Kochpökelwaren – stimmt die Kennzeichnung?

Signet Jahresbericht 2021/22

Abstract

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) untersuchte in den Jahren 2021 und 2022 insgesamt 108 Proben Kochpökelwaren wie Schinken oder Vorderschinken. Darunter befanden sich auch 17 Imitate, die die hohen Anforderungen an Kochpökelwaren nicht erfüllten. Die Beanstandungsquote lag mit 37 % bei Kochpökelwaren insgesamt sehr hoch, wobei insbesondere die Imitate, also „nachgemachte“ Erzeugnisse, beanstandet werden mussten. Diese stammten überwiegend aus anderen EU-Ländern. Aber auch bei den qualitativ hochwertigeren Kochpökelwaren gab es Kennzeichnungsmängel und Erzeugnisse, die die Mindestanforderungen an die Qualität nicht vollständig erfüllten. Besonders problematisch waren Schinkenerzeugnisse, die in der Gastronomie verwendet wurden – hier stimmte die Bezeichnung der Erzeugnisse auf dem Etikett und vor allem in den Speisekarten oft nicht mit den verwendeten Erzeugnissen überein. Aber auch Produkte aus dem Einzelhandel waren gelegentlich zu Unrecht als „Spitzenqualität“ bezeichnet.

Einleitung

In Deutschland sind Kochpökelwaren wie Schinken oder Vorderschinken traditionell sehr hochwertige Erzeugnisse aus gewachsener Muskulatur vom Schwein, die außer Nitritpökelsalz, weiteren Zusatzstoffen und Gewürzen keine anderen Zutaten enthalten, so dass der Fleischanteil bei mindestens 90 % liegt. Vor allem in der Gastronomie werden diese hochwertigen Erzeugnisse häufig bei Gerichten wie “Pizza Prosciutto" oder "Schinkennudeln" durch minderwertige Imitate mit verringertem Fleischanteil ersetzt. Das Fleisch wird ersetzt durch Wasser, Stärke, Verdickungsmittel sowie Soja- und Milcheiweiß. Auch der Einsatz von in Deutschland nicht zulässigen Eiweißhydrolysaten oder freien Aminosäuren ist vereinzelt zu beobachten. Imitate von Kochpökelwaren bestehen meist aus einer feinzerkleinerten Masse mit eingelagerten Fleisch- und Fettstückchen und ähneln mehr einer Brühwurst als einer Kochpökelware. Feinzerkleinertes Fleisch wird bei Schinken und Vorderschinken nicht verwendet.

Auch im Einzelhandel finden sich Kochpökelwaren unterschiedlicher Qualität. Viele Erzeugnisse sind mit hervorhebenden Hinweisen wie „Delikatess“ bzw. „Spitzenqualität“ ausgelobt. Mit derartigen Auslobungen müssen die Erzeugnisse höhere Anforderungen an den Fleischeiweißgehalt erfüllen als Erzeugnisse ohne diese Angaben.

Untersuchungsergebnisse

Das LGL überprüfte in den Jahren 2021 und 2022 insgesamt 108 Proben aus dem Einzelhandel, aus Metzgereien und aus der Gastronomie. Dabei handelte es sich um Erzeugnisse, die in der Bezeichnung den Wortbestandteil „Schinken“ tragen, also Bezeichnungen wie „Kochschinken“, „Hinterschinken“ und „Vorderschinken“.

Darunter waren 91 Proben, bei denen es sich um Kochpökelwaren aus gewachsener Muskulatur handelte, sowie 17 Imitate von Kochpökelwaren, die zum Teil aus feinzerkleinerter Grundmasse bestanden.

Die Gesamtbeanstandungsquote lag bei 37 %. Die Beanstandungsquote bei Erzeugnissen aus Deutschland (82 Proben) lag bei 31 %, bei Erzeugnissen aus anderen EU-Mitgliedsländern (17 Proben) bei 88 %. Die übrigen Proben konnten keinem Herstellungsland zugeordnet werden. Diese stark unterschiedlichen Beanstandungsquoten lassen sich zum Teil dadurch erklären, dass es sich bei deutschen Erzeugnissen überwiegend um hochwertige Kochpökelwaren handelte. Bei den 17 ausländischen Erzeugnissen handelte es sich größtenteils um Imitate, während sich unter den deutschen Erzeugnissen lediglich 5 Imitate befanden.

Kochpökelwaren

Die 91 untersuchten Kochpökelwaren (Schinken, Vorderschinken) stammten bis auf fünf Proben überwiegend aus Bayern bzw. Deutschland. Der durchschnittliche Fleischanteil der Kochpökelwaren lag bei 94 %. Ein Teil der Proben wurde bei Metzgereien oder Herstellern entnommen (26 Proben), daneben auch in Gaststätten und Bäckereien (39 Proben) sowie im Einzel- und Großhandel (26 Proben). Von den 91 untersuchten Kochpökelwaren wurden 25 Proben beanstandet (27 %). Die Beanstandungsgründe waren vielfältig; darunter die nicht ausreichend kenntlich gemachte Abweichung von der Verkehrsauffassung, zum Beispiel bei einem zu geringen Fleischeiweißgehalt. Weitere Mängel waren irreführende Auslobungen wie „Delikatess“ oder „Spitzenqualität“, die Verwendung von nichtzutreffenden Bezeichnungen in der Speisekarte; nicht gekennzeichnete Zusatzstoffe sowie Kennzeichnungsmängel bei der Allergenkennzeichnung, in der Zutatenliste, bei der Angabe des Fleischanteils oder bei der Nährwertkennzeichnung.

