Erforschung von nicht-medikamentösen Therapien im Versorgungsalltag

Prof. Dr. med. Elmar Gräßel, PD Dr. Carolin Donath, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung

Ressourcenerhaltende Therapien (ability-preserving therapies; APT)

Ressourcenerhaltende Therapien, früher nicht-medikamentöse Therapien genannt, zeichnen sich dadurch aus, die Fähigkeiten von Menschen mit Demenz zu erhalten und die Krankheitsprogression für einen definierten Zeitraum zu stoppen. Eine solche Therapieform, die MAKS-Therapie, für Menschen mit Demenz im Pflegeheim wurde 2008 im Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung entwickelt. MAKS steht für eine multimodale Förderung aus motorischen, alltagspraktischen und kognitiven Elementen, die regelmäßig an 5 Tagen pro Woche in einer Gruppe durchgeführt wird.

In einem methodisch hochwertigen und vom Bundeministerium für Gesundheit geförderten Forschungsprojekt konnte dabei erstmalig gezeigt werden, dass mit einer APT eine medikamentös nahezu unbehandelte Gruppe von Menschen mit Demenz sowohl ihre alltagspraktischen als auch ihre kognitiven Fähigkeiten über einen Zeitraum von 12 Monaten aufrechterhalten kann. Die MAKS-Therapie wirkt dabei nicht nur positiv auf die kognitiven und alltagspraktischen Fähigkeiten, die als Leitsymptome der Demenz gelten, sondern auch auf Stimmung und Verhalten der Betroffenen. Die Effektstärken sind dabei für die Kognition genauso, für die alltagspraktischen Fähigkeiten sogar doppelt so hoch wie für Antidementiva, und das trotz eines doppelt so langen Beobachtungszeitraumes (12 Monate in MAKS, 6 Monate in den meisten Zulassungsstudien von Antidementiva). Im Gegensatz zu medikamentösen Therapien treten keine unerwünschten Wirkungen auf. Zum ersten Mal in der Literatur gelang damit der Nachweis der Wirksamkeit einer multimodalen nicht-medikamentösen Therapie bei Menschen mit Demenz in der Evidenzklasse Ib. Die Hauptpublikation zum Projekt kann kostenfrei von folgendem Link heruntergeladen werden: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22133165.

Aufgrund der nachgewiesenen Effektivität der MAKS-Therapie im stationären Setting wird eine Evaluation dieser APT im teilstationären Setting als cluster-randomisierte, kontrollierte multizentrische Verlaufsstudie vom GKV-Spitzenverband gefördert und ab 2014 vom Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung als DeTaMAKS-Projekt bundesweit mit 32 kooperierenden Tagespflegeeinrichtungen durchgeführt. Der Fokus liegt zum einen auf der Erhaltung der alltagspraktischen Fähigkeiten von Demenzpatienten und in Folge dessen in Bezug auf pflegende Angehörige auf einer Förderung der Vereinbarkeit von Pflege und Berufstätigkeit. Mit dem DeTaMAKS-Projekt soll entscheidend dazu beigetragen werden, dass aus dem Versorgungsangebot "Tagespflege" eine "Tagesförderung" wird, die dazu beiträgt, die Selbstständigkeit im häuslichen Alltag zu fördern.

Eine weitere Zielsetzung im Schwerpunkt 1 des Zentrums für Medizinische Versorgungsforschung unter dem Aspekt ressourcenerhaltende Therapie ist die Erforschung der Effekte von motorischer und sensomotorischer Förderung von Menschen mit Gedächtniseinbußen – auch ohne explizite Demenzdiagnose:

