Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Gemüse-Paprika von November 2005 bis Januar 2006

Hintergrund der Untersuchungen

Gemüsepaprika ist vom Speiseplan des deutschen Verbrauchers nicht mehr wegzudenken. Gerade auch in den Wintermonaten, wenn das Angebot an Salaten und Gemüse beschränkt ist, erfreut sich Gemüsepaprika großer Beliebtheit. Das liegt zum einen an seinem hohen Gehalt an Vitamin C und zum anderen am ansprechenden Aussehen. Die Untersuchungen der zurückliegenden Jahre haben allerdings gezeigt, dass Paprika zu den Gemüsearten mit der höchsten Belastung an Pflanzenschutzmittel-Rückständen gehört. Um die Belastungssituation ständig zu verfolgen, wurde gestreut über das ganze Jahr Gemüsepaprika untersucht. Der vorliegende Beitrag berichtet über die Ergebnisse der von November 2005 bis Januar 2006 genommenen Proben (Stichtag für die Ergebnisse: 21.02.2006).

Zusammenfassung

Im Zeitraum November 2005 bis Januar 2006 wurden insgesamt 65 Proben Gemüsepaprika aus dem Groß- und Einzelhandel untersucht. Die Proben stammten aus verschiedenen Herkunftsländern entsprechend ihrer Marktpräsenz in Bayern. Zwei Drittel der Proben kamen aus Spanien. Die Rückstandssituation hat sich im Vergleich zu den Vorjahren trotz zahlreicher Beanstandungsverfahren durch die Lebensmittelüberwachungsbehörden nicht gebessert, eher noch verschlechtert. Nur 6 % der Proben waren rückstandsfrei, 52 % wiesen Rückstände unterhalb der zulässigen Höchstmengen auf und bei immerhin 42 % waren die Höchstmengen überschritten.

Abbildung 1: Anteil rückstandshaltiger Gemüse-Paprika (11/2005 - 01/2006)

Abbildung 1: Anteil rückstandshaltiger Gemüse-Paprika (11/2005 - 01/2006)

Ergebnisse im Detail

Einen Überblick über die Rückstandssituation gibt Tabelle 1. Die Probenzahlen je Herkunftsland sind teilweise gering, so dass manche Aussagen statistisch nicht zu verallgemeinern sind. Im Mittel wurden 7,9 Rückstände pro Probe gefunden, der mittlere Rückstandsgehalt lag bei 0,35 mg/kg. Damit sind die untersuchten Paprikaschoten im Vergleich zu anderen Gemüsesorten stärker belastet. Die statistischen Zahlen deuten auf eine Verschlechterung der Rückstandssituation im Vergleich zum Vorjahr hin. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass zwei Drittel der Proben im Berichtszeitraum aus Spanien stammten, einem Herkunftsland, das auch in der Vergangenheit bereits durch hohe Rückstandsbelastungen aufgefallen war.

Tabelle 1: Ergebnisübersicht Gemüse-Paprika (11/2005 - 01/2006)
Herkunftsland Gesamtzahl ohne R mit R kleiner als HM mit R größer als HM verschiedene Stoffe Anzahl R pro Probe 1) Gehalt R pro Probe1) (mg/kg)
Ägypten 1 0 1 0 6 6,0 0,07
Griechenland 2 0 1 1 12 7,5 0,26
Israel 8 2 5 1 7 1,6 0,03
Italien 1 1 0 0 0 0,0 0,00
Niederlande 2 0 1 1 12 6,0 0,19
Spanien 43 1 24 18 58 9,7 0,46
Türkei 6 0 1 5 25 6,0 0,26
ungeklärt 2 0 1 1 11 6,5 0,12
Gesamt 65 4 34 27 67 7,9 0,35
6% 52% 42%
zum Vergleich:
2004 (gesamt)
226 25% 45% 30% 86 3,6 0,13

R = Rückstand; HM = Höchstmenge; 1): Durchschnitt

Bei 27 Proben (42 %) wurden Höchstmengenüberschreitungen festgestellt, was einen deutlichen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Betroffen waren hierbei überwiegend Insektizide (gegen Insekten) und Akarizide (gegen Milben). Fungizide (gegen Pilze) spielten anders als bei vielen Obstarten nur eine untergeordnete Rolle. Alle Überschreitungen betrafen "allgemeine" Höchstmengen im Bereich der Bestimmungsgrenze, weil bei den entsprechenden Stoffen eine spezielle Regelung für Paprika (noch) nicht erfolgt ist (siehe Tabelle 2).

