Vector-borne Infectious Diseases in Climate Change Investigations (VICCI):

Projekt 4: Risikoabschätzung zeckenübertragener Infektionskrankheiten in urbanen Parkanlagen Bayerns

Wissenschaftlicher Abschlussbericht

Projektkoordinator: Prof. Dr. Kurt Pfister
Mitarbeiter: Sabine Schorn, Dr. Cornelia Silaghi

Der Holzbock (Ixodes ricinus) überträgt eine Vielzahl von Krankheitserregern, darunter die bisher wenig erforschten Erreger Anaplasma phagocytophilum, Babesia spp., Rickettsia spp. und Bartonella spp.

Anaplasma phagocytophilum ist ein obligat intrazelluläres Bakterium und verursacht die fieberhaften Erkrankungen Humane, Equine und Canine Granulocytäre Anaplasmose und das Weidefieber der Wiederkäuer. Rickettsien sind ebenfalls obligat intrazelluläre Bakterien, die weltweit Rickettsiosen auslösen können. In Deutschland wurden in I. ricinus bisher R. helvetica, R. monacensis, R. felis und R. massiliensis nachgewiesen, die alle Erkrankungen beim Menschen hervorrufen können. Bartonellen sind fakultativ intrazelluläre Bakterien und können Krankheiten wie die Katzenkratzkrankheit beim Mensch auslösen können. Die Beteiligung von Zecken am Lebenszyklus von Bartonellen gilt als nicht gesichert und ist nur wenig erforscht.

In vorangegangenen Studien wurde feststellt, dass Starkparks für Zecken und zeckenübertragene Pathogene ein besonderes Habitat darstellen. So wird beispielsweise für Borrelia burgdorferi sensu lato, den Erreger der Lyme Borreliose ein urbaner Lebenszyklus diskutiert. Für A. phagocytophilum wurden signifikant höhere Prävalenzen im Englischen Garten in München ermittelt im Vergleich zu untersuchten süddeutschen Waldgebieten. Ein gegenteiliges Bild zeigte sich für Rickettsien der Fleckfiebergruppe, welche geringere Infektionsraten in Zecken aus bayerischen urbanen Flächen aufwiesen verglichen mit naturbelassenen Grünflächen. Es stellte sich die Frage, ob solche Prävalenzunterschiede zeckenübertragener Pathogene auch in anderen bayerischen Stadtparks vorkommen können oder ob dies ausschließlich ein Phänomen im Englischen Garten in München ist. Des Weiteren stellte sich die Frage ob überhaupt in anderen bayerischen Stadtparks Zecken vorkommen.

Für eine adäquate zukünftige Risikoabschätzung bezüglich zeckenübertragener Krankheitserreger beim Menschen und dessen Begleittieren in städtischen Bereichen sind fundierte epidemiologische Daten zu unterschiedlichen Zeckenhabitaten, Zeckendichte und Prävalenzen übertragbarer Pathogene eine nötige Grundvoraussetzung. Aktuell sind für Deutschland und im Besonderen für städtische Flächen nur wenige Daten vorhanden. Ziele dieser Studie waren daher:

(i) Das Vorkommen von Zecken sowie die Zeckendichte (Adulte und Nymphen/100m²) in ausgewählten städtischen Grünanlagen in Bayern zu untersuchen.
(ii) Die Prävalenzen von Babesia (B.) spp, A. phagocytophilum, Rickettsia (R.) spp. und Bartonella (B.) spp. in I. ricinus zu bestimmen und Ko-infektionen darzustellen.
(iii) Die Auswirkung geographischer und saisonaler Faktoren auf die Wahrscheinlichkeit einer infizierten Zecke sowie die Unterschiede der Infektionsrate bezüglich Entwicklungsstadien, Geschlecht und Jahreszeit zu untersuchen.

Ergebnisse dieser Studie sollen somit einen Beitrag zum aktuellen Wissensstand über die in Deutschland weit verbreitete Zeckenart I. ricinus liefern sowie über die durch sie übertragenen Krankheitserreger. Das Habitat „Stadtpark“ stellt dabei durch seinen hohen freizeitlichen Nutzwert eine besondere Grünfläche von human- und veterinärmedizinischem Interesse dar. Dies zeigt die Notwendigkeit einer systematischen Untersuchung dieses besonderen Ökosystems.

