Schwerpunktaktivität 2020/2021 Ergotalkaloide

Vorkommen und Bildung

Ergotalkaloide sind Schimmelpilzgifte (Mykotoxine), die vom Mutterkornpilz (Claviceps purpurea) gebildet werden können. Dieser befällt vor allem Roggen, kann aber auch in anderen Getreidearten wie Weizen oder Hafer vorkommen [1]. Die vom Mutterkorn gebildeten Toxine können Symptome wie Kopfschmerzen oder Krämpfe hervorrufen [2].

Um Verbraucherinnen und Verbraucher vor diesen Substanzen zu schützen, sind 2021 durch die Verordnung (EU) 2021/1399 [3] europaweit Höchstgehalte für Ergotalkaloide in bestimmten Lebensmitteln eingeführt worden. Das LGL hat im Vorfeld eine Schwerpunktaktivität durchgeführt. Dabei wurden von 2020 bis 2021 in insgesamt 20 bayerischen Mühlen Betriebskontrollen durchgeführt. Die Lebensmittelüberwachung begutachtete unter anderem die bauliche Beschaffenheit, die Einhaltung der Produktionshygiene und die Maßnahmen zur Vorbeugung und Minimierung von Mutterkorn. Mutterkörner unterscheiden sich in Aussehen und Form von den gesunden Getreidekörnern. Sie können durch verschiedene Reinigungstechniken wie mechanische Formausleser (z. B. Langkorntrieure) oder optoelektronische Farbausleser abgetrennt werden [1].

In den Betrieben wurden jeweils auch Getreide-Proben entnommen, die am LGL mittels LC-MS/MS (Flüssigchromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung) auf Ergotalkaloide untersucht wurden. In sieben von insgesamt 28 Proben waren keine Gehalte nachweisbar (Nachweisgrenze: 0,7 μg/kg je Ergotalkaloid). Ebenfalls bei sieben Proben waren Gehalte unterhalb der Bestimmungsgrenze nachweisbar (Bestimmungsgrenze: 2,0 μg/kg je Ergotalkaloid). 14 Proben (50%) wiesen quantifizierbare Gehalte auf. Da bis zum Abschluss der Betriebskontrollen und Probenahmen die geplanten Höchstgehalte noch nicht rechtskräftig waren, wendete das LGL zur Einschätzung der Ergebnisse das ALARA-Prinzip (As Low As Reasonably Achievable) an. Nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 315/93 [4] sind Kontaminanten auf so niedrige Werte zu begrenzen, wie sie durch gute Praxis sinnvoll erreicht werden können. In die Beurteilung gingen die Ergebnisse aller bisheriger Ergotalkaloid-Proben des LGL seit 2017 mit ein. Als erhöht betrachtete das LGL alle Gehalte, die über dem 90. Perzentil der bisherigen Proben des entsprechenden Getreideprodukts seit 2017 lagen (d. h. das LGL sah nur Gehalte als erhöht an, die über denen lagen, die 90 % der seit 2017 bis dahin untersuchten Proben eingehalten hatten). Zu insgesamt fünf Proben wurden Sachverständigenäußerungen wegen erhöhter Gehalte an Ergotalkaloiden (Gehalte von 442 µg/kg bis 995 µg/kg) verfasst. Als akut gesundheitsschädlich wurde keine Probe eingestuft. Nachfolgende Tabelle 1 gibt einen Überblick über die untersuchten Getreideprodukte und deren Untersuchungsergebnisse. Nur in Roggenmehl und Roggenkörnern konnten quantifizierbare Gehalte bestimmt werden.


Tabelle 1: Übersicht der Untersuchungsergebnisse der untersuchten Getreideprodukte
Proben Anzahl Proben insgesamt Anzahl Proben < Nachweis-grenze
(0,7 µg/kg)
Anzahl
Proben < Bestimmungs-grenze
(2,0 µg/kg)
Anzahl
Proben > Bestimmungs-grenze
(2,0 µg/kg)
Anzahl
Sach-verständigen-äußerungen
Roggenmehl 14 2 3 9 4
Roggenkörner 10 3 2 5 1
Weizenmehl 2 1 1 - -
Dinkelmehl 1 - 1 - -
Dinkelkörner 1 1 - - -
Gesamt 28 7 7 14 5

In der Verordnung (EU) 2021/1399 vom 24.08.2021 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 hinsichtlich der Höchstgehalte an Mutterkorn-Sklerotien und Ergotalkaloiden in bestimmten Lebensmitteln sind Höchstgehalte festgelegt, die seit dem 1. Januar 2022 gelten. Entsprechende Höchstgehalte bezüglich Ergotalkaloide befinden sich nunmehr in Anhang Abschnitt 2 Nr. 2.9.2 Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 [5]. Seit dem 25.05.2023 ist die Verordnung (EU) 2023/915 in Kraft und ersetzt die Verordnung (EG) 1881/2006. Die Höchstgehalte für Ergotalkaloide finden sich jetzt unter Nr. 1.8.2 des Anhangs I der Verordnung (EU) 2023/915 [6]. Für Roggen, der für den Endverbraucher in Verkehr gebracht wird, und Roggenmahlerzeugnisse ist dort ein Höchstgehalt von 500 μg/kg (bis 30.06.2024, danach 250 μg/kg) angegeben. Vier Proben (14%) wiesen Gehalte auf, die über den seit 01.01.2022 geltenden Höchstgehalten liegen. Eine Probe lag zusätzlich über dem Höchstgehalt, der ab 01.07.2024 gelten wird.

