Sentinel-Surveillance Studienserie zu SARS-CoV-2 in Münchener KiTas und Schulen: „Münchner Virenwächter“

Signet Jahresbericht 2021/22

Abstract

Zu Beginn der Pandemie war wenig über die Rolle von Kindergärten (KiGas), Kindertagesstätten (KiTas) und Grundschulen bei der Ausbreitungsdynamik der Coronaviren bekannt. Im Rahmen zweier Sentinel-Surveillance Studien wurde die Wiederöffnung von KiGas, KiTas und Grundschulen nach den Lockdowns in München begleitet (2020 und 2021), wobei die erste Studie gleichzeitig zur Evaluation einer neuen Methodik zur Probengewinnung aus Speichel diente. Die darauf aufbauend große Sentinel-Studie „Münchener Virenwächter 3.0“ untersuchte über 10 Wochen insgesamt 23.905 PCR Speicheltest-Proben aus 12,5 % der Münchener Grundschulen. Insgesamt wurden nur 8 Personen positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Aus beiden Studien konnte abgeleitet werden, dass „gesunde“ bzw. asymptomatische Kinder, die Grundschulen (mit Hygienekonzepten) besuchten, in München nicht signifikant zur Verbreitung von SARS-CoV-2 beigetragen haben, sondern die epidemiologische Situation der Gesamtbevölkerung widerspiegelten.Wie bei anderen Infektionskrankheiten nachgewiesen, musste auch in Bezug auf das pandemische SARS-CoV-2-Geschehen angenommen werden, dass Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen Drehschreiben des epidemiologischen Geschehens sein könnten. Dies konnte durch die Studien widerlegt werden.

Methodik und Ergebnisse

Im Rahmen des Sentinel-Projektes „Münchner Virenwächter“ begleitete ein Team bestehend aus Wissenschaftlern des LGL und des Dr. von Haunerschen Kinderspitals am LMU Klinikum während der Pandemie in zwei Phasen die schrittweise Öffnung und den Routinebetrieb von fünf städtischen Grundschulen und fünf KiGas/KiTas in München im Hinblick auf SARS-CoV-2-Infektionen. In einem Zeitraum von Mitte Juni (Ende der Pfingstferien) bis Ende Oktober 2020 wurden über 3.000 Rachenabstrich-Proben analysiert, die durch ein Studienteam, bestehend aus medizinisch ausgebildeten Personal, genommen wurden. In der ersten Studienphase bis zu den Sommerferien zeigten sich keine SARS-CoV-2 Neuinfektionen bei Kindern und Lehrerschaft bzw. erzieherisch Tätige. In der zweiten Phase von September bis zu den Herbstferien gab es trotz steigender 7-Tage-Inzidenzrate (bis 150/100.000) nur zwei SARS-CoV-2-Fälle. Dazu dürften auch die in den Einrichtungen etablierten Hygienemaßnahmen, wie z. B. Abstandsregeln und das Tragen von Masken auf dem Schulgelände, beigetragen haben.

Mit Blick auf die Machbarkeit von Selbsttestungen an Grundschulen und KiTas/KiGas wurde in der Studie die Testung von Speichelproben mittels eines neu etablierten Systems, der sog. Salivette®, bei über 2.000 Testungen von Kindern (Alter 3 bis 11 Jahre) erfolgreich angewandt und evaluiert. Dieses neuartige System optimierte die Infektionshygiene bei der Probengewinnung, zeigte sich deutlich kinder- und anwender-freundlicher und erlaubte die Testung auf SARS-CoV-2 mittels PCR in einem gradlinigen Laborprozess.

Auf Basis dieser positiven Erfahrung der ersten Virenwächterstudie wurde eine große Sentinel-Studie entwickelt und durchgeführt: Münchner Virenwächter 3.0. Mit der erprobten Speichel-PCR-Methode testeten sich Schülerinnen und Schüler in 17 zufällig ausgewählten Münchener Grundschulen unter Aufsicht selbstständig (12,4 % aller öffentlichen Münchner Grundschulen). Die Studie begleitete über 10 Wochen von Anfang März bis Ende Mai 2021 die schrittweise Öffnung der Münchener Grundschulen während einer weiteren Phase der Pandemie.

Pro Woche wurden nach der Startphase zwischen ~2.000 und ~4.000 Tests durchgeführt. Insgesamt wurden 23.905 PCR Speicheltest-Proben analysiert. Davon 19.265 Testungen (i.d.R. mehrmals wöchentliche Testung) von 3752 Kindern. Das mittlere Alter der Kinder betrug 8 Jahre. Darüber hinaus wurden 681 Schulmitarbeiter regelmäßig in 4640 Tests untersucht (i.d.R. mehrmals wöchentliche Testung).
Ergebnis: Nur 8 von 23.905 Proben waren positiv auf SARS-CoV-2 (5 Kinder, 3 Schulmitarbeiter).

Für die Zeit zwischen der Schulöffnung im März bis Ende Mai 2021 konnte, wie bereits in der ersten Virenwächter-Studie, abgeleitet werden, dass „gesunde“ bzw. asymptomatische Kinder, die Grundschulen (mit Hygienekonzepten) besuchten, in München nicht signifikant zur Verbreitung von SARS-CoV-2 beigetragen haben, sondern die epidemiologische Situation der Gesamtbevölkerung widerspiegelten: Erstens war in Studienzeitraum eine vergleichsweise geringe Positivenrate zu verzeichnen, zweitens gab es keine Häufung oder zeitliche Vorläufigkeit der gefundenen Infektionen relativ zum Verlauf der Inzidenzkurve in der Bevölkerung und drittens gab es keine klaren Hinweise auf eine primäre Ansteckung in der Schule. Ansteckungen im z. B. familiären und außerschulischen Umfeld erscheinen genauso wahrscheinlich. Dies galt insbesondere bei sehr hohen allgemeinen Inzidenzen während der zweiten Welle und der Dominanz der Alpha-Variante (B.1.1.7.).

Im weiteren Verlauf der Pandemie, insbesondere mit Auftreten der Omikron-Variante, war ein vergleichsweise deutlicher Anstieg der nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) gemeldeten Inzidenzraten in der Altersgruppe der Grundschüler zu verzeichnen. Dies wurde vermutlich zum einen durch das verpflichtende regelmäßige Testregime in den Schulen verursacht. Zum anderen war es Ausdruck einer verspäteten Entwicklung einer natürlichen Immunität. Zudem standen spezifische Impfungen für diese Altersgruppe später zur Verfügung als für die Allgemeinbevölkerung.