Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Erdbeeren von Oktober 2005 bis Januar 2006
Hintergrund der Untersuchungen
Erdbeeren zählen zu den beliebtesten und auch mengenmäßig bedeutenden Obstarten in Deutschland. Zunehmend werden Erdbeeren nicht mehr nur zur Hauptsaison im Frühsommer angeboten, sondern finden sich praktisch das ganze Jahr über im Supermarktregal.
Untersuchungen in den zurückliegenden Jahren haben gezeigt, dass "Winterware" vergleichsweise stark mit Pflanzenschutzmittel-Rückständen belastet ist. Um die Belastungssituation weiter zu verfolgen, wurden gestreut über das ganze Jahr Erdbeeren untersucht. Der vorliegende Beitrag berichtet über die Ergebnisse der von Ende Oktober 2005 bis Januar 2006 beprobten Erdbeeren (Stichtag für die Ergebnisse: 13.02.2006).
Zusammenfassung
Im Zeitraum Ende Oktober bis Januar wurden insgesamt 35 Proben Erdbeeren aus dem Groß- und Einzelhandel untersucht. Die Proben stammten aus verschiedenen Herkunftsländern. Interessanterweise war in diesem Zeitraum nicht nur Ware aus südlichen Regionen auf dem Markt, vereinzelt war als Herkunft auch Deutschland, Belgien oder Niederlande angegeben. Offensichtlich werden Erdbeeren zunehmend auch im Unterglasbau gezogen.
Die Rückstandssituation hat sich im Vergleich zu den Vorjahren nicht gebessert. Nur 6 % der Proben waren rückstandsfrei, 60 % wiesen Rückstände unterhalb der zulässigen Höchstmengen auf und bei immerhin 34 % waren die Höchstmengen überschritten.
Abbildung 1: Anteil rückstandshaltiger Erdbeeren (10/2005 - 01/2006)
Ergebnisse im Detail
Einen Überblick über Teilaspekte der Rückstandssituation gibt die Tabelle 1. Die Probenzahlen je Herkunftsland sind teilweise nur gering, so dass die Aussagen statistisch nicht zu verallgemeinern sind. Im Mittel wurden 4,3 Rückstände pro Probe gefunden, der mittlere Rückstandsgehalt lag bei 0,47 mg/kg. Damit sind die untersuchten Erdbeeren als mittelmäßig belastet anzusprechen, im Vergleich etwa zu den stärker belasteten Tafeltrauben, in denen im Durchschnitt 6,2 Rückstände pro Probe und 0,62 mg/kg Rückstandsgehalt gefunden wurden (Jahresdurchschnitt der Untersuchungsergebnisse 2005 des Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)).
Herkunftsland | Gesamtzahl | ohne R | mit R kleiner als HM | mit R größer als HM | verschiedene Stoffe | Anzahl R pro Probe1) | Gehalt R pro Probe1) (mg/kg) |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Ägypten | 7 | 2 | 2 | 3 | 9 | 1,4 | 0,21 |
Belgien | 1 | 0 | 0 | 1 | 6 | 6,0 | 0,80 |
Deutschland | 3 | 0 | 3 | 0 | 5 | 3,0 | 0,07 |
Israel | 6 | 0 | 5 | 1 | 18 | 5,2 | 0,36 |
Italien | 3 | 0 | 2 | 1 | 16 | 6,3 | 0,11 |
Marokko | 4 | 0 | 2 | 2 | 14 | 5,5 | 0,94 |
Niederlande | 3 | 0 | 2 | 1 | 9 | 4,0 | 0,20 |
Peru | 1 | 0 | 0 | 1 | 3 | 3,0 | 0,24 |
Spanien | 7 | 0 | 5 | 2 | 19 | 5,4 | 0,96 |
Gesamt | 35 | 2 | 21 | 12 | 55 | 4,3 | 0,47 |
6% | 60% | 34% | |||||
zum Vergleich: Winter 2003/04 | 77 | 8% | 83% | 9% | |||
Winter 2004/05 | 40 | 10% | 80% | 10% |
R = Rückstand; HM = Höchstmenge; 1): Durchschnitt
Bei 12 Proben (34 %) wurden Höchstmengenüberschreitungen festgestellt, was einen deutlichen Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren darstellt. Betroffen waren hierbei Fungizide (gegen Pilze), Insektizide (gegen Insekten) und Akarizide (gegen Milben). Erwähnenswert ist, dass Deutschland das einzige Herkunftsland ohne Höchstmengenüberschreitungen war. Alle Überschreitungen betrafen nicht toxikologisch begründete, "allgemeine" Höchstmengen im Bereich der Bestimmungsgrenze, weil bei den entsprechenden Stoffen eine spezielle Regelung für Erdbeeren (noch) nicht erfolgt ist (siehe Tabelle 2).
