Herkunfts- und Authentizitätprüfungen 2007 mittels Stabilisotopenanalytik (IRMS und NMR)

Was ist Stabilisotopenanalytik?

Angaben zur geografischen Herkunft, zur ökologischen Erzeugungsweise oder zur Naturbelassenheit von Zutaten waren mit den üblichen analytischen Verfahren bisher kaum überprüfbar.
Die Stabilisotopenmethode nutzt den Umstand, dass die Hauptelemente der Biomasse (Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Schwefel) in der Natur nicht als Konstante, sondern als variierende Gemische stabiler Isotope vorkommen.
Physikalische Vorgänge wie zum Beispiel die Verdunstung von Wasser und (bio)-chemische Reaktionen wie zum Beispiel die Photosynthese führen zu sehr geringen, aber gut messbaren Verschiebungen der Isotopenverhältnisse. Die Inhaltsstoffe von Pflanzen und Tieren erhalten auf diese Art und Weise ein Isotopenmuster, das ihre Zuordnung zu einer Erzeugungsregion beziehungsweise zu einem Herstellungsverfahren ermöglicht.

Stabilisotopenanalytik bei Getränken

Mittels Deuterium-Kernresonanzspektrometrie und Isotopenmassenspektrometrie untersuchte das LGL 2007 insgesamt 433 Proben, darunter auch Vergleichsproben für den Aufbau und die Pflege von Datenbanken für Wein und Fruchtsaft. Bei 240 Proben Wein, Schaumwein und teilweise gegorenem Traubenmost prüfte es, ob die Herkunftsangaben zutreffend sind und ob unzulässige Herstellungsverfahren wie Anreicherung und Süßung mit Fremdzucker sowie Wasserzusatz eingesetzt worden waren. Falsche Herkunftsangaben und/oder Wasserzusatz wies das LGL bei 18 italienischen Weinen sowie bei einem bulgarischen und einem mazedonischen Wein nach.
Aufgrund immer wiederkehrender Meldungen in der Fachpresse zu Verfälschungen bei italienischen Perlweinen der Rebsorte Prosecco haben die Labore den Gehalt an exogenem, das heißt nicht aus der Gärung stammenden Kohlendioxids überprüft. Während die untersuchten Proben Perlwein nicht zu beanstanden waren, konnte das LGL in zwei Sekten eines deutschen Herstellers mit der Angabe „Flaschengärung“ und im Sekt eines spanischen Herstellers mit der Angabe „traditionelle Flaschengärung“ erhöhte Gehalte an exogenem Kohlendioxid nachweisen.
Fünf Obstbrände (Kirschwasser, Pflaumenbrand, Marillen- beziehungsweise Aprikosenbrand) fielen durch Isotopenverhältnisse auf, die nicht typisch für die angegebenen Rohstoffe beziehungsweise authentischen Obstdestillate waren. Neben einem Verschnitt mit Neutralalkohol aus C4-Rohstoffen wie zum Beispiel Mais oder Rohrzucker wies das LGL in einem Fall auch eine Ausbeuteerhöhung durch Rübenzucker nach. Diese Erzeugnisse entsprachen nicht den Vorschriften der EU Spirituosenverordnung.

Pflanzliche Lebensmittel

eine handvoll Spargel

In der vergangenen Saison wurden 54 Spargelproben, darunter zwei Verfolgs- und zwei Verdachtsproben, untersucht. Erstmalig mussten keine deutschen Spargelproben wegen falscher Herkunftsangaben beanstandet werden. Aufgrund der für Deutschland ungewöhnlichen Wetterlage mit sommerlichen Temperaturen im April und Mai startete die Spargelsaison sehr früh und somit war ein großes Angebot an heimischer Ware auf dem Markt. Deshalb war auch davon auszugehen, dass ein „Verschnitt“ oder eine Umdeklaration von ausländischen Produkten, welche aufgrund ungünstiger klimatischer Bedingungen in diesen Ländern 2007 deutlich teurer angeboten wurden, nicht wirtschaftlich war. Mit authentischen Proben wurde auch 2007 die Spargeldatenbank erweitert.
Eine im vergangenen Jahr eingeführte Methode zur Herkunftsbestimmung von Karotten setzte das LGL nun auch in der Praxis ein. Dabei zeigte sich, dass Karotten aus Italien deutlich von denen aus den Niederlanden und Deutschland unterscheidbar waren. Hier ist ein kontinuierlicher Ausbau der Datenmenge notwendig, um zukünftig auch klima- und anbaubedingte Schwankungen der Stabilisotopenverhältnisse in eine Bewertung einbeziehen zu können.
Bei Erdbeeren zeigen die über einen Zeitraum von drei Jahren gesammelten Daten vergleichbare Stabilisotopenverhältnisse, auch unter Berücksichtigung der jahreszeitlichen Schwankungen (siehe Abbildung 1). Bei deutschen, italienischen und spanischen Proben stellte das LGL keine Täuschungen durch falsche Herkunftsangaben fest. Aufgrund von Pressemeldungen über umdeklarierte Erdbeeren aus Tschechien werden die Untersuchungen von Erdbeeren im nächsten Jahr fortgeführt.

