenüberschreitung: 0
Davon beanstandete Proben wegen anderer Mängel: 12 (40 %)
Von 30 untersuchten Erzeugnissen dieser Produktkategorie überschritt erfreulicherweise keines die Höchstmengen, die für bestimmte, toxikologisch nicht unbedenkliche Stoffe in der Aromen-Verordnung festgelegt sind. Die analytische Prüfung umfasste ß-Asaron, Cumarin, Pulegon, Safrol, Isosafrol sowie ?- und ß-Thujon. Diese Komponenten dürfen als Einzelsubstanzen Lebensmitteln nicht zugesetzt werden, sind jedoch häufig in den natürlichen Ausgangsstoffen (Kräuter oder Gewürze) enthalten, die man zur Herstellung von Auszügen für Spirituosen verwendet.
Ein Likör war aus Brennesselsamen hergestellt. Hierbei handelt es sich um eine Zutat, die bisher nicht in nennenswertem Umfang als Lebensmittel in Verkehr war und für die bisher kein Antrag auf Anerkennung als "Novel Food" vorliegt. Die falsche Alkoholangabe (Überschreitung der nach Anlage 4 zu § 7 b LMKV zulässigen Toleranz von ± 0,3 % vol zwischen dem angegebenen und dem tatsächlich vorhandenen Alkoholgehalt) sowie sonstige Kennzeichnungsmängel und unzulässige gesundheitsbezogene Angaben ("Health Claims") waren weitere Beanstandungsgründe.
Benzaldehyd in Kirschlikören
Untersuchte Proben: 12
Davon beanstandete Proben wegen synthetischem Benzaldehyd: 1 (8,3 %)
Der Aromastoff Benzaldehyd, der auch im natürlichen Kirscharoma enthalten ist, wird häufig zugesetzt, um Kirschlikören eine stärkere marzipanähnliche Note zu verleihen. Nach den EU-weit geltenden rechtlichen Regelungen dürfen Liköre aus Kirschen jedoch nur natürliche Aromastoffe und –extrakte enthalten. Die Unterscheidung zwischen natürlichem und naturidentischem Benzaldehyd gelingt über die Bestimmung des Verhältnisses der Wasserstoffisotopen mit Hilfe der Isotopenverhältnis-Massen-spektrometrie (weitere Informationen über Authentizitätsprüfung von Lebensmitteln siehe unten angehängte Link-Sammlung). Von zwölf Kirschlikören wies lediglich einer einen Analysenwert auf, der auf die (Mit)-Verwendung von synthetischem Benzaldehyd zur Herstellung schließen ließ. Darüber hinaus hat das LGL bei dem betreffenden Produkt geringe Mengen Toluol nachgewiesen. Diese Kontamination ist auf die chemische Synthese des Benzaldehyd aus Toluol zurückzuführen und unterstreicht den synthetischen Charakter des Benzaldehyd.
Im Jahr 2005 waren bei einer ähnlichen Untersuchungsreihe von 14 Kirschlikören acht Erzeugnisse wegen ausschließlicher bzw. Mitverwendung von synthetischem Benzaldehyd zu beanstanden.
Verkauf offener Proben
Untersuchte Proben: 10
Davon beanstandete Proben: 9 (90 %)
Geschäfte, in denen sich der Kunde Spirituosen aus Ballons bzw. kleinen Fässern selbst abfüllen bzw. abfüllen lassen kann, erfreuen sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit. Allerdings treten immer wieder Probleme hinsichtlich des an der Ware deklarierten Alkoholgehaltes auf. So wich bei neun von zehn untersuchten Proben der tatsächlich vorhandene Alkoholgehalt um mehr als ± 0,3 % vol vom angegebenen Alkoholgehalt ab (maximal zulässige Toleranz zwischen deklariertem und tatsächlich vorhandenem Alkoholgehalt bei Spirituosen in Fertigpackungen). Zwei Produkte fielen besonders auf, da sie 5,5 bzw. sogar 7,4 % vol mehr Alkohol hatten als angegeben.
Offene Proben aus Lokalen
Untersuchte Fälle: 5
Davon beanstandete Fälle: 2 (40 %)
Bei offen an der Theke von Lokalen entnommenen Proben (meist aus Verdachtsgründen) wurde in zwei von fünf Fällen sowohl aufgrund des sensorischen als auch des chemisch-analytischen Befundes im Vergleich zur authentischen Probe zweifelsfrei nachgewiesen, dass es sich nicht um die angebliche Markenspirituose handelte, sondern offensichtlich um ein billigeres Ersatzprodukt, das lediglich in die Flasche der Markenspirituose umgefüllt worden war.