Die nachfolgende Abbildung 2 zeigt einen Überblick der Proben mit Ergotalkaloid-Gehalten oberhalb der Bestimmungsgrenze von 2,0 μg/kg im Vergleich zu den neuen Höchstgehalten.

In Abbildung 2 sind die Gehalte der 14 Proben dargestellt, die oberhalb der Bestimmungsgrenze von 2,0 µg/kg lagen. Eingezeichnet sind der momentane Höchstgehalt von 500 µg/kg für Roggen und Roggenmahlerzeugnisse und der ab 01. Juli 2024 niedrigere Höchstgehalt von 250 µg/kg. Vier Proben lagen oberhalb des Höchstgehalts von 500 µg/kg, eine Probe lag bei fast 1.000 µg/kg, die anderen drei lagen jeweils knapp unter 800, 700 und 600 µg/kg. Der Gehalt der einen zusätzlichen Probe über dem zukünftig niedrigeren Höchstgehalt lag bei etwa 450 µg/kg. Drei Proben wiesen Gehalte zwischen 200 und 100 µg/kg auf, die restlichen sechs positiven Proben lagen bei Gehalten unter 100 µg/kg.

Abbildung 2: Proben mit Ergotalkaloid-Gehalten oberhalb der Bestimmungsgrenze von 2,0 μg/kg (n = 14, von insg. 28) im Vergleich zu den neuen Höchstgehalten für Roggenmahlerzeugnisse und Roggen, der für den Endverbraucher in Verkehr gebracht wird

Defizite bei den Minimierungsmaßnahmen ließen sich in keinem Betrieb, bei dem die entnommenen Proben erhöhte Werte an Ergotalkaloiden aufwiesen, feststellen. Alle betroffenen Betriebe prüften im Rahmen ihrer Wareneingangskontrollen das angelieferte Getreide durch Sichtkontrollen auf Mutterkorn-Sklerotien. In allen Betrieben wurden kombinierte Reinigungsschritte entsprechend der Handlungsempfehlungen [1] angewandt. Ein zusätzlicher Sicherungsschritt im Rahmen der Minimierungsstrategie von Ergotalkaloiden ist der Einsatz eines Farbauslesers. Um die Möglichkeiten dieser hochwertigen Verlesetechnik vollumfänglich ausschöpfen zu können und gleichzeitig eine ausreichende Anlagenkalibrierung zu gewährleisten, ist eine regelmäßige quantitative Prüfung des Sortierergebnisses notwendig. Erst die optimale Kombination einer ausreichenden Kalibrierung, fachgerechten Wartung, Anlagenkenntnis im Zusammenspiel mit den Möglichkeiten der verbauten Detektionstechnik führt zu einem guten Verleseergebnis.

Durch die ab 2022 bzw. 2024 festgelegten Höchstgehalte müssen Lebensmittelunternehmer in Zukunft nun mehr darauf achten, Ergotalkaloidgehalte in Getreideprodukten effektiv zu minimieren. Die Datenlage der bisherigen Untersuchungen zeigt, dass Gehalte unterhalb des neuen Höchstgehaltes gut zu erreichen sind. 94% der am LGL untersuchten Proben an Roggenmehl und Roggenkörnern seit 2017 wiesen Gehalte von weniger als 500 μg/kg auf und knapp 88% wiesen auch Gehalte von weniger als 250 μg/kg auf (Stand 26.08.2021).

Um die Belastungssituation von Getreide und die Einhaltung der neuen Höchstgehalte zu überprüfen, wird das LGL auch weiterhin regelmäßig Getreideprodukte und vor allem Roggen auf Ergotalkaloide untersuchen.


Quellen

  1. Handlungsempfehlungen zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide, BMEL, Max-Rubner-Institut, 2014 (PDF, 520 KB).
  2. Einzelfallbewertung von Ergotalkaloid-Gehalten in Roggenmehl und Roggenbroten, Stellungnahme Nr. 024/2013 des BfR vom 7. November 2012, aktualisiert am 28.08.2013 (PDF, 273 KB).
  3. Verordnung (EU) 2021/1399 der Kommission vom 24. August 2021 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 hinsichtlich der Höchstgehalte an Mutterkorn-Sklerotien und Ergotalkaloiden in bestimmten Lebensmitteln (ABl. L 301 vom 25. August 2021, S. 1-5)
  4. Verordnung (EWG) Nr. 315/93 des Rates vom 8. Februar 1993 zur Festlegung von gemeinschaftlichen Verfahren zur Kontrolle von Kontaminanten in Lebensmitteln (ABl. L 37 S. 1), zuletzt geändert durch Anh. Nr. 5.1 ÄndVO (EG) 596/2009 vom 18.6.2009 (ABl. L 188 S. 14)
  5. Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission vom 19. Dezember 2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln (ABl. L 364 S. 5), zuletzt geändert durch Art. 1 VO (EU) 2023/465 vom 3.3.2023 (ABl. L 68 S. 51)
  6. Verordnung (EU) 2023/915 der Kommission vom 25. April 2023 über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 (ABl. L 119 S. 105)