Verbrauchertäuschung bei Fleischerzeugnissen: Schnitzel, Schnitten & Co.
Der Trend zur schnellen Küche, zur Außerhaus-Verpflegung, zu Convenience- und Fingerfood hält an. Wunsch vieler Verbraucher ist es, im Bistrostil, im Stehen, im Gespräch, auch mal ohne Besteck und Teller, wohlschmeckende, handliche Portionen zu verzehren; glatt abzubeißen, nicht tropfend oder faserziehend, idealerweise in gleichgroßen und formvollendeten Häppchen. Jedoch sind zahlreiche traditionelle Gerichte und Speisen für diese Verzehrsweise völlig ungeeignet.
Laufend werden diesem Trend folgend neue Produkte entwickelt. Die notwendigen neuen Produktnamen müssen einerseits an Bekanntes anknüpfen und dem Verbraucher das erwartete Geschmackserlebnis bieten, gleichzeitig muss das Produkt aber auch moderne Herstellungs- und Verzehrseigenschaften aufweisen.
Folglich erhält der Verbraucher, der ein Schnitzel wünscht, beispielsweise als Bestandteil eines Gerichts im Restaurant oder als Schnitzel in der Semmel auf einem Rastplatz, Produkte, die sich in Größe, Form, Zusammensetzung und sensorischen Eigenschaften ganz erheblich voneinander unterscheiden. Je nach Erfahrung und Erwartung des Verbrauchers entsteht dabei immer wieder der Eindruck, nicht das eigentlich gewünschte Produkt, sondern irgendetwas anderes in ähnlicher Aufmachung zu bekommen.
Deshalb soll im Folgenden zusammengestellt werden, was man unter einem Schnitzel versteht und was mehr oder weniger ähnliche, aber andere Produkte sind. Ausgehend vom Deutschen Lebensmittelbuch, welches Verkehrsbezeichnung, Qualität und Zusammensetzung verschiedener Lebensmittel auf dem deutschen Markt regelt, werden das "klassische" Schnitzel und seine Varianten dargestellt. Es folgt die Erläuterung anderer Produkte mit abweichender Herstellung und Zusammensetzung, die durchaus vorteilhafte Eigenschaften besitzen können, die jedoch vom uninformierten Verbraucher und bei flüchtiger Betrachtung mit dem Produkt "Schnitzel" verwechselt werden können.
Schnitzel
Abbildung 1: Ein Schnitzel, wie man es sich wünscht. Foto: Kobako
Was unter einem Schnitzel zu verstehen ist, ist in den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches geregelt: unter der Voraussetzung, dass das Fleisch vom warmblütigen Tier (Rind, Kalb, Schwein, Geflügel etc. ) stammt, dann ist ein Schnitzel: eine Scheibe Fleisch, also Skelettmuskulatur, in natürlichem Zusammenhang,
- mit wenig Binde- und Fettgewebe, also üblicherweise von der Oberschale oder Unterschale des Rindes (Muskelteile der oberen Hintergliedmaße) oder aus Nuss des Schweins (Teil des Kniestrecker-Muskels) oder ein entsprechend zugeschnittenes Stück anderer Muskulatur.
- Beim Geflügel stammt das Schnitzel aus der Brustmuskulatur.
- Aufgrund des geringen Bindegewebegehalts und der Muskelfaserstruktur ist das als "Schnitzel" bezeichnete Muskelfleisch zum Kurzbraten oder Grillen geeignet.
In den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches werden die klassischen Angebotsformen des Schnitzels gesondert genannt. Sie unterscheiden sich in Herkunft des Muskelgewebes von Tierart und Körperregion und durch die Zubereitungsvarianten:
Nackenschnitzel: Scheiben aus der Muskulatur des Schweinenackens
Wiener Schnitzel: paniertes Kalbsschnitzel
Schnitzel á la Holstein: nicht paniertes Kalbsschnitzel mit Garnierung (zum Beispiel Sardellen) und Spiegelei als Auflage
Rahmschnitzel: Fleisch stammt vom Kalb
Cordon bleu: zwei gleich große Schnitzel (eventuell als Tasche geformt) dazwischen Schinken und Käse, meist paniert; ohne Tierartangabe, handelt es sich um ein Kalbsschnitzel
Formfleischschnitzel
Abbildung 2: Für ein Produkt wie in Abbildung 2 gezeigt wäre eine korrekte Kennzeichnung dann zum Beispiel "Hähnchenformfleisch-Schnitzel, aus Fleischstücken zusammengefügt, mit 6 % Flüssigwürze und aus z. T. fein zerkleinertem Fleisch hergestellt, paniert, gebraten".
