Untersuchung von Wildfleisch und -innereien sowie Wildschweinfleisch und -innereien auf per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS)-Untersuchungsergebnisse 2009–2019

Nach ersten Schwerpunktuntersuchungen im Umkreis des Industrieparks Gendorf erfolgten bayernweite Untersuchungen auf per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS bzw. PFC) an Lebensmitteln tierischer Herkunft.
Die Untersuchungen beschränkten sich bis zum Jahr 2015 im Wesentlichen auf die beiden Leitsubstanzen Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), die als mengenmäßig bedeutendste Vertreter der PFAS gelten. Seit dem Jahr 2016 werden alle Proben mit einem erweiterten Analysenspektrum analysiert, das mindestens dreizehn Einzelstoffe umfasst.

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass PFAS vor allem in Wildschweinleber gefunden werden. Die Gehalte im Fleisch der Tiere sind meistens deutlich geringer. Die Gehalte in der Leber sind bei der weit überwiegenden Anzahl an Proben unabhängig vom Abschussort der Tiere in Bayern so hoch, dass das LGL zur Reduzierung der persönlichen PFAS-Aufnahme vom Verzehr dieser Wildschweinleberproben abrät. Die vom LGL in Bayern gemessenen Gehalte unterscheiden sich dabei nicht wesentlich von denen, die aus anderen Regionen Deutschlands berichtet werden.

In den nachfolgenden Abbildungen sind alle Wildschweinproben dem Postleitzahlenbereich ihres Abschussortes zugeordnet. Die Proben wurden – auch retrospektiv - auf Basis der EFSA-Bewertung aus dem Jahr 2018 eingeteilt als zum Verzehr geeignet (Grüntöne) oder nicht zum Verzehr geeignet (Rottöne), wobei sich bei mehreren Proben aus einem Postleitzahlenbereich die Einfärbung nach der Beurteilung richtet, die sich für die Mehrheit der Proben ergab. Die Intensität der Farbe ergibt sich aus der Anzahl der Proben, die das LGL im entsprechenden Bereich untersucht hat. Abbildung 1 gibt die Situation für Wildschweinleber wieder, Abbildung 2 für Wildschweinfleisch.

Karte zur Übersicht an Perfluoroctansäure und Perfluoroctansulfonsäure in Wildschweinfleichs in Bayern

Abbildung 2 (Bearbeitungsstand: 30.12.2019)

Die Gehalte an PFOA und PFOS für Wildschweinleberproben im Einzelnen sind hier und für Proben von Wildschweinfleisch sind hier abrufbar.

In Fleisch von anderem Wild sind meistens keine PFAS nachweisbar, in den Innereien nur sehr geringe Gehalte. (Einzelheiten siehe unten)

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in Wildschweinleber

Es ist bekannt, dass Wildschweine aufgrund ihrer Lebensweise ein Indikator für Umweltbelastungen sein können. Die Tiere durchwühlen auf der Nahrungssuche den Oberboden und nehmen dadurch in größeren Mengen sowohl Bodenpartikel, Wurzeln und Pilze als auch Kleinlebewesen wie Würmer und Mäuse sowie alle im Oberboden abgelagerten Schadstoffe auf, die zuvor aus der Luft direkt oder durch Niederschläge in den Boden gelangten.

Das LGL untersuchte im Jahr 2019 insgesamt 60 Proben Wildschweinleber aus 35 Landkreisen auf ihren PFAS-Gehalt. In den Jahren 2014 bis 2018 waren es 63 Proben aus 13 verschiedenen Landkreisen.

Da im Landkreis Altötting PFOA bis 2008 bei der Herstellung von Fluorpolymeren eingesetzt wurde und so in die Umwelt gelangte, werden in der Umgebung des Produktionsstandortes in Wildschweinlebern im Vergleich zu anderen Regionen Bayerns erhöhte PFOA-Gehalte festgestellt. Die Gehalte an PFAS in den Proben von Wildschweinen, die in der Nähe des Produktionsstandortes Gendorf geschossen worden waren, lagen zwischen 51 µg/kg und 4715 µg/kg. Bei den Proben aus den übrigen Landkreisen Bayerns betrug der Maximalgehalt an PFOA dagegen 114 µg/kg. Die Verteilung der Gehalte in Abhängigkeit von der Herkunft lässt sich in Abbildung 3 für die Proben aus den Jahren 2014 bis 2018 gut erkennen.

Die hauptsächlich als Kontamination in der Wildschweinleber nachweisbare Substanz ist bei der überwiegenden Anzahl der Proben PFOS. Eine Ausnahme stellt dabei wegen der spezifischen Belastungssituation nur der Landkreis Altötting dar. PFOS wurde im Jahr 2019 in allen 60 Proben mit Gehalten von 22 µg/kg bis 1670 µg/kg nachgewiesen. Im Mittel ergab sich bei den Proben ohne Berücksichtigung des Landkreises Altötting (58 Proben) eine Konzentration von 276 µg/kg. Der Median lag bei 211 µg/kg.

