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Cannabinoide
Vorkommen und Bewertung in Lebensmitteln
Unter den Begriff Cannabinoide fallen eine Vielzahl an Substanzen der Cannabis-Pflanze, nicht zuletzt das psychoaktive Δ9-Tetrahydrocannabinol, im Allgemeinen bekannt als THC. Andere wichtige Vertreter der Cannabinoide sind die Δ9-Tetrahydrocannabinolsäuren, die selbst keine psychoaktive Wirkung aufweisen, jedoch unter Hitzeeinwirkung THC freisetzen können, sowie die Substanzen Cannabidiol (CBD) und Cannabinol (CBN). Besonders CBD ist verstärkt in den Fokus geraten, da Hersteller von CBD-Produkten der Substanz positive Eigenschaften zuschreiben, die nicht hinreichend belegt sind.
In Lebensmittel können Cannabinoide auf zwei verschiedenen Wegen gelangen: durch unbeabsichtigte Kontamination oder durch den gezielten Zusatz von Cannabinoiden oder cannabinoidhaltigen Hanfextrakten.
Cannabinoide werden in bestimmten Drüsenhaaren der Hanfpflanze gebildet, die mit Ausnahme von Wurzeln und Samen überall auf der Pflanze vorkommen. Aus diesem Grund enthalten Hanfsamen in der Regel keine Cannabinoide. Jedoch können durch Kontakt zu anderen Pflanzenteilen, etwa während der Ernte, Cannabinoide auch auf die Samen übertragen werden.[1] In diesem Zusammenhang wird von einer Kontamination gesprochen. Nach europäischem Kontaminantenrecht (Verordnung (EWG) Nr. 315/93) muss eine solche Kontamination grundsätzlich so gering gehalten werden, wie es durch gute technologische Praxis möglich ist. Für hanfhaltige Lebensmittel heißt das, die Lebensmittelunternehmer sind in der Pflicht, ihre Prozesse zur Gewinnung und Produktion so zu optimieren, dass die Kontamination der Samen und der daraus hergestellten Produkte möglichst gering ist. Rechtlich bindende Höchstgehalte für Δ9-THC in Hanfsamen und daraus gewonnenen Erzeugnissen sind in der Verordnung (EU) 2023/915 festgelegt und gelten seit dem 01.01.2023. Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass die Lebensmittel beim Verzehr sicher sind. Als Maßstab zur toxikologischen Beurteilung zieht das LGL die durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgeleitete akute Referenzdosis (ARfD) von 1 µg/kg THC pro kg Körpergewicht und Tag heran.[2] Bei einer relevanten Überschreitung dieses Bezugswerts werden akute Gesundheitsgefahren zunehmend wahrscheinlicher.
Auch die Einnahme von CBD ist nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht unbedenklich: Laut einer aktuellen Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) konnten bereits konkrete Hinweise auf potenzielle Gesundheitsgefahren durch den Konsum von CBD identifiziert werden. Hierzu zählen insbesondere Störungen der Leberfunktion. Zudem ist unklar, welche Auswirkungen der Konsum von CBD auf das Hormonsystem, die Psyche oder die Metabolisierung von parallel eingenommenen Arzneistoffen hat.[3]
Cannabis und Produkte aus Cannabis - Abgrenzung zwischen Suchtstoff, Arzneimittel und Novel-Food
Aufgrund seiner psychoaktiven Inhaltsstoffe sind Teile der Cannabis-Pflanze (nicht entharzte Blüten- oder Fruchtstände der Cannabispflanze) im Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe gelistet.[4] Produkte, die hierunter fallen sind von der Definition als Lebensmittel ausgeschlossen. Nicht inbegriffen im Einheits-Übereinkommen sind nicht mit anderen Teilen der Hanfpflanze vermengte Samen und Blätter.
Bis zum April 2024 galt Cannabis in Deutschland gemäß Betäubungsmittelgesetz (BtMG) als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel. Für Hanfsamen bestand eine Ausnahme von den betäubungsmittelrechtlichen Regelungen, ebenso unter bestimmten Voraussetzungen auch für sogenannten Nutzhanf. Diese Regelung wurde im Zuge der teilweisen Legalisierung durch das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz - CanG) mit Gültigkeit zum 1. April 2024 abgeschafft. Das darin enthaltene Konsumcannabisgesetz (KCanG) beinhaltet aktuelle Regelungen zur Einstufung von Hanfprodukten.
Bei bestimmten Hanfprodukten ist außerdem eine Einstufung als Arzneimittel möglich. Dies trifft etwa auf CBD-Produkte zu.
Bei Hanfprodukten, die nicht ausschließlich aus Hanfsamen bestehen, sondern andere Pflanzenteile oder Extrakte daraus enthalten, ist deshalb immer im Einzelfall zu prüfen, ob die Produkte möglicherweise anderen gesetzlichen Regelungen, wie dem Konsumcannabisgesetz oder dem Arzneimittelgesetz unterliegen. Erst wenn dies ausgeschlossen wird, kann eine lebensmittelrechtliche Beurteilung dieser Produkte erfolgen.
In den Fällen, in denen Lebensmittel mit Hanfextrakten oder isolierten Cannabinoiden, wie CBD, angereichert wurden, ist dann die Novel-Food-Verordnung (Verordnung (EU) 2015/2283) einschlägig. Da derartige Lebensmittel in der Vergangenheit (d.h. vor dem als Stichtag festgelegten 15. Mai 1997) nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union verzehrt wurden, gelten sie als neuartige Lebensmittel und bedürfen vor dem Inverkehrbringen einer Zulassung. Da eine solche Zulassung aktuell nicht vorliegt, dürfen diese Produkte grundsätzlich nicht als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden.
Literaturverzeichnis
- [1] Stellungnahme Nr. 034/2018 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 8. November 2018: Tetrahydrocannabinolgehalte sind in vielen hanfhaltigen Lebensmitteln zu hoch – gesundheitliche Beeinträchtigungen sind möglich
- [2] European Food Safety Authority, 2015: Scientific Opinion on the risks for human health related to the presence of tetrahydrocannabinol (THC) in milk and other food of animal origin; EFSA Journal 2015; 13(6):4141
- [3] European Food Safety Authority, 2022: Statement on safety of cannabidiol as a novel food: data gaps and uncertainties; EFSA Journal 2022; 20(6):7322 (https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.2903/j.efsa.2022.7322)
- [4] Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe; Neubekanntmachung des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe in der durch das Protokoll zur Änderung des Einheits-Übereinkommens von 1961 geänderten Fassung vom 8. August 1975 (BGBl. 1977 IIS.111); zuletzt geändert durch Bek. über eine Änd. des Anhangs I zum Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe vom 21.8.1985 (BGBl. 1985 II S. 1103)