Prä- und postnatale Exposition gegenüber perfluorierten Substanzen (PFC)

Das Projekt wurde mit teilweiser Unterstützung durch das Bundesinstitut für Risikoabschätzung vom Sachgebiet Chemikaliensicherheit und Toxikologie des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Kooperation mit dem Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München (Abteilung für Neonatologie und Abteilung für Stoffwechselstörungen und Ernährungsmedizin) und der 1. Frauenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt. Dabei sollte die Exposition gegenüber Schadstoffen im prä- und postnatalen Lebensbereich von Frauen und Kindern im zeitlichen Verlauf untersucht werden.

Hintergrund

Im Mittelpunkt der Untersuchung standen Perfluorverbindungen, die auch als Perfluortenside bekannt sind. Zwei wichtige Vertreter dieser Stoffklasse, das Perfluoroctansulfonat (PFOS) und die Perfluoroctansäure (PFOA) befinden sich in der wissenschaftlichen Diskussion. Es handelt sich bei ihnen um persistente Substanzen, die mittlerweile in fast allen biotischen und abiotischen Umweltbereichen, aber auch in menschlichen Untersuchungsmaterialien nachgewiesen werden können.

Aufgrund ihrer thermischen und chemischen Stabilität, ihrer Beständigkeit gegenüber UV-Strahlung und Verwitterung, sowie der schmutz-, farb-, fett-, öl-, und wasserabweisenden Eigenschaften fanden die PFOS-artigen Verbindungen in einer Vielzahl von Industrie- und Konsumprodukten Anwendung. PFOA wurden demgegenüber im Wesentlichen nur als Prozessierungshilfe (Emulgatoren) in der Herstellung von Fluorpolymeren eingesetzt. Eine Verunreinigung der Umwelt war somit insbesondere durch Emission während des Herstellungsprozesses und als Verunreinigung in Polymeren sowie anderen Anwendungen zu befürchten (DanishEPA 2005, RPA 2004).

Interne Belastungssituation der allgemeinen Bevölkerung

Aus verschiedenen Ländern lagen Daten zur Belastung des Blutes der allgemeinen, beruflich nicht exponierten Bevölkerung vor. Die PFOS-Ergebnisse aus europäischen Ländern bewegten sich im Bereich von 1 - 116 µg/l und die mittleren Konzentrationen zwischen 4,3 und 53 µg/l, die aus den USA zwischen 1 und 1656 µg/l bzw. im Mittel zwischen ca. 18 - 37 µg/l. In einer weltweiten Untersuchung von 473 Proben aus 9 Ländern wurden die höchsten Gehalte in den USA und Polen, mittlere Konzentrationen in Belgien, Italien, Korea, Malaysia, Sri Lanka und Brasilien und die geringsten in Indien beobachtet (Kannan et al. 2004).

Für Deutschland lagen Ergebnisse aus drei Untersuchungen vor. Midasch et al. (2006) berichteten von medianen PFOS- bzw. PFOA-Gehalten in Höhe von 22,3 µg/l bzw. 6,8 µg/l in 105 nordbayerischen Plasmaproben. In einer anderen Untersuchung in Südbayern wurden 356 Plasmaproben von Probanden im Alter von 14 bis 67 Jahren analysiert (Fromme et al. 2007). Es ergaben sich PFOS-Gehalte zwischen 2,1 und 55,0 µg/l (Median: 12,2 µg/l) und PFOA-Konzentrationen von 0,5 bis 19,1 µg/l (Median: 5,3 µg/l). In einer Studie in Nordrhein-Westfalen wurden bei Erwachsenen für PFOS 1,0 bis 92,5 µg/l und für PFOA 0,7 bis 15,3 µg/l bestimmt, während eine Gruppe, die PFOA-kontaminiertes Trinkwasser konsumiert hatte, Konzentrationen zwischen 5,4 und 99,7 µg/l für PFOA aufwies (Wilhelm et al. 2007).