Im Gegensatz zum Schnitzel, wie zuvor beschrieben, besteht Formfleischschnitzel aus Einzelstücken nach mechanischer Vorbehandlung zur Freisetzung von Muskeleiweiß an den Fleischoberflächen. Bei gleichzeitiger Auflockerung der Struktur des Muskelgewebes werden Formfleischschnitzel auch unter Verwendung von Kochsalz zusammengefügt. Die Produkte behalten ihre schnitzelähnliche Form durch Hitze- oder Gefrierbehandlung im Herstellungsprozess. Alternativ werden stattdessen auch Transglutaminasen, Alginat oder ähnliche "Bindestoffe" eingesetzt.
Der Muskelabrieb (freigesetztes Muskeleiweiß, brätähnliche Substanz) bei Formfleischschnitzel beträgt maximal 5 Volumen%, bei Geflügel 10 Volumen% im verzehrsfertigen Fleischanteil. Bei der Herstellung wird kein gewolftes, gekuttertes oder in ähnlicher Weise zerkleinertes Fleisch verwendet.
Werden Flüssigwürze oder Trinkwasser in das Muskelgewebe gespritzt, stellt dies eine nicht unerhebliche Abweichung von der Verkehrsauffassung dar und muss dementsprechend kenntlich gemacht werden, um eine Irreführung des Verbrauchers auszuschließen. Dasselbe gilt, wenn gewolftes, gekuttertes oder in ähnlicher Weise zerkleinertes Fleisch verwendet wird, der brätartige Anteil jedoch 5 Volumen% (10 Volumen% für Geflügelfleischprodukte) nicht überschreitet.
Abbildung 3: Rohes Formfleischschnitzel, mit Natriumalginat aus einzelnen Stücken (ohne Gefrierbehandlung) zusammengefügt, korrekt deklariert als "Formfleischschnitzel, aus Fleischstücken zusammengefügt, mit 6 % Trinkwasser und Verdickungsmittel".
Abbildung 4: Falsche Deklaration von Formfleischprodukten. Die farbig eingefügten Korrekturen wären nötig, um die betreffenden Produkte korrekt zu kennzeichnen. Derartige Kennzeichnungen werden vom LGL beanstandet.
Schnitten
Abbildung 5: "Hähnchenschnitte", kein Formfleischschnitzel mehr, da über 10 Volumen% brätartige Substanz anteilig enthalten sind.
Diese Bezeichnung wird für Erzeugnisse verwendet, die über 5 Volumen% (bzw. 10 Volumen% bei Geflügelerzeugnissen) brätartige Substanz aufweisen oder so stark von der Verkehrsauffassung für Schnitzel abweichen, dass die Abweichung in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung nicht mehr kenntlich gemacht werden kann.
Bei derartigen Produkten handelt es sich um Aliuds, das heißt Erzeugnisse eigener Art. Sie dürfen die Bezeichnung "Schnitzel" oder "Formfleischschnitzel" nicht führen. Daher wird als Verkehrsbezeichnung meist eine Phantasiebezeichnung gewählt, die dann näher erläutert werden muss. Der Zusatz "nach Schnitzel Art" zur Phantasiebezeichnung ist nach Auffassung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) nicht zulässig. Denkbar wäre allenfalls "nach Schnitzel Art geformt" oder "nach Schnitzel Art paniert".
Abbildung 6: "nach Schnitzel Art" ist nicht akzeptabel für ein brühwurstartiges Produkt. Der Satz "aus zum Teil fein zerkleinertem Hähnchenfleisch, mit 6 % Flüssigwürze hergestellt" sollte mindestens die gleiche Schriftgröße wie "paniert..." haben. Dies wurde vom LGL beanstandet.
Cordon bleu und Varianten
Abbildung 7: Dieses Produkt ist nicht korrekt als "Cordon bleu, panierte Schnitte aus Putenfleisch, mit Putenschinken und Schmelzkäse - frisch - gegart" gekennzeichnet.
Auch "Cordon bleu" ist gemäß den Leitsätzen (gleiche Leitsatznummer wie "Schnitzel") genau definiert und besteht es aus zwei gleich großen Schnitzeln (eventuell in Form einer Tasche), dazwischen Schinken und Käse, meist paniert. Ohne Angabe der Tierart handelt es sich um Kalbsschnitzel. Das in Abbildung 7 dargestellte Produkt unterscheidet sich in Zusammensetzung und Angebotsform deutlich von dem Produkt in Abbildung 1.
Das in Abbildung 7 dargestellte Erzeugnis wurde als "Cordon bleu, Panierte Schnitte aus Putenfleisch, mit Putenschinken und Schmelzkäse - frisch - gegart" deklariert.
Die Verwendung des Begriffs "Cordon bleu" für ein derartiges Erzeugnis sowie des Begriffs "Putenfleisch" ohne weitere Erläuterungen, wie zum Beispiel "brühwurstartig zerkleinert, mit Flüssigwürze" ist nicht zulässig. In dem gezeigten Beispiel wurde außerdem an Stelle von Schinken ein brühwurstartiges Erzeugnis und anstatt Käse Schmelzkäse verwendet.