Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Tafeltrauben von Januar bis August 2006
Hintergrund der Untersuchungen
Tafelweintrauben gehören zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschen. Heute ist die Weinrebe in mehreren tausend Arten in vielen Regionen weltweit verbreitet.
Weintrauben enthalten, abhängig von der Sorte und Verarbeitung, viele Antioxidantien, vor allem Polyphenole, sowie weitere im menschlichen Körper wirksame Substanzen. Dazu gehören beispielsweise B-Vitamine, Carotinoide und Mineralstoffe (u. a. Kalium, Kalzium und Magnesium).
Rote und blaue Trauben enthalten im Vergleich zu den hellen Trauben allgemein mehr dieser wichtigen Stoffe, die zu rund einem Drittel in den Kernen stecken. Daher sollten die oft angebotenen kernlosen Sorten ("Thompson Seedless", "Sultanina" oder "Superia") nicht den Sorten mit Kernen vorgezogen werden.
Die Jahresweltproduktion an Weintrauben beträgt mehr als die von Äpfeln und Orangen zusammen. Durchschnittlich verzehrt jeder Deutsche 4 kg Weintrauben (als Tafeltrauben) pro Jahr, aber Trauben werden hauptsächlich (zu ca. 85% der Weltproduktion) zu Säften und vor allem zu Wein verarbeitet (Keltertrauben). Zudem werden aus einem Teil der Trauben (5 %) Rosinen produziert.
Tafeltrauben werden heute bei uns fast das ganze Jahr über angeboten. Aus Italien werden große Menge zwischen Juli und November geliefert, aber auch spanische, griechische und türkische Früchte werden in diesem Zeitraum angeboten. In den übrigen Monaten stammen die Tafeltrauben meist aus Argentinien, Brasilien, Chile und Südafrika. Die deutschen Trauben werden im Oktober geerntet, wobei sie oft zum direkten Verzehr zu sauer sind. Daher kommen fast alle Tafeltrauben aus dem Ausland. Jedoch wird mittlerweile eine stärkere Vermarktung von deutschen Trauben angestrebt.
Die Trauben sind bei uns als Intensivkultur vom Austrieb im Frühjahr bis zur Beerenlese im Herbst vielen Krankheiten und Schädlingen ausgesetzt. Pilzerkrankungen wie Echter und Falscher Mehltau, Grauschimmel und die Schwarzfleckenkrankheit stellen ein besonders großes Problem dar, aber auch die Larven der Traubenspinner (Heuwurm oder Sauerwurm) können die Weinreben befallen. Daher werden während der Wachstumsperiode Pflanzenschutzmittel ausgebracht, um die Trauben vor Schädlingen zu schützen und die Ernte zu sichern. Aktuelle Züchtungen bezwecken die Verbesserung natürlicher Resistenzen gegen Schädlinge und damit eine Einsparung von Pflanzenschutzmitteln.
Um die Belastungssituation weiter zu verfolgen, werden gestreut über das ganze Jahr Weintrauben untersucht. Der vorliegende Beitrag berichtet über die Ergebnisse der von Anfang Januar bis Mitte August 2006 beprobten Tafeltrauben (Stichtag für die Ergebnisse: 14.08.2006).
Zusammenfassung
Im Zeitraum Anfang Januar bis Mitte August 2006 wurden insgesamt 84 Proben Tafeltrauben aus dem Groß- und Einzelhandel untersucht. Die Proben stammten aus verschiedenen Herkunftsländern, deutsche Trauben wurden in die Untersuchungen nicht einbezogen, da der Beprobungszeitraum nicht in der Saison lag und somit keine deutschen Produkte auf dem Markt waren.
Die Rückstandssituation hat sich im Vergleich zu den Jahren 2004 und 2005 nicht grundlegend verändert. Nur 5% der Proben waren rückstandsfrei, 84% wiesen Rückstände unterhalb der zulässigen Höchstmengen auf und bei 11% waren die Höchstmengen überschritten (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Anteil rückstandshaltiger Tafeltrauben (01/2006 - 08/2006)
Ergebnisse im Detail
Einen Überblick über die Rückstandssituation gibt Tabelle 1. Mit Ausnahme von Argentinien, Brasilien, Chile, Südafrika und Italien sind die Probenzahlen je Herkunftsland so gering, dass statistische Aussagen nicht zu verallgemeinern sind. Insgesamt wurden 66 verschiedene Stoffe 396-mal nachgewiesen. Im Gesamtdurchschnitt wurden 4,7 Rückstände pro Probe gefunden, der mittlere Rückstandsgehalt lag bei 0,42 mg/kg. Der höchste Einzelrückstand betrug 3,2 mg/kg, in 167 Fällen (42 %) lagen die Gehalte der einzelnen Rückstände unter 0,01 mg/kg.