Inwieweit die gemessenen Blutkonzentrationen der Bevölkerung mit gesund-heitlichen Risiken verbunden waren, ließ sich nicht abschließend beantworten. Aus toxikologischen Studien war eine geringe bis mäßige akute Toxizität abzuleiten, während hinsichtlich der chronischen Toxizität keine eindeutige Aussage getroffen werden konnte.

Perfluorierte Verbindungen in der Muttermilch

Grundsätzlich konnte auch von einem Übertritt dieser Substanzen in die Muttermilch ausgegangen werden. Systematische Untersuchungen perfluorierter Verbindungen in der Muttermilch waren in der wissenschaftlichen Literatur jedoch kaum vorhanden.

So wurden in einer amerikanischen Studie lediglich 2 Muttermilchproben auf Perfluorverbindungen analysiert (Kuklenyik et al. 2004). PFOS und PFOA konnten dabei nicht oberhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen werden. Kärrman et al. (2006) untersuchten Muttermilchproben von 12 schwedischen Frauen und fanden PFOS-Gehalte von 0,06 - 0,47 µg/l (Median: 0,17 µg/l) und PFHxS-Konzentrationen (Perfluorhexansulfonat) von 0,03 - 0,17 µg/l (Median: 0,07 µg/l). Die Gehalte in der Muttermilch waren dabei deutlich niedriger als im Blut der Mütter. In einer Untersuchung von Muttermilchproben von 19 Chinesinnen (mittleres Alter 26 Jahre) wurden PFOS-Gehalte von 0,045 - 0,36 µg/l und PFOA-Konzentrationen zwischen 0,047 und 0,21 µg/l beobachtet (So et al. 2006).

Im Rahmen des bayerischen Pilotprojektes zu BAMBI 2007/2008 wurden insgesamt 70 Muttermilchproben untersucht. Es handelt sich um 57 Proben aus Bayern und Sachsen, die alle im Jahr 2006 gewonnen wurden. Darüber hinaus konnten 13 konservierte Proben aus den Jahren 1996/97 analysiert werden, die im Rahmen einer Ernährungsstudie in Ungarn gewonnen worden waren. Die Auswertungen zeigten, dass die 57 deutschen Muttermilchproben durchschnittlich 0,12 µg/l (0,03 – 0,31 µg/l) PFOS enthalten. PFOA konnte nur in wenigen Proben über der Bestimmungsgrenze gefunden werden (Völkel et al. 2007).

Ziele des Projektes

  • Bestimmung der Gehalte perfluorierter Verbindungen im Blutplasma von Schwangeren und Müttern, im Nabelschnurblut, in der Muttermilch und in Blutproben von Säuglingen zur Abschätzung der Exposition von Schwangeren/Müttern und Kindern. In den verschiedenen Proben wurden die wichtigsten Vertreter der perfluorierten Verbindungen bestimmt, insbesondere Perfluoroctansulfonat (PFOS), Perfluoroctansäure (PFOA), Perfluorhexansulfonat (PFHxS) und Perfluorhexansäure (PFHxA).
  • Insgesamt sollten erstmals aussagekräftige Daten zur inneren Exposition gegenüber diesen toxikologisch bedenklichen Substanzen in der wichtigen prä- und postnatalen Lebensperiode erhoben und der Anteil, der in die Muttermilch übergeht, quantifiziert werden.

Durchführung

Im Rahmen der Untersuchung wurden insgesamt 44 Teilnehmerinnen, die kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes standen, zur Teilnahme an der Studie gewonnen. Mittels eines Fragebogens wurden potentielle Einflussfaktoren auf die interne Belastung mit perfluorierten Verbindungen erfragt. Hierzu zählen z. B. eine mögliche berufliche Exposition, besondere Ernährungsgewohnheiten und die Bedingungen des unmittelbaren Lebensumfeldes.