Gegenüber den Untersuchungsergebnissen aus den Jahren 2014/2015 (38 Proben aus 7 Landkreisen) bzw. 2017/2018 (15 Proben aus 8 Landkreisen) meint man einen leichten Trend zu höheren Gehalten zu erkennen (siehe Abbildung 4). Auf Grund der unterschiedlichen Probenzahlen und der geringen Anzahl der Landkreise, aus denen die älteren Proben stammten, ist jedoch eine solche Aussage statistisch gesichert nicht möglich. Verteilung und Höhe der PFOS-Gehalte in den Wildschweinleberproben können nur als nicht signifikant unterschiedlich zwischen den Landkreisen angesehen werden.

Bewertung Wildschweinleber

Für Wildschweinleber gibt es keine statistisch ermittelten Verzehrdaten. Bei der Bewertung werden daher vom LGL die Verzehrdaten von Rinderinnereien zugrunde gelegt. Führen bereits Verzehrmengen, die deutlich unter denen liegen, die für Innereien üblich sind, zu einer Ausschöpfung der tolerierbaren Aufnahmemenge, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Jahr 2018 für PFOS und PFOA abgeleitet hat, rät das LGL für diese Proben vom Verzehr ab. Dies war bei 98 Prozent aller Wildschweinleberproben aus dem Jahr 2019 und bei 95 Prozent der Proben in den Jahren 2014 bis 2018 der Fall, wenn man für die alten Proben den derzeitigen Beurteilungsmaßstab anwendet. Daten aus Regionen außerhalb Bayerns in diversen Veröffentlichungen ergeben ein sehr ähnliches Bild, sodass es sich bei der Belastung von Wildschweinleber mit PFOS um kein spezifisch bayerisches Phänomen oder die Folge einer besonderen lokalen Umweltkontamination handelt. Nur in Ausnahmefällen wie im Umfeld des Produktionsstandorts Gendorf lässt sich ein lokaler PFAS-Schadensfall auch mit spezifischen Belastungsspitzen in der PFAS-Kontamination von Wildschweinleberproben in Verbindung bringen. Proben von Wildschweinen aus wenig industrialisierten Gebieten weisen zwar im Schnitt etwas niedrigere PFOS-Gehalte auf, sind aber meist immer noch so hoch belastet, dass das LGL vom Verzehr abrät.

Eine Korrelation zwischen PFAS-Gehalt in der Leber und dem Alter des Tieres ist nicht zwingend gegeben. Zum Teil wies das LGL in der Leber eines Frischlings einen höheren Gehalt nach als in der Leber eines älteren Tieres, das zur selben Zeit im selben Gebiet erlegt wurde. Auch bei Leberproben von Frischlingen kommt das LGL regelmäßig zum Schluss, dass diese auf Grund der festgestellten PFAS-Gehalte nicht verzehrt werden sollten.

Bezüglich der grundsätzlichen Entsorgung von Wildschweinen (und ihrer nicht verwertbaren Innereien) verweisen wir auf Kap. 15.10 des Handbuchs Tierische Nebenprodukte. Unter den darin beschriebenen Möglichkeiten zur Entsorgung von Wild bzw. Aufbruch ist die Behandlung als Abfall nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) anzustreben, wenn der Abfall deponiert oder einer Müllverbrennung zugeführt wird. Ein Kompostieren oder eine Entsorgung in einer Tierkörperbeseitigungsanlage wird wie das Zurücklassen oder Vergraben im Wald nicht empfohlen, da die perfluorierten Substanzen dadurch weiter in der Umwelt verbleiben bzw. unter Umständen in die Nahrungskette verschleppt werden. Im Falle eines Afrikanische Schweinepest (ASP)-Ausbruchs beim Wildschwein gelten die Beseitigungsvorgaben entsprechend § 14e Schweinepestverordnung. Eine vermutete PFOA/PFOS-Belastung ändert daran nichts.

Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in Wildschweinfleisch

Bei der Untersuchung von Wildschweinfleisch ergibt sich ein anderes Bild als bei der Untersuchung von Wildschweinleber. Selbst wenn bei einem Tier vom Verzehr der Leber aufgrund der PFOS-Gehalte abgeraten werden muss, sind die Gehalte im Fleisch in der Regel so niedrig, dass es bei Verzehr in üblichen Mengen nicht zu einer Ausschöpfung der tolerierbaren Aufnahmemenge kommt. Dementsprechend war von den untersuchten Proben Wildschweinfleisch sowohl bei den aktuellen Proben als auch bei der rückblickenden Betrachtung der älteren Proben der überwiegende Anteil zum Verzehr geeignet.

Proben, bei denen das LGL vom Verzehr abriet, stammten meistens aus dem Landkreis Altötting und enthielten PFOA (21% aller Proben). Deshalb wird im Landkreis Altötting aus Vorsorgegründen und zur Minimierung der Aufnahme von per- und polyfluorierten Substanzen geraten, auf den Verzehr von Wildschweinfleisch aus der Region zu verzichten (siehe Abbildung 5).