Damit sind die Tafeltrauben aus der ersten Jahreshälfte als mittelmäßig belastet zu bewerten. Im Vergleich waren Erdbeeren geringfügig weniger belastet, da sie im Durchschnitt 4,2 Rückstände pro Probe und 0,36 mg/kg Rückstandsgehalt aufwiesen (Untersuchungsergebnisse Februar-Juni 2006 des LGL).
Herkunftsland | Gesamt- zahl |
ohne R | mit R kleiner als HM |
mit R größer als HM |
verschiedene Stoffe | Anzahl R pro Probe 1) | Gehalt R pro Probe1) (mg/kg) |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Argentinien | 7 | 2 | 5 | 0 | 8 | 1,6 | 0,06 |
Australien | 1 | 0 | 1 | 0 | 5 | 5,0 | 0,09 |
Brasilien | 10 | 0 | 10 | 0 | 19 | 4,0 | 0,15 |
Chile | 17 | 0 | 15 | 2 | 21 | 5,8 | 0,66 |
Indien | 2 | 0 | 1 | 1 | 10 | 5,5 | 0,47 |
Italien | 8 | 0 | 6 | 2 | 31 | 7,5 | 0,64 |
Marokko | 1 | 0 | 0 | 1 | 6 | 6,0 | 0,75 |
Namibia | 2 | 0 | 2 | 0 | 5 | 3,0 | 0,07 |
Spanien | 1 | 0 | 1 | 0 | 9 | 9,0 | 0,27 |
Südafrika | 17 | 2 | 15 | 0 | 19 | 3,2 | 0,55 |
Türkei | 1 | 0 | 0 | 1 | 17 | 17,0 | 1,06 |
ungeklärt | 17 | 0 | 15 | 2 | 34 | 4,7 | 0,27 |
Gesamt | 84 | 4 | 71 | 9 | 66 | 4,7 | 0,42 |
- | - | 5% | 84% | 11% | - | - | - |
zum Vergleich: | - | - | - | - | - | - | - |
2005 | 176 | 7% | 77% | 16% | 90 | 6,2 | 0,62 |
2004 | 174 | 14% | 65% | 21% | 75 | 3,5 | 0,34 |
R = Rückstand; HM = Höchstmenge; 1) Durchschnitt
Bei neun Proben (11%) wurden Höchstmengenüberschreitungen festgestellt, was einen Rückgang im Vergleich zu den beprobten Tafeltrauben der vergangenen Jahre 2004 und 2005 darstellt.
Dies kann jedoch auch an der anteiligen Zusammensetzung der Herkunftsländer liegen. In dem jetzigen Untersuchungszeitraum wurde nur eine Probe aus der Türkei und keine Probe aus Griechenland untersucht. Aus diesen Ländern stammen jedoch erfahrungsgemäß vergleichsweise stärker belastete Tafeltrauben. Aufgrund der Trauben-Saison im hier vorliegenden Beprobungszeitraum wurden oft Tafeltrauben aus Südafrika, bzw. von der Südhalbkugel allgemein, untersucht, die sich schon in den Vorjahren als vergleichsweise geringer belastet erwiesen haben (siehe Jahresbericht 2005 des LGL und Berichte des LGL zu Rückstandsuntersuchungen von Pflanzenschutzmitteln in Tafeltrauben der Jahre 2003 und 2004).
Die unzulässig hohen Gehalte betrafen Insektizide (gegen Insekten), Fungizide (gegen Pilze) und ein Akarizid (gegen Milben) und wurden bei jeweils zwei Proben aus Italien und Chile und jeweils einer türkischen, indischen und marokkanischen Probe nachgewiesen. Bei zwei Proben war das Herkunftsland nicht bekannt (siehe Tabelle 2).
Die Höchstmengenüberschreitungen bezogen sich alle auf "allgemeine" Höchstmengen im Bereich der Bestimmungsgrenze, da bei den entsprechenden Stoffen eine spezielle Regelung für (Tafel-)Trauben nicht vorliegt.
Eine italienische Probe aus ökologischen Landbau enthielt den Stoff Penconazol, jedoch in geringer, auch für Bioware tolerierbarer Menge.