In der Abbildung 1 ist die Herkunftsbestimmung ?? von Erdbeeren aus unterschiedlichen Herkunftsländern (Deutschland, Spanien, Italien) über einen Zeitraum von drei Jahren dargestellt. Hierfür wurde der Delta 34S-Isotopenwert (X-Achse) der Erdbeerpulpe mit dem Delta 18O-Isotopenwert (Y-Achse) des Erdbeersaftes und dem Delta 2 H Isotopenwert (Z-Achse) der Erdbeerpulpe in Beziehung gesetzt. Die Proben aus Deutschland können in einer Gruppe zusammengefasst werden.
Abbildung 1: Multielement-/Multikomponenten-Stabilisotopenanalyse von Erdbeeren

Tierische Lebensmittel

Im Rahmen des europäischen TRACE-Projektes (www.trace.eu.org) liegt nun der Schwerpunkt bei der Messung von Fleisch (Lamm, Rind, Huhn). Bei Lammfleisch sind die Untersuchungen bereits abgeschlossen und publiziert (Camin F. et. al., Anal. Bioanal. Chem. (2007) 389:309–320), während sie bei Rind- und Hühnerfleisch noch andauern. Unter dem Aspekt „Geflügelgrippe – woher kommen unsere Hühner(produkte)?“ begann das LGL auch damit, die im TRACE-Projekt entwickelte Methode bei Fertigprodukten mit Hühnerfleisch einzusetzen. So kann zum Beispiel eine Maisfütterung, wie sie überwiegend im asiatischen Raum verbreitet ist, anhand der Kohlenstoffisotopenverhältnisse erkannt werden. Nach ersten Ergebnissen ist eine Unterscheidung zwischen europäischem und chinesischem Hühnerfleisch in Fertigprodukten möglich (siehe Abbildung 2). Aufgrund der geringen Zahl von Vergleichsproben, vor allem auch aus anderen europäischen und asiatischen Staaten sind jedoch noch keine statistisch gesicherten Aussagen möglich. Es sind weitere Untersuchungen geplant.
Nachdem im Rahmen der Überprüfung von Erzeugnissen mit geschützter Herkunftsangabe bereits umfangreiche Daten von Allgäuer Emmentaler und Allgäuer Bergkäse vorliegen, wurden die Untersuchungen auch auf das Ausgangsprodukt Milch ausgeweitet.

In der Abbildung 2 sind herkunftsbedingte Unterschiede von Hühnerfleisch verschiedener europäischer (Deutschland, Schweiz, Ungarn, Italien, Frankreich) und nichteuropäischer (China, Thailand, Brasilien) Länder mittels Diskriminanzanalyse der Stabilisotopenverhältnisse der Elemente Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel in der fettfreien Trockenmasse dargestellt. Die Proben der europäischen Länder und die der nichteuropäischen Länder bilden jeweils eine Gruppe. Hühnerfleisch in „verarbeiteten Form“ lässt sich der Gruppe der Proben aus europäischen Ländern zuordnen.
Abbildung 2: Möglichkeiten einer Herkunftsbestimmung von Hühnerfleisch durch Diskriminanzanalyse der Stabilisotopenverhältnisse verschiedener Elemente in der fettfreien Trockenmasse

Ausblick

Im Verlauf des letzten Jahres konnte nicht zuletzt forciert durch Projekte wie das TRACE-Projekt das Untersuchungsspektrum des Stabilisotopenlabors auf die Untersuchung von Wasserstoff in flüssigen Proben sowie Sauerstoff in stickstoffhaltigen festen Proben erweitert werden.
Die dargestellten Ergebnisse zeigen, dass der mit der Stabilisotopenanalytik verbundene relativ hohe Aufwand Früchte trägt, da das LGL nur mithilfe dieser Analytik in den letzten zehn Jahren im Bereich Wein und vielen anderen Lebensmittelgruppen eine effektive Kontrolle aufbauen konnte. Dies führte zur Aufdeckung zahlreicher Verfälschungen (z. B. im Wein: Wässerungen, unzulässige Anreicherungen oder Süßungen mit Fremdzucker vor allem bei Erzeugnissen aus bestimmten Ländern). Im Weinsektor ist eben auch wegen der Stabilisotopenanalytik die Zahl der beanstandeten Weine (mit unzulässigen önologischen Verfahren) bis zum Jahr 2006 deutlich zurückgegangen. Einzelfälle zeigen aber, dass es auch weiterhin erforderlich ist, die Stabilisotopenanalytik sowohl im Bereich Wein, Fruchtsaft und Spirituosen als auch in anderen Handelsprodukten (sowohl hochpreisige Produkte als auch Massenware) zur Authentizitätsprüfung einzusetzen.
Das LGL hat dabei als erste und als eine von nur zwei deutschen Untersuchungseinrichtungen mit kompletter Ausstattung für die Stabilisotopenanalytik auch eine besondere Verantwortung für den Verbraucherschutz in Deutschland.

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