Die Standortauswahl der Stadtparks wurde nach festen Kriterien vorgenommen. Die Parks sollten in bayerischen Städten >100.000 Einwohnern liegen, großteils abgeschlossen sein und eine Fläche mit hohem freizeitlichen Nutzwert darstellen. Weiterhin sollten die Grünflächen ganz oder teilweise gärtnerisch gepflegt werden. Die Wahl fiel auf sieben Innenstadtparks in München (Englischer Garten, Nymphenburger Schlosspark), Regensburg (Dörnbergpark, Donaupark), Ingolstadt (Glacis, Ludwigpark) und Augsburg (Wittelbacherpark) sowie eine freizeitliche Nutzfläche im Großraum München (Langwieder Seen). Als Vergleich zu den gärtnerisch gepflegten Parks wurde zudem der ausschließlich forstwirtschaftlich genutzte Schlosspark in Berg am Starnberger See gewählt. Die Standorte wurden monatlich von April bis September 2009 beprobt. Zusätzlich wurden fünf ausgewählte Standorte (Englischer Garten, Nymphenburger Schlosspark, Dörnbergpark, Glacis und Schlosspark in Berg) ein weiteres Jahr von Mai bis September 2010 untersucht. Zu diesem Zweck wurden Zecken mit der Flaggmethode gesammelt und die Zeckendichte (Adulte und Nymphen/100m²) ermittelt. Neun Standorte wurden 2009 mittels spezifischer konventioneller und real-time PCRs auf die Anwesenheit von DNA von Babesia spp., A. phagocytophilum, Rickettsia spp. und Bartonella spp. untersucht sowie fünf ausgewählte Standorte zusätzlich auf Babesia spp. und A. phagocytophilum in 2010. Speziesdifferenzierungen wurden mittels Sequenzanalyse und Abgleich der amplifizierten PCR-Produkte mit der GenBank vorgenommen.

Es wurden insgesamt 13.403 I. ricinus sowie jeweils eine I. frontalis und I. hexagonus gefangen. Die Zeckendichte variierte zwischen 15 - 53 Zecken/100m² in 2009 bzw 15 - 35 Zecken/100m² in 2010 abhängig vom untersuchten Standort. Eine Stichprobe von 6.593 Zecken (5.569 für A. phagocytophilum) wurde untersucht mit folgenden Ergebnissen: Babesia spp. (2009: 0,4% mit einem Larvenpool (Lp) à 2 Larven; 2010: 0,5-0,7% mit einem Lp à 5 Larven); A. phagocytophilum (2009: 9,5%; 2010: 6,6%); Rickettsia spp. (2009: 6,4-7,7% mit 76 Larven in 16 Lps). Sequenzanalysen ergaben die Anwesenheit von Babesia sp. EU1 (n= 25), B. divergens (n= 1), B. divergens/capreoli (n= 1), B. gibsoni-like (n= 1), R. helvetica (n= 272), R. monacensis strain IrR/Munich (n= 12) und R. monacensis (n= 1). Die Anwesenheit von Bartonella spp konnte nicht einwandfrei nachgewiesen werden. Ko-infektionen wurden in 0,7% aller untersuchten Zecken in 2009 festgestellt. Im Jahr 2010 war die Prävalenz mit A. phagocytophilum durchgehend niedriger als in 2009. Hier könnte ein Einfluss des Klimas vorhanden sein, da sich dieses sowohl auf die Zecke als auch auf das Angebot an Wirtstieren auswirkt (v. a. durch verändertes Nahrungsangebot).

Als ein vom Menschen stark beeinflusstes und freizeitlich genutztes Ökosystem sind städtische Grünflächen in Hinblick auf zeckenübertragene Krankheiten von besonderem wissenschaftlichem Interesse. Prävalenzschwankungen zwischen Jahren und Standorten zeigen, dass das Vorkommen von zeckenübertragenen Pathogenen von einer Vielzahl biotischen und abiotischen Faktoren abhängig sein kann und das Habitat „Stadtpark“ dabei eine besondere Stellung einnimmt. Allerdings kann dies nur abschließend geklärt werden, wenn durch eine langjährige Untersuchung der Zufallsfaktor ausgeschaltet wird.