Negativ fiel Paprika aus Spanien und in besonderem Maße aus der Türkei auf: bei fünf von sechs türkischen Proben waren Höchstmengen überschritten. Zwei dieser Höchstmengenüberschreitungen bezogen sich auf Stoffe, für die eine Allgemeinverfügung nach § 54 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) erlassen wurde. Diese konnten allerdings aus formaljuristischen Gründen nicht herangezogen werden, weil die Türkei kein Land des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist.

Elf Höchstmengenüberschreitungen bezogen sich auf den Stoff Lufenuron. Für diesen insektizid wirksamen Stoff ist eine Allgemeinverfügung nach § 54 LFGB beantragt, die allerdings zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht erteilt war. So waren anstelle der beantragten Grenze von 0,30 mg/kg, die alle Proben deutlich unterschritten hätten, nur 0,01 mg/kg zulässig.

Aus ökologischen Landbau gelangten insgesamt nur drei Proben zur Untersuchung. Davon waren zwei Proben (Italien, Spanien) völlig rückstandsfrei, eine Probe (Spanien) enthielt für Bioware zulässige Mengen des Stoffes Piperonylbutoxid.

Tabelle 2: Paprika-Proben mit Höchstmengenüberschreitungen (11/2005 - 01/2006)
Herkunftsland Anzahl HMÜ Stoff Rückstands-Gehalt (mg/kg) zulässige HM (mg/kg) ARfD-Ausschöpfung
Griechenland 1 Carbendazim (F) 0,14 0,10 44
Israel 1 Acetamiprid (I) 0,041 0,01 3
Marokko 1 Lufenuron (I) 0,032 0,01 n.f.
Niederlande 2 Lufenuron (I)
Nitenpyram (I)
0,051
0,014
0,01
0,01
n.f.
n.f.
Spanien 2 Nitenpyram (I)
Lufenuron (I)
0,028
0,024
0,01
0,01
n.f.
n.f.
Spanien 2 Acrinathrin (A, I)
Lufenuron (I)
0,021
0,069
0,01
0,01
n.f.
n.f.
Spanien 1 Acetamiprid (I) 0,029 0,01 2
Spanien 1 Acrinathrin (A, I) 0,039 0,01 n.f.
Spanien 1 Mercaptodimethur (A, I) 0,56 0,1 (0,5)* 176
Spanien 2 Fipronil (A, I)
Lufenuron (I)
0,014
0,041
0,01
0,01
29
n.f.
Spanien 3 Acrinathrin (A, I)
Fipronil (A, I)
Lufenuron (I)
0,014
0,032
0,011
0,01
0,01
0,01
n.f.
67
n.f.
Spanien 2 Acrinathrin (A, I)
Lufenuron (I)
0,011
0,019
0,01
0,01
n.f.
n.f.
Spanien 1 Lufenuron (I) 0,012 0,01 n.f.
Spanien 1 Acrinathrin (A, I) 0,019 0,01 n.f.
Spanien 2 Acetamiprid (I)
Nitenpyram (I)
0,018
0,011
0,01
0,01
1
n.f.
Spanien 1 Lufenuron (I) 0,022 0,01 n.f.
Spanien 1 Acrinathrin (A, I) 0,019 0,01 n.f.
Spanien 1 Nitenpyram (I) 0,011 0,01 n.f.
Spanien 1 Lufenuron (I) 0,062 0,01 n.f.
Spanien 2 Nitenpyram (I)
Fipronil (A, I)
0,031
0,013
0,01
0,01
n.f.
27
Spanien 2 Acrinathrin (A, I)
Lufenuron (I)
0,058
0,022
0,01
0,01
n.f.
n.f.
Spanien 1 Etridiazol (F) 0,012 0,01 n.f.
Türkei 1 Acetamiprid (I) 0,011 0,01 1
Türkei 1 Acetamiprid (I) 0,064 0,01 4
Türkei 1 Indoxacarb (I) 0,044 0,02 (0,2)* 11
Türkei 1 Oxamyl (A, I) 0,49 0,05 343
Türkei 1 Pyrimethanil (F) 0,29 0,05 (2,0)* n.nw.