So war das Ziel der Bewegungsstudie "BeWiTa" (Laufzeit: 2010/11) sowohl die positive Beeinflussung der Lebensqualität der Angehörigen als auch der Kognition und Motorik von Betroffenen mit Gedächtniseinbußen. Hierzu wurde zuhause lebenden Menschen mit nachweisbaren kognitiven Beeinträchtigungen und ihren Angehörigen in Nürnberger Senioreneinrichtungen wahlweise sportpädagogisch angeleitetes Bewegungstraining, Kegeln, sensomotorisches Training mit elektronischen Sportspielen (Wii) oder Tanzen angeboten. BeWiTa wurde mit dem Forschungsförderpreis 2010 der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. ausgezeichnet und dadurch finanziert. Eine Profilanalyse ließ erkennen, dass eine Verbesserung der psychischen Lebensqualität bei den Angehörigen erreicht werden konnte, die zu Beginn der Studie eine niedrige psychische Lebensqualität aufwiesen und bei solchen, die nicht mit dem Betroffenen zusammenlebten. In Hinblick auf die kognitiven Fähigkeiten profitierten insbesondere weibliche Betroffene durch das Aktivierungsangebot – siehe: Ulbrecht et al.: BeWiTa: eine Studie zu ambulanten Bewegungsangeboten in der Gruppe für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Neurogeriatrie 2013, 10 (4): 135-142.

Die eigenständige Fortführung von fünf der ehemals sechs BeWiTa-Gruppen nach Beendigung des Projekts seit Sommer 2011 ist ein besonderer Erfolg. Hier zeigt sich Bedarf, Akzeptanz und Wertschätzung solcher Aktivierungsprogramme. Das Förderangebot für Menschen mit Gedächtniseinbußen und ihre Angehörigen im Raum Nürnberg konnte damit nachhaltig gestärkt werden. Link zur Projekthomepage: http://www.angehoerigenberatung-nbg.de/index.php?id=998

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erforschung der Eignung und Wirksamkeit "moderner" nicht-medikamentöser Therapieansätze wie zum Beispiel "Exergames", das heißt konsolengebundene Sport- und Bewegungsangebote, verknüpft mit Balanceübungen, bei älteren Menschen.

So war z. B. das Ziel des "Wii-Pilotprojekts" (Laufzeit: 2009) die Machbarkeit der Implementation von Exergames und deren Akzeptanz bei Menschen in Pflegeheimen zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass Exergames akzeptierende Menschen im Pflegeheim vorwiegend kognitiv leistungsfähiger und interessierter sind, es aber trotzdem einer kontinuierlichen Begleitung bei den Spielen bedarf. Die Ergebnisse sind nachzulesen unter: Ulbrecht G: "Wii-Sports" Akzeptanz und therapeutischer Nutzen von Videospielen bei Menschen mit Demenz im Pflegeheim. Alzheimer Info 2010, 2:12. Die Finanzierung des Projekts basierte auf Eigenmitteln, Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialforschung und Sachmitteln (Konsolen) der Firma Nintendo. Die wissenschaftliche Begleitung zeigte, dass unter Anleitung Sportspiele an der Wii-Konsole im Pflegeheim bei jeder fünften älteren Person umsetzbar sind. Die Ergebnisse wurden publiziert: Ulbrecht G, Wagner D, Grässel E: Exergames and Their Acceptance Among Nursing Home Residents. Act Adapt Aging 2012, 36(2):93-106.

Unter dem Forschungsschwerpunkt "Implementierung von nicht-medikamentösen Therapien im Versorgungsalltag" des Zentrums für Medizinische Versorgungsforschung in Erlangen sind verschiedene Mitarbeiter aktiv. Der übergeordnete Bereich ressourcenerhaltende Therapien wird von Prof. Dr. Elmar Gräßel geleitet. Der Themenbereich Motorische und Sensomotorische Aktivierung durch "Exergames" und andere "moderne" Therapieformen obliegt Dr. Gudrun Ulbrecht. Multimodale nichtmedikamentöse Therapien für Demenzpatienten entwickeln v.a. Prof. Elmar Gräßel und PD Dr. Katharina Luttenberger. Die ressourcenerhaltende Therapie von Depressionspatienten wird ebenso von PD Dr. Katharina Luttenberger erforscht. Die Erforschung der therapeutischen Versorgung von Schmerzpatienten mit ressourcenerhaltender multimodaler Schmerztherapie obliegt PD Dr. Carolin Donath.

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