Veröffentlichungen:

Schorn, S., Pfister, K., Reulen, H., Mahling, M., Silaghi, C., 2011. Occurrence of Babesia spp., Rickettsia spp. and Bartonella spp. in Ixodes ricinus in Bavarian public parks, Germany. Parasites & Vectors 4, 135.

Schorn, S., Schöl, H., Pfister, K., Silaghi, C. 2011 First record of Ixodes frontalis by flagging method in Germany. Ticks Tick-borne Dis. 2, 228.

Schorn, S., Pfister, K., Reulen, H., Mahling, M., Manitz, J., Thiel, C., Silaghi, C. Prevalence of Anaplasma phagocytophilum in Ixodes ricinus in Bavarian public parks, Germany. Ticks Tick-borne Dis. 2,196.

Vorträge:

Silaghi, C., Die Anaplasmose der Hunde – eine Risikoanalyse in bayerischen Stadtparks. Bayerische Klimawoche, München 17.07. 2009.

Schorn, S., Silaghi, C., Thiel, C., Pfister, K., 2010.Stadtparks in Bayern: Zeckendichte und Vorkommen von Anaplasma phagocytophilum. In: Abstracts - DVG Fachgruppentagung Parasitologie und parasitäre Erkrankungen, München 07.07.-09.07.2010, erschienen in der Tierärztlichen Praxis Großtiere 4/2010, A11 V31.

Silaghi, C., Zecken und Anaplasmose – Risiko in bayerischen Stadtparks? Bayerische Klimawoche, Erlangen, 27.07.2010.

Schorn, S., Pfister, K., Silaghi, C., 2011. Anaplasma phagocytophilum und Babesia spp. in Ixodes ricinus in bayerischen Parkanlagen. In: Abstracts der 19. Jahrestagung der FG Innere Medizin und klinische Laboratoriumsdiagnostik der DVG, 4.-5.Februar 2011, Leipzig. S.10, V21.

Schorn, S., Pfister, K., Reulen, H., Mahling, M., Thiel, C., Silaghi, C., 2011. Stadtparks in Bayern: Zeckendichte und Pärvalenz von A. phagocytophilum, Rickettsia spp. und Babesia spp. In: Abstracts - DVG Fachgruppentagung Parasitologie und parasitäre Erkrankungen, Berlin 04.07.-06.07.2011, S. 67

Pfister, K., Zecken und Anaplasmose – Risiko in bayerischen Stadtparks? Bayerische Klimawoche, München. 08.06.2011

Schorn, S., Pfister, K., Reulen, H., Mahling, M., Thiel, C., Silaghi, C., 2011. Tick occurrence and prevalence of Anaplasma phagocytophilum, Rickettsia spp. and Babesia spp. in city parks in Bavaria, Germany. In: Abstracts 7th Ticks and tick-borne pathogens International Conference, Zaragoza, Spain, 28.08. – 02.09.2011, p. 174.

Poster:

Schorn, S., Silaghi, C., Pfister, K., 2009. Vorkommen von Anaplasma phagocytophilum und Rickettsia spp. in Ixodes ricinus in bayrischen Parkanlagen. Bayreuther Forum Ökologie, Vol. 155, 39. Jahreskonferenz der GfÖ D4.P-4, S 168.

Schorn, S., Pfister, K., Silaghi, C., 2011. Anaplasma phagocytophilum and Rickettsia spp. in Ixodes ricinus in Bavarian recreational areas. In: Abstracts des XI. International Jena Symposium on tick-borne diseases 2011, Weimar, Germany, 2011 March 24 – 26, Abstract P50, page 118

Schorn, S., Pfister, K., Silaghi, C., 2011. Occurrence of Babesia spp. in Ixodes ricinus in Bavarian public parks. In: Abstracts des XI. International Jena Symposium on tick-borne diseases 2011, Weimar, Germany, 2011 March 24 – 26, Abstract P51, page 119

Schorn, S., Schöl, H., Pfister, K., Kiefer, M., Silaghi, C., 2011. Erstmaliger Nachweis von Ixodes frontalis in Deutschland mittels Flaggmethode. In: Abstracts - DVG Fachgruppentagung Parasitologie und parasitäre Erkrankungen, Berlin 04.07.-06.07.2011,S.113.