Vier Höchstmengenüberschreitungen bezogen sich auf den Stoff Mepanipyrim. Für diesen fungizid wirksamen Stoff ist eine Allgemeinverfügung nach § 54 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch beantragt, die allerdings zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht erteilt war. So waren anstelle der beantragten Grenze von 2,0 mg/kg, die alle Proben deutlich unterschritten hätten, nur 0,01 mg/kg zulässig. Für Spinosad existiert eine Allgemeinverfügung über 0,3 mg/kg, die allerdings im Fall von ägyptischen Erdbeeren aus formaljuristischen Gründen nicht herangezogen werden konnte, weil Ägypten kein Land des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist.
Herkunftsland | Anzahl HMÜ | Stoff | R-Gehalt (mg/kg) |
zulässige HM (mg/kg) |
ARfD-Ausschöpfung |
---|---|---|---|---|---|
Ägypten | 1 | Spinosad (I) | 0,032 | 0,01 | n. nw. |
Ägypten | 1 | Methomyl (I) | 0,47 | 0,05 | 37% |
Ägypten | 1 | Carbendazim (F) | 0,43 | 0,10 | 34% |
Belgien | 1 | Mepanipyrim (F) | 0,058 | 0,01 | 0% |
Israel | 3 | Chlorfenapyr (A, I) Lufenuron (I) Trifloxystrobin (F) |
0,096 0,016 0,16 |
0,05 0,01 0,02 |
n. f. n. f. n. nw. |
Italien | 1 | Etofenprox (I) | 0,021 | 0,01 | 8% |
Marokko | 1 | Carbendazim (F) | 0,49 | 0,10 | 38% |
Marokko | 1 | Dicofol (A) | 0,088 | 0,02 | 1% |
Niederlande | 1 | Mepanipyrim (F) | 0,21 | 0,01 | 1% |
Peru | 2 | Acetamiprid (I) Methomyl (I) |
0,022 0,16 |
0,01 0,05 |
0% 12% |
Spanien | 1 | Mepanipyrim (F) | 0,11 | 0,01 | 1% |
Spanien | 1 | Mepanipyrim (F) | 0,76 | 0,01 | 4% |
HMÜ = Höchstmengenüberschreitung, F = Fungizid, I = Insektizid, A = Akarizid
ARfD = Akute Referenz Dosis; n.nw. = nicht notwendig; n. f. = nicht festgelegt
Bei allen Höchstmengenüberschreitungen wird eine toxikologische Risikoabschätzung durchgeführt. Dazu wird am Beispiel eines Kindes von 2 bis unter 5 Jahren überprüft, in welchem Maß bei einem einmaligen Verzehr die Akute Referenz Dosis (ARfD) ausgeschöpft ist. Bei Überschreitung des ARfD-Wertes erfolgt eine Meldung an das Europäische Schnellwarnsystem (RASFF). Das war allerdings bei den vorliegenden Proben in keinem Fall erforderlich.
Insgesamt wurden 55 verschiedene Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe nachgewiesen, die in der Abbildung 2 aufgelistet sind. Unter den 20 häufigsten Stoffen finden sich 15 Fungizide, was die überragende Bedeutung von Pilzerkrankungen in Erdbeerkulturen widerspiegelt.
Abbildung 2: Nachgewiesene Stoffe in Erdbeeren und Nachweishäufigkeit (10/2005 - 01/2006)
Häufig wurden in einer Probe mehrere Stoffe gleichzeitig gefunden, das Maximum lag bei neun Stoffen in jeweils zwei Proben aus Spanien und einer Probe aus Marokko. Eine dieser spanischen Proben war trotz der Vielzahl an Rückständen und einem Gesamtgehalt an Rückständen von 1,4 mg/kg (dem vierthöchsten Wert dieser Untersuchungsreihe) nicht zu beanstanden, weil keine der einzelnen Höchstmengen auch nur annähernd erreicht wurde.
Das Problem der Mehrfachrückstände wird teilweise sehr emotional und kontrovers diskutiert, insbesondere wegen noch lückenhafter Kenntnisse über mögliche additive Wirkungen der unterschiedlichen Stoffe im menschlichen Organismus. Auch im Hinblick auf "gute Agrarpraxis" sind extreme Mehrfachbefunde sehr fragwürdig.
Abbildung 3: Mehrfachrückstände in Erdbeeren (10/2005 - 01/2006)
Fazit
Die untersuchten Erdbeeren erwiesen sich als mittelmäßig mit Pflanzenschutzmittel-Rückständen belastet. Der Anteil an Höchstmengenüberschreitungen war vergleichsweise hoch. Allerdings waren die verletzten Höchstmengen nicht toxikologisch begründet und die Beanstandungen beruhten zum Teil auf formaljuristischen Besonderheiten. Die Akute Referenz Dosis (ARfD) war in keinem Fall überschritten, so dass keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die einzelnen nachgewiesenen Rückstände zu erwarten waren. Aus gesundheitlicher Sicht spricht nichts dagegen, sich auch im Winter ab und zu ein paar Erdbeeren zu gönnen.