HMÜ = Höchstmengenüberschreitung, A = Akarizid, F = Fungizid, I = Insektizid,
* Werte in Klammer: Allgemeinverfügung nach § 54 LFGB (nur für Herkunft EU / EWR)
ARfD = Akute Referenzdosis; n.nw. = nicht notwendig; n. f. = nicht festgelegt

Bei allen Höchstmengenüberschreitungen wird eine toxikologische Risikoabschätzung durchgeführt. Dazu wird am Beispiel eines Kindes von 2 bis unter 5 Jahren überprüft, in welchem Maß bei einem einmaligen Verzehr die Akute Referenz Dosis (ARfD) ausgeschöpft ist. Bei Überschreitung des ARfD-Wertes erfolgt eine Meldung an das Europäische Schnellwarnsystem (RASFF). Das war bei den vorliegenden Proben in zwei Fällen erforderlich.

Insgesamt wurden 67 verschiedene Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe nachgewiesen. Die häufigsten Stoffe (öfter als fünfmal nachgewiesen) sind in der Abbildung 2 aufgelistet. Unter den aufgeführten 29 Pestiziden finden sich 17 Insektizide bzw. Akarizide und 12 Fungizide, was die vergleichsweise große Bedeutung von tierischen Schädlingen neben Pilzerkrankungen in Paprikakulturen widerspiegelt.

Balkendiagramm: Häufig nachgewiesene Stoffe in Paprika

Abbildung 2: Häufig nachgewiesene Stoffe in Paprika (11/2005 - 01/2006)

A= Akarizid, F = Fungizid, I = Insektizid

Häufig wurden in einer Probe mehrere Stoffe gleichzeitig gefunden, das Maximum lag bei 19 Stoffen in jeweils zwei Proben aus Spanien. Diese beiden Proben waren auch wegen Höchstmengenüberschreitungen zu beanstanden (Acrinathrin bzw. Nitenpyram) und wiesen deutliche Gesamtrückstandsgehalte von 0,84 mg/kg bzw. 0,40 mg/kg auf.

Das Problem der Mehrfachrückstände wird teilweise sehr emotional und kontrovers diskutiert, insbesondere wegen noch lückenhafter Kenntnisse über mögliche additive Wirkungen der unterschiedlichen Stoffe im menschlichen Organismus. Auch im Hinblick auf "gute Agrarpraxis" sind extreme Mehrfachbefunde sehr fragwürdig.

Säulendiagramm: Mehrfachrückstände in Paprika

Abbildung 3: Mehrfachrückstände in Paprika (11/2005 - 01/2006)

Fazit

Die untersuchten Paprikaschoten erwiesen sich als vergleichsweise stark mit Pflanzenschutzmittel-Rückständen belastet. Der Anteil an Höchstmengenüberschreitungen war hoch, allerdings waren die verletzten Höchstmengen meist nicht toxikologisch begründet. Die Beanstandungen beruhten zum Teil lediglich auf der dadurch komplizierten Rechtslage, dass für bestimmte Wirkstoffe die Höchstmengen noch nicht EU-weit harmonisiert sind.

Die Akute Referenzdosis (ARfD) war in zwei Fällen überschritten, so dass in diesen Fällen gesundheitliche Beeinträchtigungen durch die einzelnen nachgewiesenen Rückstände nicht sicher auszuschließen waren. Aus Sicht der Lebensmittelüberwachung ist die Rückstandssituation bei Gemüsepaprika weiterhin unbefriedigend. Nach wie vor fallen Produkte aus Spanien und der Türkei besonders negativ auf. 

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