 

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in Wild (außer Wildschwein)

Im Gegensatz zu Wildschweinen, die wie oben beschrieben Allesfresser sind (omnivore Ernährungsweise) und Nahrung häufig aus dem Boden aufnehmen, handelt es sich bei den anderen Wildsäugetieren, die bejagt werden (Rotwild, Damwild, Rehwild, Feldhase) um reine Pflanzenfresser (herbivore Ernährungsweise). Die nachfolgend in der Tabelle dargestellten Daten des LGL für Proben von Wild außer Wildschwein bestätigen, dass Wildsäugetiere, die sich ausschließlich von Pflanzen ernähren, weniger PFAS im Körper anreichern als die omnivoren Wildschweine. Dabei lassen sich die höchsten PFAS-Gehalte wie beim Wildschwein hauptsächlich in der Leber nachweisen. Dies wurde auch von anderen Arbeitsgruppen so publiziert, z. B. Stark et al., J. Verbr. Lebensm. (2016) 11:71-78.
Vergleichsweise hohe Gehalte an PFAS wies das LGL in Leber und Fleisch von Stockenten (Wildenten) nach. Ursache könnte wie beim Wildschwein die omnivore Ernährungsweise sein. Zum Beispiel ähnelte das Muster der nachgewiesenen PFAS bei einer Stockente aus der Alz auffällig dem der Fische aus dem Fluss, während eine weitere Ente aus dem Landkreis, die nicht im Bereich der Alz erlegt wurde, ein davon sehr unterschiedliches Kontaminationsmuster aufwies (siehe Tabelle 1).

Die folgende Tabelle 1 zeigt chronologisch geordnet die Untersuchungsergebnisse für PFOA und PFOS in tierischen Lebensmitteln. Die Abkürzung n. n. bedeutet nicht nachweisbar. Min. und Max. kennzeichnen die Minimal- und Maximalgehalte.

Tabelle 1: PFAS-Proben von Wild (außer Wildschwein) - Fleisch und Innereien (Stand: 30.04.2020)
Entnahmezeitpunkt Probenzahl Art der Proben PFOA (µg/kg) PFOS (µg/kg)
Min. Max. Min. Max.
Januar 2009 – März 2010 13 Rehfleisch n. n. n. n. n. n. n. n.
Januar 2009 – März 2010 5 Rehfleisch (Lkrs. Altötting) n. n. n. n. n. n. n. n.
Januar 2009 – März 2010 5 Rehleber (Lkrs. Altötting) n. n. 4,7 n. n. 1,7
Oktober 2009 – Dezember 2009 5 Hasenfleisch n. n. n. n. n. n. n. n.
Oktober 2010 2 Hirschfleisch n. n. n. n. n. n. 2,3
Oktober 2010 2 Hirschleber n. n. n. n. n. n. 5,5
März 2011 2 Rotwild, Fleisch n. n n. n n. n n. n
März 2011 2 Rotwild, Leber n. n. n. n. n. n. 3,5
Oktober 2011 – Oktober 2012 2 Stockente, Fleisch n. n. 1,9 n. n. 4,2
Oktober 2011 – Oktober 2012 1 Stockente, Leber
n. n.
81,5
August 2012 – Dezember 2012 5 Rehfleisch (Lkrs. Altötting) n. n. 1,1 n. n. 0,4
August 2012 – Dezember 2012 5 Rehleber (Lkrs. Altötting) n. n. 9,5 n. n. 4,7
Juli 2016 – Dezember 2016 16 Rehfleisch n. n. n. n. n. n. n. n.
Oktober 2016 8 Hirsch, Rotwild, Fleisch n. n. n. n. n. n. n. n.
Juli 2016 – Dezember 2016 1 Rehfleisch (Lkrs. Altötting)
n. n.
n. n.
Juli 2016 –- Oktober 2016 22 Hasen-/ Kaninchenfleisch n. n. n. n. n. n. n. n.
Oktober 2018 – November 2018 5 Stockente, Fleisch n. n. n. n. n. n. 12,0
November 2018 1 Stockente, Leber
n. n.
86,5
November 2018 1 Stockente, Herz
n. n.
25,3
November 2018 – Januar 2019 3 Stockente, Fleisch (Lkrs. Altötting) < 0,5 17,6 n. n. 6,7
November 2018 – Januar 2019 3 Stockente, Leber (Lkrs. Altötting) 1,0 63,6 5,7 63,5
Juni 2019 – September 2019 2 Rehfleisch n. n. n. n. n. n. n. n.
Juni 2019 – September 2019 2 Rehleber n. n. n. n. n. n. 8,4
Mai 2019 1 Graugans, Fleisch
n. n.
n.n
November 2019 1 Stockente, Fleisch
n. n.
10,8
Februar 2020 2 Stockente, Fleisch (Lkrs. Altötting) n.n. 0,7 1,4 10,8
Februar 2020 2 Stockente, Leber (Lkrs. Altötting) n.n. 4,4 7,9 13,3

*) wenn nicht anders vermerkt, wurden die Proben in Bayern entnommen, jedoch nicht im Landkreis Altötting