Vector-borne Infectious Diseases in Climate Change Investigations (VICCI):

Abschlussbericht

Projekt 4: Risikoabschätzung zeckenübertragener Infektionskrankheiten in urbanen Parkanlagen Bayerns

Projektkoordinator: Prof. Dr. Kurt Pfister
Mitarbeiter: Sabine Schorn, Dr. Cornelia Silaghi

In Mitteleuropa ist der gemeine Holzbock Ixodes ricinus die häufigste Zeckenart. Dieser kommt ubiquitär vor und ist aufgrund seines großen Wirtsspektrum (>300 Wirbeltierarten incl. Mensch sind bekannt) als Vektor von Pathogenen besonders bedeutsam. Seine bevorzugten Habitate sind neben Wald- und Wegrändern auch öffentliche Gärten und Parkanlagen. Besonders Parkanlagen sind wichtige Gebiete für die städtische Naherholung. Sie werden besonders in den Sommermonaten des Jahres intensiv für eine Vielzahl an freizeitlichen Aktivitäten genutzt. Sie können aber auch als eng umschriebene Ökosysteme betrachtet werden, deren Flora und Fauna sich durch den starken Einfluss des Menschen von naturbelassenen Grünflächen unterscheiden.

Das Klima hat einen großen Einfluß auf die Aktivität des Holzbockes. Allgemein sagt man dass dieser ab einer Durchschnittstemperatur von ca. 7°C aktiv wird. Das bedeutet, dass milde Winter den Holzbock immer öfter ganzjährig in Erscheinung treten lassen.

Der Holzbock ist neben der Lyme-Borreliose und der Frühsommermeningoenzephalitis auch Überträger von weniger bekannten Krankheiten wie der Granulozytären Anaplasmose (durch Anaplasma phagocytophilum), Babesiose (durch verschiedene Babesienarten) und Rickettsiose (durch verschiedene Rickettsienarten). Die Übertragung von Bartonellen durch den Holzbock wird derzeit in der Wissenschaft intensiv diskutiert.

In vorangegangenen Studien wurde feststellt, dass der Stadtpark eine besondere Rolle für Zecken und zeckenübertragene Pathogene zu spielen scheint. So konnten für den bakteriellen Krankheitserreger A. phagocytophilum höhere Prävalenzen im Englischen Garten in München ermittelt werden verglichen mit zur gleichen Zeit untersuchten süddeutschen Waldgebieten. Ein gegenteiliges Bild zeigte sich für Rickettsien der Fleckfiebergruppe, welche geringere Infektionsraten in Zecken in Stadparks aufwiesen verglichen mit den Waldgebieten. Dies zeigt, dass ein unterschiedliches Risiko bestehen könnte mit einer infizierten Zecke in Kontakt zu kommen je nachdem in welcher Art von Ökosystem man sich aufhält.

Die Frage stellte sich, ob Zecken und zeckenübertragene Pathogene auch in anderen bayerischen Stadtparks vorkommen und ob sich auch Unterschiede im Vorkommen von Krankheitserregern zeigen. Des Weiteren sollte untersucht werden, ob das Klima oder andere Faktoren einen Einfluss auf das Vorkommen des jeweiligen Erregers nimmt.

Für eine adäquate zukünftige Risikoabschätzung bezüglich zeckenübertragener Krankheitserreger beim Menschen und dessen Begleittieren in städtischen Bereichen sind fundierte epidemiologische Daten zu unterschiedlichen Zeckenhabitaten, Zeckendichte und Infektionsraten übertragbarer Krankheitserreger eine nötige Grundvoraussetzung. Ziele dieses Moduls waren daher das Vorkommen von Zecken sowie die Zeckendichte, die Infektionsraten von Babesia spp, A. phagocytophilum, Rickettsia spp. und Bartonella spp. und die Auswirkung geographischer und saisonaler Faktoren auf die Wahrscheinlichkeit, dass eine Zecke infiziert ist sowie die Unterschiede der Infektionsrate bezüglich Entwicklungsstadien, Geschlecht und Jahreszeit in ausgewählten städtischen Grünanlagen in Bayern zu untersuchen.

Zu diesem Zweck wurden Zecken monatlich über zwei Jahre in insgesamt neun verschiedenen Parks in fünf bayerischen Städten gesammelt und die Zeckendichte ermittelt. Neun Standorte wurden 2009 auf die Anwesenheit von Babesia spp., A. phagocytophilum, Rickettsia spp. und Bartonella spp. untersucht sowie fünf ausgewählte Standorte zusätzlich auf Babesia spp. und A. phagocytophilum in 2010. Es wurden insgesamt 13.403 I. ricinus sowie jeweils eine I. frontalis und I. hexagonus gefangen. Dabei wurden Zecken in jedem untersuchten Stadtpark gefunden. Die Zeckendichte variierte von mittel bis hoch, abhängig vom untersuchten Standort. Eine Stichprobe von 6.593 Zecken (5.569 für A. phagocytophilum) wurde untersucht mit folgenden Ergebnissen: Babesia spp. (2009: 0,4%; 2010: 0,5-0,7%); A. phagocytophilum (2009: 9,5%; 2010: 6,6%); Rickettsia spp. (2009: 6,4-7,7%). Dabei sind die Werte für Babesien eher als niedrig im deutschlandweiten Vergleich zu betrachten, die Werte für Rickettsien liegen im Bundesdurchschnitt und die Werte für Anaplasmen sind als hoch einzustufen. Bartonellen konnten nicht mit endgültiger Sicherheit nachgewiesen werden.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass in bayerischen Stadtparks Zecken überall vorkommen, ebenso wie verschiedene zeckenübertragene Krankheitserreger. Sowohl die durchschnittlich hohe Dichte des Holzbocks als auch die teils hohen Infektionsraten (z. B. für A. phagocytophilum) zeigen, dass der Stadtpark ein Habitat von besonderem wissenschaftlichen Interesse darstellt, aber auch ins Interesse des öffentlichen Gesundheitswesen rücken muss. Es ist von entscheidender Bedeutung, unterschiedliche Zeckenhabitate auch zukünftig unter Einbezug von Klimadaten und Zeckendichte systematisch zu untersuchen, um mehr über die Ökologie verschiedener zeckenübertragener Pathogene in Erfahrung zu bringen. Solche epidemiologischen Studien sind Grundvoraussetzung für eine zukünftige Risikoabschätzung für die Human- und Tiermedizin. Es ist anzunehmen, dass mit wärmeren Temperaturen in Wintermonaten und daraus resultierender vermehrter Aktivität des Holzbockes, Erkrankungen bei Mensch und Tier auch außerhalb der klassischen Zeckenaktivitätszeiten auftreten können.

Daher sollten sowohl Menschen, die in städtischen Gebieten wohnen, als auch Tierärzte, Ärzte und staatliche Gesundheitseinrichtungen sich bewusst machen, dass auch in städtischen Gebieten ein Risiko besteht potentiell mit Erregern zeckenübertragener Krankheiten in Kontakt zu kommen und folglich zu erkranken. Besonders Ärzte und Tierärzte sollten hinsichtlich der Differentialdiagnostik unterrichtet werden.

Da alle in diesem Modul untersuchten Erreger nach ca. 1 – 2 Tagen nach Festsaugen der Zecke übertragen werden ist auf die Prävention durch gründliches Absuchen und Entfernen von Zecken größter Wert zu legen und die Bevölkerung auch diesbezüglich aufzuklären.

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