Herkunftsland | Anzahl HMÜ | Stoff | Rückstands-Gehalt | zulässige Höchstmenge (mg/kg) |
ARfD-Ausschöpfung (mg/kg) |
---|---|---|---|---|---|
Chile | 1 | Imidacloprid (I) | 0,60 | 0,05 | 10 |
Chile | 1 | Imidacloprid (I) | 0,094 | 0,05 | 2 |
Indien | 1 | Flusilazol (F) | 0,013 | 0,01 | 17 |
Italien | 1 | Fenazaquin (A) | 0,029 | 0,01 | 2 |
Türkei | 2 | Imazalil (F) | 0,069 | 0,02 | 9 |
Lufenuron (I) | 0,040 | 0,01 | n. f. | ||
Italien | 1 | Lufenuron (I) | 0,011 | 0,01 | n. f. |
Marokko | 1 | Pyriproxyfen (I) | 0,044 | 0,01 | n. nw. |
ungeklärt | 2 | Flusilazol (F) | 0,028 | 0,01 | 37 |
Profenofos (I) | 0,15 | 0,05 | 98 | ||
ungeklärt | 1 | Imidacloprid (I) | 0,21 | 0,05 | 3 |
HMÜ = Höchstmengenüberschreitung, A = Akarizid, F = Fungizid, I = Insektizid
ARfD = Akute Referenz Dosis; n. nw. = nicht notwendig; n. f. = nicht festgelegt
Bei allen Höchstmengenüberschreitungen wird eine toxikologische Risikoabschätzung durchgeführt. Dazu wird am Beispiel eines Kindes von 2 bis unter 5 Jahren überprüft, in welchem Maß bei einem einmaligen Verzehr die Akute Referenz Dosis (ARfD) ausgeschöpft ist. Bei Überschreitung des ARfD-Wertes sind gesundheitliche Risiken nicht mit der gebotenen Sicherheit auszuschließen. In solchen Fällen erfolgt über das Europäische Schnellwarnsystem (RASFF) eine entsprechende Mitteilung an die Mitgliedstaaten. Das war allerdings bei den vorliegenden Proben in keinem Fall erforderlich.
Von den insgesamt 66 verschiedenen, nachgewiesen Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen sind die häufigsten Stoffe (viermal und häufiger nachgewiesen) in der Abbildung 2 aufgelistet. Unter den 20 häufigsten Stoffen finden sich 17 Fungizide, was das Risiko auf Pilzerkrankungen in Traubenkulturen widerspiegelt.
Abbildung 2: Häufig nachgewiesene Stoffe in Tafeltrauben (01/2006 - 08/2006)
Meist wurden in einer Probe mehrere Stoffe gleichzeitig gefunden. Zehn Proben (12 %) enthielten einen Rückstand, 28 Proben (33 %) zwei bis vier Rückstände und 31 Proben (37 %) fünf bis sieben Rückstände. Weiterhin gab es noch 11 Proben (13 %) mit acht und mehr Rückständen, wobei 2 Proben mit 17 bzw. 18 Rückständen besonders negativ auffielen (siehe Abbildung 3).
Abbbildung 3: Mehrfachrückstände in Tafeltrauben (01/2006 - 08/2006)
Die Probe mit 18 Stoffen stammte aus Italien, die mit 17 Stoffen aus der Türkei. Bei der italienischen Probe lag der Lufenuron-Gehalt oberhalb der zulässigen Höchstmenge und die Trauben wiesen einen vergleichsweise hohen Gesamtrückstandsgehalt von 2,30 mg/kg auf. Die Probe aus der Türkei war wegen Höchstmengenüberschreitungen von Lufenuron und Imazalil zu beanstanden und wies einen deutlichen Gesamtrückstandsgehalt von 1,06 mg/kg auf.
Das Problem der Mehrfachrückstände wird teilweise sehr emotional und kontrovers betrachtet, insbesondere wegen noch lückenhafter Kenntnisse über mögliche additive Wirkungen der unterschiedlichen Stoffe im menschlichen Organismus. Auch im Hinblick auf "gute Agrarpraxis" sind extreme Mehrfachbefunde sehr diskussionsbedürftig.
Fazit
Die untersuchten Tafeltrauben waren im Vergleich zu denen der Vorjahre 2004 und 2005 etwas geringer mit Pflanzenschutzmittel-Rückständen belastet. Die durchschnittlichen Pestizid-Rückstandsgehalte und die Anzahl der Rückstände pro Probe waren im Vergleich zu 2005 etwas niedriger, im Vergleich zu 2004 etwas höher. Der Anteil an Höchstmengenüberschreitungen lag etwas niedriger als in den Jahren 2004 und 2005. Dies kann jedoch noch nicht als Trend verallgemeinert werden, da die beprobten Tafeltrauben aufgrund der saisonalen Gegebenheiten im Beprobungszeitraum oft aus anderen Ländern als in den Vorjahren stammten.
Die verletzten Höchstmengen betrafen "allgemeine" Höchstmengen und die Akute Referenz Dosis (ARfD) wurde in keinem Fall überschritten. Demzufolge waren keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die einzelnen nachgewiesenen Rückstände nach der derzeitigen Datenlage zu erwarten.
Allgemein zählen Trauben somit weiterhin zu den mittelmäßig bis stark belasteten Obstsorten.