Soziale und regionale Determinanten von Gesundheit

Prof. Dr. Reiner Leidl, Prof. Dr. Rolf Holle, Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen (IGM):

Soziale und regionale Determinanten von Gesundheit sind von Interesse in der Präventions- und Versorgungsforschung, da sie Defizite aufzeigen, die grundsätzlich mit gesundheitspolitischen Maßnahmen angegangen werden können. Das IMG hat eine lange Tradition in der Bearbeitung sozialepidemiologischer Fragestellungen. In den letzten Jahren lag der Schwerpunkt auf der Erstellung und Erprobung eines deutschen Index multipler Deprivation, der in Anlehnung an angelsächsische Vorbilder entwickelt wurde. In den letzten 30 Jahren wurden in Großbritannien sogenannte "Deprivationsindizes" auf räumlicher Ebene entwickelt. Diese basieren auf dem Konzept der relativen Deprivation des britischen Soziologen Peter Townsend, welches eine Benachteiligung von Teilen der Bevölkerung im Vergleich zur Gesamtbevölkerung beschreibt. Zur Erfassung und Messung dieser regionalen Deprivation wurden aus aggregierten Zensusdaten oder administrativen Daten Indikatoren auf Basis unterschiedlicher räumlicher Einheiten gebildet und kombiniert, um Scores für die jeweiligen Gebiete zu berechnen.

Zur Bildung des Deprivationsindex für Deutschland wurde am IMG zuerst für Bayern eine Machbarkeitsstudie durchgeführt (Bavarian Index of Multiple Deprivation, BIMD). Die Gemeinden und kreisfreien Städte Bayerns wurden dabei als Raumeinheiten verwendet. Es wurden sieben Deprivationsdomänen definiert und auf Basis der amtlichen Statistik die entsprechenden Indikatoren, die dann zu einem Gesamtindex kombiniert wurden.
Im nächsten Schritt erfolgte die Bildung eines flächendeckenden Deprivationsindex für ganz Deutschland (German Index of Multiple Deprivation, GIMD). Auch hier erfolgte die Indexbildung sowohl kleinräumig auf Gemeindeebene als auch auf Kreisebene analog zum BIMD. Dabei mussten der Datenverfügbarkeit und Gebietsreformen geschuldete kleinere methodische Modifikationen durchgeführt werden. Bestimmte Daten waren nicht in allen Bundesländern in gleichem Maße verfügbar, diese wurden über andere offizielle Quellen besorgt oder lagen nur im Rahmen von Aggregatsgemeinden vor.

Insgesamt konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass die regionale Deprivation der Wohngemeinde zusätzlich zum individuellen Sozialstatus eine deutliche Assoziation mit Parametern der Krankheitslast und gesundheitlicher Outcomes zeigt. Ein Schwerpunkt der Analysen lag dabei auf dem Zusammenhang von regionaler Deprivation mit dem Auftreten von Adipositas und Typ-2-Diabetes. Weitere Arbeiten bezogen sich auf regionale Unterschiede bei der Tumorinzidenz und -mortalität von Lungenkrebs und Darmkrebs in Bayern. Sowohl auf Gemeinde- wie auch auf Kreisebene zeigten sich signifikante Assoziationen zwischen Tumorrisiko und regionaler Deprivation. Zukünftige Anwendungen sollen sich verstärkt auf regionale Unterschiede in der Versorgungsqualität konzentrieren. Der GIMD wurde auch anderen Forschergruppen im Rahmen von Kooperationen zur Verfügung gestellt.

Projekt

Die Rolle regionaler Deprivation bei der Prävention von Diabetes mellitus und Adipositas. Ergebnisse aus den GEDA-Telefonsurveys 2009 und 2010