Blutproben wurden bei den Schwangeren/Müttern vor, während und circa 6 Monate nach der Geburt entnommen. Muttermilchproben wurden zeitgleich zu den Blutproben in den ersten 5 Lebensmonaten der Kinder monatlich gewonnen. Darüber hinaus wurden Blutproben aus der Nabelschnur untersucht und bei den Säuglingen Blut zu zwei Alterszeitpunkten entnommen.

Ergebnisse

Mittlerweile liegen zum Projekt folgende Ergebnisse vor:

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

  • H. Fromme, C. Mosch, M. Morovitz, I. Alba-Alejandre, S. Boehmer, M. Kiranoglu, F. Faber, J. Hannibal, O. Genzel-Boroviczény, B. Koletzko, W. Völkel (2010) Pre- and postnatal exposure to perfluorinated compounds (PFCs). Environ Sci Technol 44, 7123–7129. (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20722423)
  • C. Mosch, M. Kiranoglu, H. Fromme, W. Völkel (2010). Simultaneous quantitation of perfluoroalkyl acids in human serum and breast milk using online sample preparation by HPLC column switching coupled to ESI-MS/MS. J Chromatogr B Analyt Technol Biomed Life Sci 878, 2652-2658 (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20172766)

Literatur

  • Danish EPA (Danish Environmental Protection Agency) (2005) More environmentally friendly alternatives to PFOS-compounds and PFOA. Environmental project no. 10132005.
  • Fromme, H., Midasch, O., Twardella, D., Angerer, J., Boehmer, S., Liebl, B., 2007. Occurrence of perfluorinated substances in an adult German population in southern Bavaria. Int.Arch.Occup.Environ.Health 80, 313-319.
  • Kannan, K., Corsolini, S., Falandysz, J., Fillmann, K., Kumar, K.S., Loganathan, B.G., Mohd, M.A., Olivero, J., Van Wouwe, N., Yang, J.H., Aldous, K.M., 2004. Perfluorooctanesulfonate and related fluorochemicals in human blood from several countries. Environ.Sci.Technol. 38, 4489-4495.
  • Kärrman, A., Ericson, I., van Bavel, B., Darnerud, P.O., Aune, M., Glynn, A., Lignell, S., Lindström, G., 2007. Exposure of perfluorinated chemicals through lactation-levels of matched human milk and serum and temporal trend, 1996-2004, in Sweden. Environ. Health Perspect. 115, 226-230.
  • Midasch, O., Schettgen, T., Angerer, J., 2006. Pilot study on PFOS and PFOA of the German general population. Int.J.Hyg.Environ.Health 209, 489-496.
  • RPA (Risk & Policy Analysts Ltd.), 2004. Risk reduction strategy and analysis of advantages and drawbacks for perfluorooctane sulphonate (PFOS). Final report prepared for DEFRA. London, UK.
  • So, M.K., Yamashita, N., Taniyasu, S., Jiang, Q., Giesy, J.P., Chen, K., Lam, P.K.S., 2006. Health risks in infants associated with exposure to perfluorinated compounds in human breast milk from Zhoushan, China. Environ.Sci.Technol. 40, 2924-2929.
  • Völkel, W., Genzel-Boroviczény, O., Demmelmair, H., Gebauer, C., Koletzko, B., Verdugo-Raab, U., Twardella, D., Fromme, H., 2008. Perfluorooctane sulfonate (PFOS) and perfluorooctanoic acid (PFOA) in human breast milk. results of a pilot study. Int.J.Hyg.Environ.Health 211:440-446.
  • Wilhelm et al. (2007) Querschnittsstudie zur Untersuchung der inneren Belastung von Mutter-Kind-Paaren und Männern in Gebieten erhöhter Trinkwasserbelastung mit Perfluorierten Verbindungen („PFT“). Darstellung erster Ergebnisse vom 15. März 2007, Bochum, Germany, 2007.

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