Betrachtet man nur die Proben, die im Einzelhandel, in Metzgereien oder direkt beim Hersteller entnommen wurden, sieht das Bild erfreulicher aus. Von den 50 dort gezogenen Proben waren lediglich acht Proben (16 %) zu beanstanden. Bei fünf von zwölf Erzeugnissen mit der Auslobung „Delikatess“, „Gourmet“ oder „Spitzenqualität“ wurde diese Auslobung beanstandet, weil die Qualität nicht der Auslobung entsprach. Drei Proben wurden lediglich wegen fehlerhafter Nährwertangaben zu Fett oder dem Mindesthaltbarkeitsdatum beanstandet.

Imitate

Da sich Imitate hinsichtlich Aussehen, Geruch, Geschmack und Zusammensetzung grundlegend von Schinken und Vorderschinken unterscheiden, handelt es sich um Lebensmittel eigener Art. Damit der Verbraucher derartige Erzeugnisse von verwechselbaren Erzeugnissen unterscheiden kann, muss die Bezeichnung den tatsächlichen Charakter der Produkte hinreichend genau beschreiben. Die Bezeichnungen "(Hinter-)Schinken", "Vorderschinken" oder "Formfleisch(vorder)schinken" dürfen daher nicht verwendet werden. Als Bezeichnung kann z. B. "Pizzabelag aus gepökeltem Schulterfleisch" verwendet werden, ergänzt durch Beschreibungen wie z. B. "überwiegend fein zerkleinert". Auch die verwendeten nicht üblichen Zutaten (z. B. Sojaeiweiß), der Fleischanteil und der Wasserzusatz sind anzugeben.

Die 17 untersuchten Imitate, stammten hauptsächlich aus der Gastronomie, drei Proben aus dem Großhandel. Fünf Proben konnten Deutschland zugeordnet werden, acht Proben stammten aus Italien und vier aus Belgien. Alle 17 Imitate mussten beanstandet werden. Der durchschnittliche Fleischanteil der Imitate lag bei 73 %, wobei die Werte von 48 % bis 91 % reichten.

Die beanstandeten Erzeugnisse waren in der Regel mit irreführenden oder nicht ausreichenden Bezeichnungen auf dem Originaletikett und/oder auf der Speisekarte versehen. Häufig waren die Bezeichnungen auf den Etiketten zwar korrekt, die Erzeugnisse wurden in der Speisekarte trotzdem als „Schinken“ oder „Vorderschinken“ bezeichnet. Weitere Beanstandungsgründe waren nichtzutreffende Mengenangaben des Fleischanteils, sonstige Kennzeichnungsmängel sowie in einem Fall ein nicht deklarierter Zusatz der Aminosäure Lysin.

Foto eines Schinkenimitats, bei der in einer homogenen Masse eingelagerte Fleisch-, Fett- und Bindegewebsstücke zu erkennen sind. Diese Stückchen reiskorn- bis etwa haselnussgroß.

Abbildung eines Schinkenimitas. Es besteht größtenteils aus feinzerkleinerter Masse mit Einlagerungen aus meist kleinen Fleisch-, Fett- und Bindegewebsstücken.

Fazit und Ausblick

Obwohl sich die Qualität von Kochpökelwaren in Gaststätten in den letzten Jahren insgesamt verbessert hat, sind die Beanstandungsquoten noch relativ hoch.
Nach wie vor werden insbesondere in der Gastronomie minderwertige Imitate verwendet, die nicht entsprechend gekennzeichnet sind. So liegen die Beanstandungsquoten auch in den Jahren 2021/2022 bei Imitaten nach wie vor bei 100 %, wobei in vielen Fällen „nur“ noch die Angaben in der Speisekarte Anlass zur Beanstandung gaben. Angaben wie "Schinkenpizza", "Salat mit Schinken" oder "Schinkennudeln" sind bei Verwendung von Imitaten nicht möglich. Die Originalerzeugnisse selbst waren auf dem Etikett teilweise korrekt benannt. Es ist jedoch zu beobachten, dass in den Gaststätten inzwischen mittlerweile überwiegend Kochpökelwaren zum Einsatz kommen und somit „Schinkenpizza“ immer häufiger auch tatsächlich mit Schinken hergestellt wird. Die Untersuchung von Schinkenerzeugnissen in Gaststätten ist daher ein fortlaufender Untersuchungsschwerpunkt des LGL.

Für den Verbraucher sieht die Situation deutlich besser aus, wenn man die im Einzelhandel, Metzgereien oder beim Hersteller gezogenen Proben betrachtet. Allerdings werden im Einzelhandel viele Erzeugnisse mit Auslobungen einer besonderen Qualität wie „Delikatess“ oder „Spitzenqualität“ angeboten, die gelegentlich die erforderliche Qualität nicht erreichen. Daher wird das LGL Kochpökelwaren mit derartigen hervorhebenden Hinweisen weiterhin untersuchen, da es hier immer wieder zu Beanstandungen kommt, wenn die Verwendung dieser Auslobungen nicht gerechtfertigt ist.